Nennung der Nationalität von Straftätern: "Nicht in Ord­nung, nur weil man es immer macht"

Interview von Constantin Baron van Lijnden

08.07.2016

2/2: "Debatte um den Pressekodex zeigt, dass er ernstgenommen wird"

LTO: Mit anderen Worten: Spürbare Konsequenzen gibt es nicht.

Tillmanns: Das sehe ich anders. Wir sind kein Ersatzgericht, das zu Schadensersatz oder Unterlassung verurteilt, und wollen auch keins sein. Dass dem Pressekodex dennoch Bedeutung beigemessen wird, zeigen aber schon die regen Diskussionen, die er regelmäßig auslöst. Gerade der 12.1 war ja in den vergangenen Monaten ein sehr präsentes und kontroverses Thema in den Medien, und ist es noch immer.

LTO: Mit dem recht klaren Auslöser der Kölner Silvesternacht. Sind die Medien seitdem allgemein schneller damit bei der Hand, auf die Herkunft von Tätern hinzuweisen?

Tillmanns: Ob das objektiv so ist, kann ich nicht sagen. Fest steht aber jedenfalls, dass wir mehr Beschwerden wegen Verstößen gegen den 12.1 erhalten. In den vergangenen Jahren machte die Vorschrift etwa fünf Prozent aller Beschwerdefälle aus, 2016 sind es bisher etwa zehn bis zwölf Prozent. Das ist eine spürbare Steigerung, aber auch keine totale Explosion der Zahlen.

LTO: Die Debatte rund um die mediale Behandlung von Ausländerkriminalität hat im März auch dazu geführt, dass der Presserat sich mit einer Änderung oder Abschaffung des 12.1 befasst hat – letztlich blieb dann aber doch alles so, wie es war. Ist das Thema damit vom Tisch?

Tillmanns: Wirklich vom Tisch sind solche Themen nie – der Pressekodex bildet ja immer einen gesellschaftlichen Ethikkonsens ab, der sich im Laufe der Zeit und durch Änderung der Umstände auch verschieben kann. Wir haben uns im März aber gründlich mit dem Thema befasst und etliche Experten angehört und sind letztlich zu der Überzeugung gelangt, dass eine Änderung der Vorschrift momentan mehr schaden als nutzen würde.

Bei der Diskussion ist allerdings auch offenbar geworden, dass in vielen Redaktionen große Unklarheit darüber herrscht, wann denn nun "für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht", der die Nennung z.B. der Ethnie oder Religion rechtfertigt. Deshalb arbeiten wir momentan an einem Leitfaden, der eine Orientierung für die typischen Konstellationen ermöglichen soll, in denen sich diese Frage stellt.

LTO: Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Tillmanns.

Lutz Tillmanns ist Rechtsanwalt und seit 1992 Geschäftsführer des Presserats.

Zitiervorschlag

Constantin Baron van Lijnden, Nennung der Nationalität von Straftätern: "Nicht in Ordnung, nur weil man es immer macht" . In: Legal Tribune Online, 08.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19928/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen