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SPD-Vorschlag zur Bildungsförderung: Nur fast die Quad­ratur des Kreises

von Prof. Dr. Joachim Wieland

04.10.2011

Kooperationsverbot

© Tomasz Trojanowski - Fotolia.com

Deutschland muss die Bildungsinvestitionen verstärken. Soweit besteht Einigkeit. Die Länder haben zwar die Bildungshoheit, aber kein Geld. Der Bund würde Geld für die Bildung ausgeben, ist aber durch die Verfassung daran gehindert. Ein Ausweg aus dem Dilemma: eine Grundgesetzänderung. Joachim Wieland erläutert die Hintergründe des SPD-Vorschlags.

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Im Jahre 2006 bewegte Deutschland nicht nur die Fußball-Weltmeisterschaft, sondern auch die größte Grundgesetzänderung in der Geschichte unserer Verfassung. Mit der Föderalismusreform sollten Kompetenzen zwischen Bund und Ländern klarer aufgeteilt werden. Zugleich wurde das so genannte Kooperationsverbot im Grundgesetz (Art. 104b GG) festgeschrieben: Der Bund darf sich finanziell nicht mehr in Bereichen engagieren, für die die Länder zuständig sind, also auch bei der Bildung. Die SPD will das Verbot nun für diesen Bereich aufheben und stimmte über einen Leitantrag für den Bundesparteitag ab.

Der Vorschlag könnte ein Ausweg aus der Misere sein: Deutschlands Zukunft als Kultur- und Wirtschaftsnation hängt von dringend benötigten Investitionen in das Bildungswesen ab. Die Bildungshoheit als Kernkompetenz liegt bei den Ländern. Für sie ist der Bildungsföderalismus wesentlicher Teil ihrer Staatlichkeit. Aber sie haben wenig Geld für Bildungsausgaben. Bis 2019 müssen sie wegen der Schuldenbremse ihre strukturellen Haushaltsdefizite beseitigen. Das zwingt sie zu erheblichen Ausgabenkürzungen.

Noch schlechter sieht es für die Bildungsausgaben der Kommunen aus, die nach der Finanzverfassung Teil der Länder sind: Ihre Kassenkredite – das sind Überziehungskredite, die eigentlich kurzfristig getilgt werden müssen – betrugen 2011 über 40 Milliarden Euro. Länder und Kommunen haben bei Einnahmen und Ausgaben wenige Gestaltungsspielräume. Der Bund regelt mit seiner Steuergesetzgebung im Wesentlichen die Höhe der Einnahmen der öffentlichen Hand und schreibt Ländern und Kommunen mit seiner Sozialgesetzgebung ihre größten Ausgabenposten vor. Deshalb überrascht es nicht, dass die für die Bildung seit langem zu wenig Geld ausgeben.

Mit Bildungsinvestitionen bewegt sich der Bund auf dünnem Eis

Der Bund ist in seiner Haushaltswirtschaft flexibler und hat in den vergangenen Jahren immer wieder Geld für Bildungsausgaben bereitgestellt. Die Finanzierung der Ganztagsschulen, die Exellenzinitiative, Hochschulpakte und Bildungspakete für die Kinder von Arbeitsuchenden sind Beispiele aus der letzten Zeit. Verfassungsrechtlich bewegt sich der Bund mit diesen Initiativen auf unsicherer Grundlage. Die Bundesstaatsreform hat seine Handlungsmöglichkeiten im Bildungsbereich bewusst eingeengt. So darf er zwar im Bereich der Wissenschaft in gewissem Umfang gemeinsam mit den Ländern Aufgaben übernehmen und finanzieren (Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91b GG). Das ist am ehesten in der Forschungsförderung möglich. Schon die Unterstützung der Lehre durch den Bund stößt auf enge Grenzen.

Die schulische Bildung darf der Bund praktisch überhaupt nicht fördern, sieht man einmal von Vereinbarungen mit den Ländern zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich (PISA) ab. Auch Finanzhilfen darf der Bund den Ländern bislang nur dort geben, wo er auch Gesetzgebungskompetenzen hat (auch das besagt das Kooperationsverbot in Art. 104b GG). Und die sind im Bildungsbereich rar. Nur die Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung darf der Bund regeln (Art. 74 I Nr. 13 GG). Selbst auf diesen Gebieten muss er Finanzhilfen zeitlich befristen und degressiv ausgestalten. Mehr als eine Anschubfinanzierung ist ihm also nicht möglich.

In der Staatspraxis werden diese Grenzen nicht immer strikt beachtet. Gelegentlich beruft sich der Bund auf ungeschriebene Kompetenzen. Die sind aber wenig belastbar. Nicht selten sind Bildungsausgaben des Bundes nur deshalb durchführbar, weil sich der Bund und alle Länder einig sind, so dass es nicht zu einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht kommt. Die Tragfähigkeit der Kompetenzgrundlagen für das Handeln des Bundes wird dann nicht überprüft.

Bund achtet die Bildungshoheit der Länder, aber Geld gibt’s nur zweckgebunden

Als Ausweg aus dieser unbefriedigenden Situation schlägt die SPD die Einführung eines neuen Tatbestandes für Finanzhilfen des Bundes im Bildungsbereich vor (im Entwurf als Art. 104c GG bezeichnet). Danach soll der Bund den Ländern Finanzhilfen für Bildungsausgaben ohne zeitliche Befristung und ohne degressive Ausgestaltung geben können. Er muss aber die Bildungshoheit der Länder beachten. Außerdem wird Einstimmigkeit der Länder gefordert. Das verhindert eine Vorzugsbehandlung einzelner Länder aus politischen Gründen, gibt aber jedem Land eine Vetoposition und kann das Verfahren mühsam machen. Wenn man nicht auf das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung der Länder vertrauen will, könnte man hier auch an ein hohes Zustimmungsquorum wie eine Dreiviertelmehrheit der Länder denken.

Im Ergebnis würden Bildungsausgaben des Bundes in einem weiten verfassungsrechtlichen Rahmen zwischen Bund und Ländern politisch ausgehandelt. Das strenge Kooperationsverbot würde weicher gefasst. Aus Sicht der Länder wäre es zwar vorzugswürdig, wenn der Bund ihnen statt Finanzhilfen einen höheren Anteil am Aufkommen der Umsatzsteuer überließe. Eine solche Lösung wäre jedoch für den Bund nicht attraktiv, weil nicht gesichert wäre, dass das Geld wirklich für Bildungsausgaben ausgegeben würde.

Umgekehrt würde die Einführung einer Gemeinschaftsaufgabe „Bildungsförderung“ dem Bund mehr Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Der Preis wäre jedoch eine verfassungsrechtliche Beschränkung der Bildungshoheit der Länder. Das würden die Länder nicht akzeptieren. Zudem wird der Bund die Finanzhilfen nach Art. 104c GG nicht ohne politische Vorbedingungen für ihre Verwendung geben, auch wenn er die Bildungshoheit der Länder achten muss. Deshalb dürfte der Vorschlag der SPD einen für Bund und Länder tragbaren Kompromiss darstellen. Schließlich zählt für die Bürgerinnen und Bürger am Ende eben doch nur, dass endlich mehr Geld in die Bildung investiert wird.

Prof. Dr. Joachim Wieland, LL.M., ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Er hat der Friedrich-Ebert-Stiftung soeben ein Kurzgutachten zum Bildungsföderalismus erstattet.

 

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Joachim Wieland, SPD-Vorschlag zur Bildungsförderung: . In: Legal Tribune Online, 04.10.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4449 (abgerufen am: 13.06.2025 )

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