Es klang auf den ersten Blick großartig: Ein Crowdfunding-Unternehmen, das gemeinnützig wird. Zutreffend war diese Information über das US-Unternehmen Kickstarter aber nicht. Stefan Winheller erklärt die Besonderheiten von Social Business.
Es hatte den Touch von Robin Hood: Das Gute siegt, dem Geld wird nur noch der sozialen Sache wegen gehuldigt. Es hatte also das Flair von schöne, neue Welt, als die Nachrichtenportale mitteilten, das US-Unternehmen Kickstarter werde gemeinnützig. Doch so einfach ist es nicht. Denn Kickstarter wird weder nach US-amerikanischen Verständnis ("Tax Exempt Organizations" gemäß Internal Revenue Code § 501[c][3]) noch nach der deutschen Auffassung von einer gemeinnützigen Organisation (§§ 51 ff. Abgabenordnung, AO) gemeinnützig. Denn zentrales Kriterium für die Zuerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus – und damit für umfassende Steuerbefreiungen – sowohl in Deutschland als auch in den USA ist, dass keine Gewinne an die Investoren ausgeschüttet werden dürfen, sog. non-distribution constraint.
Hätte sich Kickstarter tatsächlich in eine gemeinnützige Körperschaft umgewandelt, wäre das vor diesem Hintergrund äußerst nachteilig für die Investoren gewesen. Denn trotz aller Begeisterung für die "gute Sache", finanzieren Investoren Unternehmen noch immer in erster Linie deswegen, weil sie sich davon einen vernünftigen Return on Investment versprechen. Wäre Kickstarter wirklich gemeinnützig, wäre das Unternehmen für Investoren, die auf das Erwirtschaften einer Rendite aus sind, in keiner Weise mehr interessant.
Zwischen Gemeinwohl und Profit: Public Benefit Corporation als Zwitterrechtsform
Richtig ist, dass das Unternehmen Kickstarter mit der Public Benefit Corporation (PBC) eine Rechtsform gewählt hat, die eine Kombination aus dem "guten Zweck" und der Möglichkeit, Dividenden auszuschütten, erlaubt. Als PBC genießt Kickstarter keine steuerlichen Privilegierungen und ist und bleibt eine gewerbliche Unternehmung – eine "For Profit Corporation" statt einer gemeinnützigen "Charitable Organization" bzw. "Non Profit Organization". Das Unternehmen kann damit seinen Gesellschaftern Gewinne ausschütten. Hinzu kommt die Besonderheit, dass sich Kickstarter als PBC zusätzlich gewissen sozialen Werten verschrieben hat und sich verpflichtet, jährlich fünf Prozent seiner erwirtschafteten Gewinne zu spenden.
Die Rechtsform der PBC bildet damit das rechtliche Vehikel für typische Social-Business-Aktivitäten, die seit einigen Jahren – gerade auch in Deutschland – an Popularität gewinnen. Social Businesses, die sowohl wirtschaftliche als auch soziale-gesellschaftliche und/oder ökologische Ziele – sowohl innerhalb des Unternehmens z.B. im Verhältnis zu den Mitarbeitern, als auch im Außenverhältnis gegenüber den Kunden, Lieferanten, der Öffentlichkeit etc. – verfolgen, sind in vielfältigen Erscheinungsformen tätig.
Trotz ihrer zumindest teilweise gemeinwohlfördernden Ausrichtung sind Social Businesses in aller Regel nicht gemeinnützig im steuerlichen Sinn, weil sie sich bewusst den zahlreichen strengen Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts, wie den dezidierten Mittelverwendungsvorgaben, dem erhöhten Buchhaltungsaufwand, den zahlreichen formalen Vorgaben, der intensiven Kontrolle durch die Finanzbehörden etc. nicht unterwerfen wollen. Sofern Social Businesses keine steuerlich abzugsfähigen Spenden einwerben möchten, ist die Gemeinnützigkeit in der Tat auch verzichtbar.
Die gute alte GmbH als Social-Business-Rechtsform in Deutschland
Während die PBC den Social-Business-Gedanken in den USA gut abbildet, fehlt es in Deutschland an einer speziellen Social-Business-Rechtsform. Auch hierzulande wird zwar gelegentlich der Wunsch nach einer speziellen Rechtsform für all diejenigen Unternehmen, die den Social-Business-Gedanken fördern, geäußert. Zwingend nötig ist das aber nicht.
Für die von Social Businesses regelmäßig unterhaltenen betrieblichen Aktivitäten eignet sich die etablierte Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sehr gut, die zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet und betrieben werden kann. Es ist daher schon auf Grundlage des aktuellen Rechts nicht gesagt, dass eine GmbH ausschließlich Gewinninteressen verfolgen muss oder – umgekehrt – sich ausschließlich gemeinnützigen Zwecken zu widmen hat, dann als sog. gemeinnützige GmbH, gGmbH. Vielmehr ist auch eine Vermischung sozialer und wirtschaftlicher Zwecke in der Rechtsform der GmbH unproblematisch möglich. So gestattet es das geltende Recht z.B. auch schon jetzt, dass eine gewerblich ausgerichtete GmbH durch Spenden und Sponsoring im angemessenen Umfang auch soziale Zwecke fördert.
2/2: Haftungsrisiken minimieren
Geschäftsführer einer GmbH sehen sich jedoch zahlreichen "natürlichen Gegnern" ausgesetzt. Sie müssen ihrer GmbH dienen und dabei sowohl die Interessen der Gesellschafter, der sonstigen Investoren und Fremdkapitalgeber, der Arbeitnehmer und der Kunden im Blick behalten. Es liegt auf der Hand, dass die Interessen der verschiedenen Gruppierungen nicht selten gegenläufig sind. Eine Ausdehnung des rein wirtschaftlich geprägten Gesellschaftszwecks hin zur Förderung auch gesellschaftlicher Ziele im Sinne eines Social Business verkompliziert die Situation der Geschäftsführung noch weiter, weil die gegebenenfalls gegenläufigen Interessen der unterschiedlichen Gruppierungen dann nicht mehr nur mit dem einen Ziel einer typischen gewerblichen GmbH, nämlich der Gewinnmaximierung, in Einklang gebracht werden müssen, sondern nun auch noch auf Gesellschaftsebene zwei unterschiedliche Zwecksetzungen miteinander konkurrieren.
Das Handeln der Geschäftsführung eines Social Business ist daher weit fehleranfälliger und damit haftungsträchtiger als in einer reinen GmbH oder einer reinen gGmbH. Es empfiehlt sich deswegen, die von einer Social-Business-GmbH zu verfolgenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ziele in ihrer Satzung klar und deutlich, d.h. möglichst bestimmt zu definieren und ihnen ggf. auch eine Rangfolge zuzumessen, an der sich die Geschäftsführung im Falle eines Zielkonflikts – wie z.B. bessere Bezahlung der Mitarbeiter oder der Lieferanten einerseits, Gewinnmaximierung für die Gesellschafter andererseits – orientieren kann. Die Geschäftsführung kann so vor erhöhten Haftungsrisiken geschützt werden. Der zusätzliche Abschluss einer Directors-and-Officers-Versicherung, der sog. D&O-Versicherung, zählt mittlerweile zu den Standardmaßnahmen zur Reduzierung der persönlichen Haftung von Organen sowohl bei gewerblichen als auch bei gemeinnützigen Körperschaften.
Die Rechtsform der GmbH hat sich in ihren jeweiligen nationalen Ausprägungen schon lange weltweit als eine der beliebtesten haftungsbeschränkten Rechtsformen durchgesetzt. Auch für moderne Social-Business-Geschäftsmodelle ist sie bestens geeignet.
Der Autor Stefan Winheller, LL.M. Tax (USA), ist Fachanwalt für Steuerrecht und geschäftsführender Gesellschafter der unter anderem auf das Gemeinnützigkeitsrecht spezialisierten Kanzlei WINHELLER Rechtsanwälte & Steuerberater mit Hauptsitz in Frankfurt.
Stefan Winheller, LL.M. Tax (USA), Social Business von Unternehmen: Zwischen Gemeinwohl und Profit . In: Legal Tribune Online, 21.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17284/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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