Plagiatsfall um TV-Sternchen Sarah Sophie Koch: Aus­wei­tung der Grau­zone

von Hermann Horstkotte

30.09.2016

Das aus Doku-Soaps bekannte TV-Sternchen Sarah Sophie Koch sah sich unlängst mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Der Vergleich, den die Uni Düsseldorf vor dem VG mit ihr schloss, erweitert die Grauzone fragwürdigen Entgegenkommens.

Vor kurzem in einem Termin am Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf: Der Richter stellt einleitend klar, dass die Klage gegen die Rücknahme des Doktorhutes praktisch aussichtslos sei. Die Sitzung wird unterbrochen. Anschließend hält das Protokoll einen Prozessvergleich in wenigen Sätzen fest: Die Möchtegern-Doktorin Koch nimmt ihre Klage zurück.

Dafür „anerkennt“ die Uni Düsseldorf ausdrücklich „das Urheberrecht“ der Autorin an der 2011 vorlegten Promotionsschrift, „einschließlich der zugrundeliegenden Forschungsleistungen“. Ferner sind sich beide Parteien einig, dass Koch mit den „nicht beanstandeten Teilen“ ihrer Arbeit über die „Mentalisierungsfähigkeit der Mutter und kindliche Bindung“ eine Promotion anderswo versuchen kann. Der Vergleich wird direkt rechtskräftig. Der Richter und alle Beteiligten können ihre Akten schließen.

BILD lässt Niederlage als halben Sieg erscheinen

Damit ist die Geschichte aber nicht wirklich zu Ende. Der Düsseldorfer Professor Stefan Rohrbacher, im Plagiatsverfahren gegen Bundesbildungsministerin Schavan als akademischer „Scharfrichter“ bundesweit bekannt geworden, befürchtet stark, dass der jetzt abgeschlossene Vergleich „in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, dass hier beide Seiten einzulenken hatten“. In etwa so klingt es auch bei der BILD-Zeitung: „Die attraktive Blondine musste um ihren Ruf als Wissenschaftlerin kämpfen. Jetzt endete der Prozess mit einem Vergleich!“

Auch Bruno Bleckmann, der als Dekan der Philosophischen Fakultät das Aberkennungsverfahren gegen Koch eingeleitet hatte, findet: „Einer Klärung durch ein verwaltungsgerichtliches Urteil auszuweichen, bestand keine Veranlassung.“ Womöglich hätte ein Gerichtsurteil, wie häufig in ähnlichen Fällen, eine vorsätzliche Täuschung rechtskräftig bestätigen können – die aber bleibt nach dem Vergleich bloßer Parteivortrag.

Vergleich oder Schein-Kompromiss?

Demgegenüber betont eine Unisprecherin auf Nachfrage, „dass keine Zugeständnisse bei der Aberkennung des Doktorgrades gemacht wurden“ -  als Teil des Vergleichs ist der ja tatsächlich weg. „Es wurden lediglich Selbstverständlichkeiten aus dem Rechtsgebiet des Urheberrechts wiedergegeben“, so die Sprecherin weiter; auch der Hinweis auf die Möglichkeit, sich an anderen Fakultäten zu bewerben, sei eine solche Selbstverständlichkeit.

Der Münchner Rechtsprofessor und Plagiatsexperte Volker Rieble bemerkt dazu kritisch: „Dass die Universität 'Urheberrechte' anerkennt, ist vollkommen irrelevant. Urheberrechte sind private Rechte von Autoren, die sie gegen andere (abschreibende) Autoren geltend machen können.“ Das Zugeständnis sei „so bedeutsam, als wenn die Universität das private Eigentum von Sarah Sophie Koch an ihren Schminkutensilien 'anerkannt' hätte.“

Nicht zuletzt deshalb stößt der Vergleich bei namhaften Fakultätsmitgliedern auf Widerspruch. Er sei zwar prozessrechtlich nicht zu beanstanden, inhaltlich aber ein bloßer Schein-Kompromiss. Ein Professorenkollege spricht zugespitzt sogar von einer „kollusiven Täuschungshandlung“ im üblen Zusammenspiel der Parteien, um den Streit mit einem formellen Vergleich schnell zu beenden.

Nichts bringe ihn im Augenblick mehr ins Schwitzen, sagt ein anderer Professor, als die Gegenfrage: Wenn das so geht mit dem Vergleich, warum ging das denn nicht auch so bei Schavan? Sollte der Vergleich Schule machen, dann sei plagiierenden Doktoranden jedenfalls in Zukunft eine halbe Ehrenrettung sicher. Ob sich Koch als Schrittmacherin auf diesem Wege sieht, will ihre Anwältin nicht sagen, wie überhaupt nichts zu der ganzen Sache.

Rechtsfindung im Lärm der Umwelt

Nun mag der Entzug eines Titels im Rahmen eines formellen Entziehungsverfahrens oder als Teil eines Vergleichs mit scheinbarem gegenseitigem Entgegenkommen juristisch betrachtet auf dasselbe Ergebnis hinauslaufen. Für die Empfindsamkeiten innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde und die Zukunftsperspektiven der betroffenen Ex-Doktorin macht beides aber durchaus einen Unterschied.
Die mangelnde Sensibilität der Unileitung und des zuständigen Justiziars gegenüber dieser Unterscheidung bringt ein namhafter, aber lieber ungenannt bleibender Rechtsprofessor wie folgt auf den Punkt: „Es ist ein Problem, wenn man damit einen Verwaltungsjuristen betraut, der mit den Wahrnehmungen in der akademischen Öffentlichkeit vielleicht einfach nur - ohne jede Schuld - überfordert ist.“

Maßgebliche Fakultätsmitglieder fühlen sich überrumpelt. Die Unileitung verzichtete ihnen gegenüber im Vorfeld auf Abstimmung und Rückversicherung, wie sie Grundvoraussetzung eines einheitlichen Außenauftritts sind. Im Termin stand dem Berufsjuristen zwar ein Dekanatsmitglied zur Seite, aber kein wirklicher Bedenkenträger  – aus die Maus vor Gericht, nur schnell zurück in den Elfenbeinturm!

Gute Miene zu bösem Spiel

Plagiierte Doktorarbeiten fliegen mittlerweile zu Hunderten auf, nicht zuletzt auf der Internetplattform Vroniplag Wiki. Das bedeutet viel Nacharbeit für die betroffenen Hochschulen. Sie versuchen, diese Fälle mit möglichst geringem Arbeitsaufwand zu „entsorgen“, wie die Wiki-Promotoren Debora Weber –Wulff und Gerhard Dannemann im Fachblatt des „Deutschen Hochschulverbandes“ schreiben.

Die Rechtsprechung fordert gleichzeitg Rücksichtnahme auf die soziale und berufliche Zukunft Betroffener; sie soll durch die Aberkennung des Doktorgrades nicht unnötig beschädigt werden. Aus beiden Aspekten erscheinen gesichtswahrende Lösungen opportun, unter denen weder die Doktoranden noch ihre Hochschulen besonders leiden müssen.

Immer öfter erscheint es Gutachtern für gute und schlechte wissenschaftliche Praxis unzureichend, über fragwürdig gewordene Promotionsverfahren im Nachhinein nur mit Ja oder Nein zu entscheiden. Stattdessen hat sich als mildere Sanktion hier und da eine „Rüge“ im verschlossenen Briefumschlag durchgesetzt, selbst wenn sie in der Promotionsordnung (noch) gar nicht vorgesehen ist. Manche Uni zeigt sich auch mit der Rückgabe der Doktorurkunde zufrieden, ohne dann noch per arbeitsaufwändigem Verwaltungsakt eine formelle Rücknahme auszusprechen. Der „Vergleich“ erweist sich jetzt als weiterer Notbehelf in der Knautschzone zwischen wissenschaftlicher Wertarbeit und Pfusch – wenn er denn selber kein unglaubwürdiger Schein-Kompromiss ist.

Zitiervorschlag

Plagiatsfall um TV-Sternchen Sarah Sophie Koch: . In: Legal Tribune Online, 30.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20747 (abgerufen am: 05.10.2024 )

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