Asyl für Edward Snowden: Rechtlich möglich, moralisch alternativlos

Der Spionageskandal ist erneut entflammt und immer mehr Stimmen fordern Asyl für den Mann, der das beispiellose Vorgehen der USA publik gemacht hat. Die Bundesregierung gibt sich zwar bestürzt, aber juristisch seien ihr die Hände gebunden. Doch die angeblichen Hürden sind überwindbar – sich nur hinter ihnen zu verstecken, heißt politische Feigheit zu kaschieren, meint Constantin van Lijnden.

Die USA überwachen die Kommunikation von Millionen deutscher Bürger - und von Angela Merkel. Welche dieser beiden Satzhälften den gröberen Rechtsverstoß beschreibt, mag jeder für sich entscheiden. Jedenfalls ist in Berlin die zunächst noch eher verhaltene Betroffenheit in echte Empörung umgeschlagen, nachdem bekannt wurde, dass selbst das Handy der Bundeskanzlerin gegenüber amerikanischer Datenschnüffelei nicht sakrosankt ist. In den Vereinigten Staaten hat es wohl ein paar Tage gedauert hat, bis die Information ankam, dass die EU tatsächlich mehr als etwas ungehalten ist; der Chef der NSA erklärte am Dienstag sein Vorgehen völlig unabhängig von rechtlichen Grundlagen für ebenso normal wie faktisch alternativlos.

Hierzulande folgen währenddessen die Schlagzeilen im Minutentakt: Bundesanwaltschaft prüft Ermittlungsverfahren, Sondersitzung im Bundestag geplant, Deutschland will gemeinsam mit Brasilien noch in dieser Woche bei den Vereinten Nationen eine Resolution gegen das Ausspähen von elektronischer Kommunikation einbringen. Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus müssten im Einklang mit dem Völkerrecht stehen, heißt es im Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegt. Darin werden alle Staaten aufgefordert, Gesetzgebung und Praxis bei der Überwachung von privater Kommunikation im Ausland auf den Prüfstand zu stellen. Wie wirkungsvoll diese Maßnahmen sind, bleibt abzuwarten, immerhin aber drücken sie deutlich aus, dass man das Vorgehen des Bündnispartners als inakzeptabel verurteilt. Nur an einer Stelle bricht  die medienwirksam inszenierte Empörung jäh ab: dann nämlich, wenn der Name Edward Snowden fällt.

Snowden, wer war das noch gleich? Der Mann, dem wir die bislang womöglich bedeutsamste politische Enthüllung des noch jungen Jahrtausends zu verdanken haben. Ohne den wir nach wie vor in  - wohliger? - Unwissenheit um die fortschreitende Zersetzung unser aller Privatsphäre leben würden. Der seine Freiheit und sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, um seine Informationen mit der Weltöffentlichkeit zu teilen. Informationen, wohlgemerkt, die von Medien wie Regierungen mit größtem Interesse aufgenommen und verarbeitet wurden.

Der Dank ungezählter Millionen ist ihm sicher. Der nützt ihm in einem amerikanischen Gefängnis aber herzlich wenig. Was ihm nützen würde, wäre ein Land, das seine Aufnahme und Rückendeckung gegen amerikanische Auslieferungsersuchen zusichert. Dass ausgerechnet das nicht gerade für rechtsstaatliche Vorbildlichkeit bekannte Russland – wenn auch sicher nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit – sich in diesem Punkt hervortut, ist eine Schande für jeden Staat, der hinter den Anstrengungen des Kreml zurückbleibt.

Asyl aus dem Ausland unmöglich, Aufenthaltserlaubnis nicht

Natürlich ist aber jeder Staat und damit auch Deutschland an seine nationalen Gesetze einerseits und  internationale Verträge andererseits gebunden. Und "die Voraussetzungen für eine Aufnahme liegen nicht vor", hieß es bereits Anfang Juli in der denkbar knappen Erklärung des Innenministeriums und des Auswärtigen Amtes. Das "wir würden ja gerne" kann der geneigte Leser sich hinzudenken.

Aber  ist eine Aufnahme des Whistleblowers  in Deutschland tatsächlich eine juristische Unmöglichkeit? Es stimmt zwar, dass sein Gesuch, ausschließlich als Asylantrag verstanden, unwirksam wäre, denn ein solcher kann nur von deutschem Boden aus gestellt werden. "Doch es gibt andere Wege, wie Snowden nach Deutschland kommen könnte", weiß Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer bei PRO ASYL. "Möglich wäre zum Beispiel, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach §§ 23, 23 Aufenthaltsgesetz zu erteilen."

Die Vorschriften sehen eine Aufnahme "aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland" vor. Insbesondere unter die letzte Alternative ließe der Fall Snowden sich laut Mesovic subsumieren. "Es lässt sich ohne Weiteres vertreten, dass der Schutz eines Mannes, der hochbrisante Informationen geliefert hat und möglicherweise noch über weitere verfügt, den politischen Interessen der Bundesrepublik dient", so der Asylrechtler.

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden, Asyl für Edward Snowden: . In: Legal Tribune Online, 30.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9924 (abgerufen am: 05.12.2024 )

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