Eine Bürgerinitiative in Heilbronn fordert eine Obergrenze für Dönerbuden in der Innenstadt. Diese Forderung teilt die örtliche CDU. Viel spricht aber dafür, dass ein solches Limit rechtlich kaum umsetzbar ist, erklärt Patrick Heinemann.
Geht es nach der Stadtinitiative Heilbronn, gibt es in der dortigen Innenstadt zu viele Döner-Buden, Nagelstudios und Barbershops. Daher soll nun eine Obergrenze her. Ein Gutachten von PWC, dessen Ergebnisse die Stadtinitiative Heilbronn im September präsentierte, soll angeblich die rechtliche Zulässigkeit dieses Unterfangens erläutern. Auf LTO-Nachfrage wollte die Initiative das Gutachten jedoch nicht herausrücken. Schon kurz vor den baden-württembergischen Kommunalwahlen im Juni 2024 hatte die Heilbronner CDU mit einer Forderung nach einer Döner-Obergrenze für Aufmerksamkeit gesorgt. Im SPD-geführten Rathaus bezweifelt man dagegen, dass pauschale Obergrenzen für einzelne Arten von Gewerbebetrieben rechtlich so einfach zu realisieren sind. Sind die Zweifel berechtigt?
Für die Anordnung einer solchen Obergrenze könnte man an verschiedene Rechtsgebiete denken, zum Beispiel an das Gewerberecht. Das deutsche Gewerberecht geht im Kern bis heute auf die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund von 1869 zurück. Damals wie heute gilt der somit vorkonstitutionelle Grundsatz der Gewerbefreiheit (§ 1 Abs. 1 GewO), der heute verfassungsrechtlich von der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) umfasst ist. Beschränkungen dieser Freiheit sind rechtfertigungsbedürftig, insbesondere müssen sie einem verfassungsrechtlich legitimen Ziel dienen und angemessen sein.
Keine Regelungen zu Obergrenzen
Das Gewerberecht kennt Beschränkungen nur für bestimmte Typen von Gewerben und verlangt für ihre Ausübung teilweise eine Konzession. Dazu gehören insbesondere manche Gaststätten. Eine Erlaubnis zum Betrieb einer Gaststätte benötigt insbesondere, wer neben zubereiteten Speisen nicht nur alkoholfreie Getränke verabreicht (§ 2 Abs. 2 GastG i. V. m. § 1 LGastG BW). Die Erlaubnis darf nur aus bestimmten Gründen versagt (§ 4 GastG i. V. m. § 1 LGastG BW) und kann mit Auflagen versehen werden (§ 5 GastG i. V. m. § 1 LGastG BW). Obergrenzen in bestimmten Gebieten sieht das Gaststättenrecht nicht vor.
Nicht anders sieht es im Städtebaurecht aus: Das allgemeine Instrument der Gemeinden, um den Städtebau in ihrem Gebiet zu steuern, ist die ihnen im Bauplanungsrecht zugewiesene Planungshoheit. Bebauungspläne als verbindliche Bauleitpläne (§ 1 Abs. 2 BauGB) stellen dabei grundsätzlich nur eine Angebotsplanung dar. Das bedeutet, dass die betroffenen Grundeigentümer und sonstigen Berechtigten von den Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen der Festsetzungen des Bebauungsplans Gebrauch machen dürfen – aber eben nicht müssen. Innerhalb dieser Grenzen kann mit dem Grundeigentum also weiterhin nach Belieben verfahren werden (§ 903 S. 1 BGB). Wo das Bauplanungsrecht Gaststättennutzungen zulässt, darf man also auch einen Döner-Grill betreiben.
Dönergrill-Verbot ist keine Obergrenze
Speziell die Döner-Grill-Nutzung einzuschränken, ist bauplanungsrechtlich nicht ganz so einfach. Für Festsetzungen eines Bebauungsplans gilt der sogenannte numerus clausus der in BauGB und BauNVO vorgesehenen Festsetzungsmöglichkeiten. Die Plangeber – also die Gemeinden – haben kein Festsetzungsfindungsrecht. Das Bauplanungsrecht lässt es zu, aus städtebaulichen Gründen für bestimmte Flächen in einem Baugebiet gewerbliche Nutzungen, die dort grundsätzlich zulässig sind, auszuschließen oder vorzuschreiben („In-Sich-Gliederung“, § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauNVO). So könnte man also in einem Gewerbe- oder Mischgebiet gewerbliche Nutzungen auf bestimmten Flächen als unzulässig festsetzen, solange der jeweilige Gebietscharakter erhalten bleibt.
Es ist sogar möglich, hier eine vertikale Differenzierung vorzunehmen, also z. B. gewerbliche Nutzungen nur für bestimmte Geschosse auszuschließen oder sie genau dort vorzuschreiben (§ 1 Abs. 7 BauNVO). Ebenso ist es zulässig, gewerbliche Nutzungen in einem Baugebiet komplett auszuschließen (§ 1 Abs. 5 BauNVO), solange dadurch nicht die Zweckbestimmung des jeweiligen Gebiets in Frage gestellt wird, was etwa bei einem Misch- oder einem Gewerbegebiet der Fall wäre, in dem gewerbliche Nutzungen ausgeschlossen werden sollen. Es ist schließlich aus besonderen städtebaulichen Gründen – hier liegen die Anforderungen also etwas höher – auch möglich, ganz bestimmte Arten von Nutzungen – wie etwa Döner-Grills – auszuschließen (§ 1 Abs. 9 BauNVO). Damit kann man zwar sehr genau festsetzen, wo Döner-Imbisse zulässig sind und wo nicht. Eine absolute Obergrenze für Döner-Grills kann man aber selbst mit dieser Feinsteuerung nicht erreichen.
Briefmarkenplanung als Ausweg?
Was das Bauplanungsrecht nämlich nicht kennt, sind allgemeine quantitative Obergrenzen für bestimmte Nutzungen. Nun könnte man natürlich auf den Gedanken verfallen, einfach den bisher vorhandenen Nutzungsbestand festzuschreiben oder auch ansonsten sehr kleinteilige Festsetzungen zu treffen, die faktisch auf die Beschränkung einer bestimmten Anzahl von Imbissbetrieben hinausliefe. Das erscheint aber aus anderen Gründen des Städtebaurechts bedenklich. Für eine solche „Briefmarkenplanung“ bestehen oft Zweifel an deren städtebaulicher Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
Bauplanerische Festsetzungen müssen sich zudem am Abwägungsgebot messen, wonach die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind (§ 1 Abs. 7 BauGB). Es ist sehr zweifelhaft, ob die faktische Herbeiführung einer Döner-Obergrenze unter Berücksichtigung von Art. 12 Abs. 1 GG abwägungsfehlerfrei gelingen könnte. Die Begrenzung von Döner-Imbissen ist wohl kaum ein städtebaulicher Belang von derart hohem Gewicht, dass er sich in einer Abwägung fehlerfrei gegenüber den betroffenen Grundrechtsbelangen durchsetzen könnte.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Einige Heilbronner Döner-Gastronomen begrüßen bereits die Einführung einer Obergrenze, weil sie sich dadurch Schutz vor weiterer Konkurrenz erhoffen. Der Einsatz des Bauplanungsrechts hat sich gegenüber Wettbewerbsinteressen jedoch neutral zu verhalten. Konkurrentenschutz ist kein städtebaulicher Belang, der bauplanerische Festsetzungen als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) rechtfertigen kann. Das Interesse, ein Gewerbe frei von Konkurrenz anderer ausüben zu können, ist in aller Regel kein abwägungserheblicher Belang, weil ihm der städtebauliche Bezug fehlt.
Zu viele Dönerbuden kein Sanierungsfall
Schließlich lassen es auch die Instrumente des besonderen Städtebaurechts voraussichtlich nicht zu, eine pauschale Obergrenze für bestimmte Nutzungsarten festzulegen. In Betracht käme hier etwas die Festlegung eines Sanierungsgebiets (§§ 142 ff. BauGB).
Die Festlegung eines Sanierungsgebiets ziehen Kommunen insbesondere gerne bei Innenstadtgebieten in Betracht, die sich fehlentwickelt haben und die deshalb ihre städtebauliche Funktion nicht mehr oder nur noch eingeschränkt erfüllen. Das städtebauliche Sanierungsrecht ist ein sehr scharfes Instrument: Es gibt der Kommune ein Vorkaufsrecht (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB), Bauvorhaben, Nutzungsänderungen und die Begründung von befristeten Miet- und Pachtverhältnissen von mehr als einem Jahr bedürfen der sanierungsrechtlichen Genehmigung (§ 144 Abs. 1 BauGB). Die Genehmigung ist zu versagen, wenn sie den Zielen und Zwecken der Sanierung zuwiderliefe (§ 145 Abs. 2 BauGB).
Die Ziele und Zwecke der Sanierung legt die Gemeinde fest. Sie kann dabei auch das Ziel verfolgen, bestimmte Nutzungsarten zu verhindern, bei denen sie von einem trading down effect ausgeht. Das sind ganz häufig Dönerbuden, Shisha-Bars, Tabakgeschäfte usw. Mit dem Instrument des Sanierungsgebiets kann die Gemeinde aber lediglich die Ansiedlung weiterer missliebiger Nutzungsarten verhindern – eine pauschale Obergrenze für das Sanierungsgebiet kann sie nicht festlegen. Überhaupt sind die Voraussetzungen, unter denen das scharfe Schwert des städtebaulichen Sanierungsrecht zur Anwendung kommen kann, recht hoch. Ein Sanierungsgebiet festzulegen, nur um eine Begrenzung von Döner-Grills und anderen unerwünschten Nutzungen zu erreichen, dürfte kaum zu rechtfertigen sein.
Ob man den Ruf nach einer Döner-Obergrenze nun wie etwa die Heilbronner Grünen für Populismus hält oder nicht: Beim Kulturkampf um die Innenstädte machen jedenfalls weder Gewerbe- noch Städtebaurecht mit.
Stadtinitiative und CDU wollen Döner-Limit in Heilbronn: . In: Legal Tribune Online, 05.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55782 (abgerufen am: 09.12.2024 )
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