Der BVB-Trainer gab der Frauenzeitschrift Grazia im Urlaub ein Interview. Dabei wies Jürgen Klopp auch darauf hin, dass er auf der Insel mit einem Opel unterwegs sei, den er in den höchsten Tönen lobte. Ein paar Seiten weiter: Eine Opel-Anzeige. Redaktionelle Werbung ist in Zeiten zurückgehender Anzeigenerlöse eine Versuchung, der die Verlage leicht unterliegen, kommentiert Jörg F. Smid.
Erst wenige Tage ist es her, dass Transparency International die Ergebnisse einer Studie veröffentlichte, nach der immer mehr Deutsche das Vertrauen in die Medien verlieren. Für den drittkorruptesten Sektor nach Politik und Privatwirtschaft hält die Bevölkerung sie mittlerweile.
Dabei ist die Aufgabe einer freien Presse hinlänglich bekannt und wird insbesondere von der Presse selbst immer wieder betont. "Schlechthin konstituierend für die freiheitlich demokratische Grundordnung" nennt das Bundesverfassungsgericht die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG stets.
Der Grund für diesen Vertrauensverlust könnten Fälle sein wie jener, der jüngst die Medien beschäftigte. Im Interview mit der Modezeitschrift GRAZIA berichtete Jürgen Klopp nicht nur von seinen Freizeitaktivitäten auf der beliebten Nordseeinsel, sondern auch von dem Auto, das er dort benutzt.
Das neueste Kleinwagenmodell von Opel fahre er auf der Insel, erzählte der beliebte Trainer. Dieses Auto sei so klein, dass es in jede Parklücke passe, andererseits aber geräumig genug, dass noch der Hund Platz habe. Passend dazu wählte Grazia als Aufmacherbild eines der PR-Bilder des Kfz-Herstellers, auf dem "Kloppo" sich an einen Opel lehnt. Keine Erwähnung fand dagegen der Umstand, dass der 46-Jährige als sogenannter Markenbotschafter des Autoherstellers tätig ist und derzeit regelmäßig in dessen Werbespots auftritt.
Redaktionelle Werbung ist rechtswidrig
Die Medien witterten einen neuen Fall von Schleichwerbung. Und das durchaus zu Recht. Unter Schleichwerbung versteht man die insbesondere werbliche Darstellung von Waren oder Dienstleistungen Dritter im Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung, wenn diese über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Rezipienten hinausgeht.
Sie verstößt gegen das sogenannte Trennungsgebot: Beabsichtigt eine Zeitschrift, Werbung zu veröffentlichen, muss sie dies deutlich vom redaktionellen Teil getrennt und kenntlich machen.
Schleichwerbung muss nicht etwa bezahlt oder unmittelbar durch geldwerte Vorteile belohnt werden, dieses Modell stellt nur einen besonders eklatanten Fall dar.
Redaktionell getarnte Werbung ist nicht nur ärgerlich, sondern auch rechtswidrig. Sie verstößt gegen die einschlägigen Landespressegesetze. So regelt beispielsweise § 10 des Hamburgischen Pressegesetzes (HmbgPG), dass der Verleger eines periodischen Druckwerks eine Veröffentlichung deutlich mit dem Wort "Anzeige" bezeichnen muss, wenn er für diese ein Entgelt erhalten oder gefordert hat oder sich hat versprechen lassen.
Auch wenn der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof Wathelet vor einigen Tagen das gleichlautende baden-württembergische Pressegesetz mit der Anforderung, ausdrücklich das Wort "Anzeige" zu verwenden, für zu streng und damit für nicht europarechtskonform hielt, geht die Einbindung in ein Interview wie im Fall von Jürgen Klopp deutlich über die redaktionell veranlasste Nennung und Darstellung von Marken hinaus.
Die Kennzeichnung als "Anzeige" ist nur dann entbehrlich, wenn die Veröffentlichung nicht schon durch ihre allgemeine Anordnung und Gestaltung als Anzeige zu erkennen ist. Verstößt der Verleger gegen diese Pflicht, handelt er ordnungswidrig und kann mit einem Bußgeld belegt werden (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 HmbgPG).
"Der Redaktion ganz klar ein Fehler unterlaufen"
Als "Schleichwerbung par excellence" bezeichnete der Sprecher des Deutschen Journalistenverbands das Vorgehen gegenüber dem Tagesspiegel, Edda Kremer vom Deutschen Presserat nannte es "sicher diskussionswürdig". Da sei der Redaktion ganz klar ein Fehler unterlaufen, solche Interviews entsprächen nicht der gängigen Praxis des Magazins, sagte Jonas Schmieder, Sprecher der Mediengruppe Klambt, welche die Grazia mit herausgibt.
Diese Einsicht muss man begrüßen. Schon die prominente Darstellung der Marke Opel durch die Verwendung eines PR-Fotos geht deutlich über die redaktionell veranlasste Berichterstattung über einen Prominenten hinaus.
Bei dem Gebot der Trennung von Redaktion und Werbung geht es nicht um journalistische Feinheiten oder Branchengepflogenheiten. Vielmehr soll das Verbot der Schleichwerbung das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit der Presse schützen.
Die Leser einer Zeitschrift sollen darauf vertrauen können, dass redaktionelle Beiträge auch redaktionell veranlasst sind und nicht den Interessen eines Anzeigenkunden dienen. Die Berichterstattung zum Beispiel über Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens soll redaktionell begründet sein und nicht dadurch, dass wirtschaftliche Interessen des Verlages dahinter stehen, die über das allgemeine Vertriebsinteresse hinausgehen.
Dies gilt außerhalb der Landespressegesetze nicht nur für redaktionell getarnte Werbung, für die ein Anzeigenkunde bezahlt hat, sondern auch für sonstige Veröffentlichungen, die das erforderliche Maß an journalistischer Distanz nicht wahren.
Der Pressekodex und das Trennungsgebot für Rundfunk und Online-Medien
So regelt zum Beispiel Ziffer 7 des Pressekodexes des Deutschen Presserats die Pflicht zur Trennung von Werbung und Information. Nach Ziffer 7 Abs. 1 Satz 1 gebietet es die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden.
Verstößt ein Presseorgan gegen diese Pflicht, kann der Presserat auf eine entsprechende Beschwerde, die jedermann erheben kann, tätig werden. Ist diese begründet, kann er eine öffentliche Rüge aussprechen, die der betroffene Verlag unter Umständen sogar veröffentlichen muss. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er sich hierzu im Wege der Selbstverpflichtung zuvor verpflichtet hat.
So hat der Presserat erst vor wenigen Wochen drei Sportmagazine öffentlich wegen des Verstoßes gegen das Trennungsgebot gerügt. Sie hatten auf den Titelseiten ihrer März-Ausgaben 2013 jeweils ein PR-Foto eines großen Sportartikelherstellers veröffentlicht, auf dem bekannte Läuferinnen einen neuen Laufschuh des Unternehmens präsentierten.
Doch nicht nur für Printmedien gilt das Trennungsgebot. Eine Verquickung von Redaktion und Werbung ist auch im TV, den Online-Medien, ja selbst für Kinofilme untersagt. § 7 Abs. 3 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) sieht vor, dass Werbung und Teleshopping als solche leicht erkennbar und vom redaktionellen Inhalt unterscheidbar sein müssen. Dies gilt für alle Programmanbieter, nicht nur für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (vgl. VG Berlin, 12.12.2008, VG 27 A 132.08 – TV Total WOK WM).
Schleichwerbung ist auch wettbewerbswidrig
Schließlich sind Verstöße gegen das Trennungsgebot nicht nur presse- und rundfunkrechtlich verfemt; als ein Fall der getarnten Werbung ist die Schleichwerbung zudem wettbewerbswidrig. Hier liegt ein Schwerpunkt der gerichtlichen Praxis. Während Verstöße gegen das Trennungsgebot nach den presserechtlichen Regelungen im Wesentlichen der Deutsche Presserates beurteilt, sind die meisten Gerichtsentscheidungen auf § 3 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) gestützt.
So bejaht die Rechtsprechung Schleichwerbung bereits dann, wenn Produkte im redaktionellen Teil ohne redaktionellen Anlass übertrieben lobend dargestellt werden. Dies gilt insbesondere, wenn auf derselben Seite oder nur wenige Seiten später eine Anzeige des Herstellers geschaltet ist.
Die Abmahnungen der Wettbewerber richten sich regelmäßig auf Unterlassung, also gegen die erneute Veröffentlichung der beanstandeten Berichterstattung. Die Verlage verschmerzen dies, abgesehen von den Abmahnkosten, in der Regel ohne größere Blessuren. Die Werbewirkung für den Markenhersteller ist nach Veröffentlichung der Schleichwerbung regelmäßig erfüllt und der Verlag sowieso nicht daran interessiert, denselben Bericht oder, wie im Fall Jürgen Klopp, dasselbe Interview noch einmal zu veröffentlichen.
Letztendlich sind Rügen oder Klagen jedoch nur Ausdruck einer Fehlentwicklung, die es zu korrigieren gilt. Die Presse selbst hat es in der Hand, das Vertrauen ihrer Leser in ihre Unabhängigkeit und kritische Berichterstattung zurückzugewinnen.
Der Autor Jörg F. Smid ist Rechtsanwalt in Hamburg und Partner der Anwaltssozietät Damm & Mann. Er ist spezialisiert auf den gewerblichen Rechtsschutz und IT-Recht und u.a. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Verlagsjustiziare.
Jörg F. Smid, Schleichwerbung: Mit Kloppo und Opel im Urlaub auf Sylt . In: Legal Tribune Online, 16.07.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9151/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag