Schwabinger Kunstfund: Verjährung alles andere als eindeutig

von Claudia Spoerhase, Holger Grefrath

27.11.2013

2/2: Bayern müsste die Werke herausgeben

Daraus folgt, dass der Freistaat Bayern als derzeitiger Besitzer der Kunstwerke im Falle zivilrechtlicher Herausgabeklagen – unabhängig von moralischen Verpflichtungen – nicht die Einrede der Verjährung erheben könnte. Zwar sind zivilgerichtliche Herausgabeklagen gegen die Staatsanwaltschaft bzw. das Land während einer fortdauernden Beschlagnahme unzulässig. Mit Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder mit rechtskräftigem Abschluss eines Strafverfahrens endet die Beschlagnahme jedoch ohne Weiteres; ab diesem Zeitpunkt könnten die Eigentümer also ihre Herausgabeansprüche gegen das Land Bayern durchsetzen.

Etwas mehr um die Ecke gedacht, könnten sie ihre Rechte sogar bereits während des laufenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens geltend machen, und zwar nach § 812 BGB durch eine zivilgerichtliche Klage gegen Herrn Gurlitt als letzten Gewahrsamsinhaber, gerichtet auf Zustimmung gegenüber der Staatsanwaltschaft zur Herausgabe der Bilder. Dogmatisch lässt sich das anhand einer Parallelwertung zu Hinterlegungsfällen begründen: Auch dort wird der § 812 BGB herangezogen, um dem wirklich Berechtigten gegen andere (Hinterlegungs)Beteiligte einen Anspruch auf Einwilligung in die Herausgabe zu eröffnen. Und auch dieser Anspruch ist erst mit Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft entstanden, mithin noch lange nicht verjährt.

Warum Gurlitt sich nicht auf Verjährung berufen könnte

Allerdings ist auch denkbar, dass die Staatsanwaltschaft die beschlagnahmten Bilder nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens angesichts der zweifelhaften Eigentumslage nach §§ 372 ff. BGB unter Verzicht auf Rücknahme hinterlegt. Als "Kostbarkeiten" handelt es sich bei den Bildern um hinterlegungsfähige Gegenstände, die §§ 372 ff. BGB können auf öffentlich-rechtliche Ansprüche auch entsprechend angewendet werden. Ausdrücklich ist die Hinterlegung in § 111k Strafprozessordnung (StPO) zwar nicht vorgesehen, doch entspricht sie dem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz des möglichst schonenden Eingriffs und vermeidet zugleich eine ausufernde Befassung der Strafverfolgungsorgane mit zivilrechtlichen Angelegenheiten. Die Vorkriegsbesitzer und Eigentümer der Bilder – gegebenenfalls aber auch Herr Gurlitt – hätten ihre Ansprüche dann gemäß Art. 19 des Bayerischen Hinterlegungsgesetzes der Hinterlegungsstelle nachzuweisen. Auch in dieser Konstellation richten sich die Herausgabeansprüche also nicht gegen Herrn Gurlitt selbst, so dass sich die Frage, ob dieser mit Erfolg die Einrede der Verjährung erheben kann, erst gar nicht stellt.

Relevant wird die Frage vielmehr nur in dem Fall, dass die Staatsanwaltschaft die Bilder wieder unmittelbar an Herrn Gurlitt als letzten Gewahrsamsinhaber herausgibt. Doch auch in dieser Konstellation ist keineswegs selbstverständlich, dass Herr Gurlitt die Einrede der Verjährung würde erheben können. Denn den Bruch in der Besitzkette ohne Rechtsnachfolge im Sinne des § 198 BGB hätte es durch die Beschlagnahme gleichwohl gegeben. Auch wenn die Bilder sodann zurück in seinen Besitz gelangen, heißt das nicht unbedingt, dass ihm die vormals verstrichene Verjährungsfrist des § 198 BGB anzurechnen wäre. Die Formenstrenge des Sachenrechts gebietet es eher, den Schnitt eines Besitzwechsels ohne Rechtsnachfolge ernst zu nehmen und die Verjährungsfrist an diesem Punkt neu einsetzen zu lassen. Nebenbei ließe sich dadurch auch das unschöne, dauerhafte Auseinanderfallen von Besitz und Eigentum vermeiden.

Die Autorin Claudia Spoerhase ist seit 2005 Staatsanwältin in Berlin und seit 2011 an das Bundespräsidialamt abgeordnet.

Der Autor Holger Grefrath ist Rechtsreferendar in Bonn und befindet sich aktuell in der Verwaltungsstation im Bundespräsidialamt in Berlin.

Der Beitrag gibt ausschließlich die persönlichen Auffassungen der Verfasser wieder. Er beruht auf öffentlich zugänglichen Informationen.

Zitiervorschlag

Claudia Spoerhase, Holger Grefrath, Schwabinger Kunstfund: Verjährung alles andere als eindeutig . In: Legal Tribune Online, 27.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10179/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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