Kanzlei-Gutachten für SachsenLB-Anklage: "Die Ermittler bewegen sich auf dünnem Eis"

Interview mit Prof. Dr. Hans Theile, LL.M.

27.03.2013

Ende Februar erhob die Staatsanwaltschaft Leipzig gegen ehemalige Vorstände der vormaligen SachsenLB Anklage wegen Untreue. Als Gutachter unterstützt hat die Behörde der Partner einer Großkanzlei. Im LTO-Interview erklärt der Strafprozessrechtler Hans Theile, dass die Ermittler eigentlich hausinterne Wirtschaftsreferenten haben und wo noch eine Privatisierung des Strafverfahrens stattfindet.

LTO: Kann die Staatsanwaltschaft tatsächlich auch Anwälte damit beauftragen, ein Gutachten zu erstellen, auf das sie dann ihre Anklage stützt?

Theile: Grundsätzlich ist die Staatsanwaltschaft Herrin des Ermittlungsverfahrens. Sie ist also zunächst selbst dazu berufen, den Sachverhalt zu erforschen. Dafür kann sie natürlich auch einen Sachverständigen beauftragen. Das ergibt sich aus § 161a Abs. 1 S. 2 der Strafprozessordnung (StPO), der auf die Vorschriften verweist, die die Hinzuziehung von Gutachtern durch das Gericht regeln.

Inwieweit auch ein Anwalt als Gutachter beauftragt werden kann, ergibt sich aus der Natur des Sachverständigenbeweises. Ein Gutachter kann sich zu Tatsachen, Erfahrungssätzen oder auch zur Beurteilung eines Sachverhaltes äußern. Sachverständige beauftragt man daher vor allem, weil man sich eine Kompetenz zunutze machen will, die man selbst nicht hat. Nun sollte eine Staatsanwaltschaft aber über die Kompetenz verfügen, juristische Fragen zu beantworten. Die Beauftragung eines Anwalts als Sachverständigen zur Vorabklärung von Rechtsfragen halte ich daher für problematisch. Ich denke, das ist nach der StPO nicht möglich.

LTO: Auch die Verteidiger monieren, die Staatsanwaltschaft habe ihre Arbeit in einem Umfang delegiert, der sich "als singulär in der deutschen Rechtsgeschichte darstellt". Der Prozess sei daher zum Scheitern verurteilt. Was wäre die Folge, wenn die Staatsanwaltschaft Leipzig tatsächlich Rechtsfragen hat begutachten lassen?

Theile: Unter Umständen könnte dann ein Beweisverwertungsverbot vorliegen. Außerdem kann es grundsätzlich untreuerelevant sein, wenn hohe Kosten für Gutachten verursacht werden, die Fragen klären, die an sich die Staatsanwaltschaft selbst beantworten können müsste. Eigentlich bin ich zwar eher dagegen, immer gleich mit der Untreuekeule zu kommen. In einem solchen Fall bewegt sich eine Staatsanwaltschaft aber durchaus auf dünnem Eis. Ich warne davor, dass das flächendeckende Praxis wird.

"Wirtschaftsreferenten bringen auch diesen Sachverstand ein"

LTO: Gibt es Fälle, in denen doch Gutachter zur Klärung juristischer Fragen beauftragt werden können?

Theile: Ja, wenn es um ausländisches Recht oder inländisches Gewohnheitsrecht geht.

 

LTO: Warum auch bei inländischem Gewohnheitsrecht?

Theile: Weil die Gerichte nicht immer unbedingt beurteilen können, ob eine bestimmte Praxis schon seit längerer Zeit in der Überzeugung rechtlicher Gebotenheit geübt wird. Insoweit ist dann auch ein Rechtsgutachten zulässig.

LTO: Welche Fragen die Staatsanwaltschaft Leipzig nun genau begutachten ließ, wissen wir nicht. Wenn es dabei nun nicht um Rechtsfragen ging, sondern eher um wirtschaftliche Zusammenhänge, wäre das Gutachten dann zulässig gewesen?

Theile: Die Staatsanwälte, die für die Wirtschaftsdelikte zuständig sind, haben ja Wirtschaftsreferenten. Das sind Betriebswirtschaftler, die im Dienste der Staatsanwaltschaft stehen. Deshalb sollte eigentlich auch bei diesen Fragen eine Beauftragung von externen Sachverständigen nicht nötig sein. Vielleicht müsste man dann eher dort die Stellen aufrüsten, damit die entsprechenden Kenntnisse im eigenen Haus zur Verfügung stehen.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Hans Theile, LL.M., Kanzlei-Gutachten für SachsenLB-Anklage: "Die Ermittler bewegen sich auf dünnem Eis" . In: Legal Tribune Online, 27.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8423/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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