Das Ruanda-Tribunal schließt seine Pforten: Ver­ur­teilt werden die Ver­ant­wort­li­chen den­noch

von Dr. Eike Fesefeldt

21.12.2015

2/2: Die Anklage gegen Ntaganzwa

Das Verfahren gegen Ntaganzwa, einer der ehemals meistgesuchten Person von Interpol, dürfte ein weiterer großer Prozess werden. 21 lange Jahre lang konnte er sich trotz internationalen Haftbefehls und eines Kopfgelds von fünf Millionen US-Dollar der Strafverfolgung entziehen. Erst am 07. Dezember 2015 wurde er im Kongo festgenommen.

Er soll als Bürgermeister essentiell am Völkermord mitgewirkt haben, indem er Waffen bereitstellte und das Töten leitete. Über 20.000 Morde an Tutsis werden ihm als „Organisator“ angelastet. Er wird sich wegen neun Anklagepunkten des Völkermordes vor Gericht verantworten müssen und auch ihm droht eine lebenslange Haftstrafe.

Aber vor welchem Gericht muss sich Ntaganzwa denn überhaupt verantworten, jetzt, da es den RStGH nicht mehr gibt?

Das zweigeteilte Strafverfolgungskonzept

Als sich für die Verfahrenskammer des RStGH 2011 abzeichnete, dass alle bis dahin festgenommenen Angeklagten bald abgeurteilt werden würden, waren die Vereinten Nationen gezwungen, sich über diejenigen Gedanken zu machen, die noch immer auf der Flucht waren. Manche der Anklageschriften waren zwar bereits gut 10 Jahre alt, aber der Internationale Ankläger hatte weiterhin nicht die Hoffnung aufgegeben, auch diese Flüchtigen noch vor Gericht zu bringen. Dass er damit Recht hatte, zeigt der Fall gegen Ntaganzwa. Um die weitere Strafverfolgung sicherzustellen, wurde ein zweigeteiltes Konzept entwickelt.

Auf der einen Seite beschloss der RStGH, ein paar der anhängigen Fälle, in denen die Angeklagten immer noch auf der Flucht waren, an die ruandische Strafjustiz abzugeben. Mittlerweile hatte sich der ruandische Justizapparat derart erholt, dass auch Großverfahren gegen Völkermörder rechtsstaatlich abgesichert waren.

Der Sicherheitsrat gründete darüber hinaus noch im Jahr 2012 per Resolution einen weiteren Ad-hoc-Strafgerichtshof mit dem sperrigen Namen „Internationaler Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe“ (MICT). Wichtigste Aufgabe des MICT ist die weitere Strafverfolgung von den Angeklagten, die nicht an die ruandische Justiz abgegeben wurden. An diesem Gericht, das zum Teil ebenfalls in Arusha beheimatet ist, gibt es Verfahrenskammern und eine Berufungskammer.

Die Aufarbeitung des Völkermords wird noch lange nicht abgeschlossen sein
Ntaganzwa wird aller Voraussicht nach nicht vom MICT verurteilt werden. Sein Verfahren wurde 2012 als Bestandteil der Beendigungsstrategie der Vereinten Nationen bereits an die nationalen Autoritäten in Ruanda abgegeben. Das heißt im Klartext: Die Anklage des Internationalen Anklägers des RStGH wird ein ruandisches Strafgericht verhandeln.

Mit dem Verfahren und einem eventuellen Urteil gegen Ntaganzwa wird das Kapitel der völkerstrafrechtlichen Aufarbeitung des ruandischen Völkermords von 1994 aber nicht abgeschlossen sein.

Es sind noch insgesamt acht Angeklagte auf der Flucht. Der Internationale Ankläger des MICT arbeitet weiterhin eng mit Interpol und anderen nationalen Strafverfolgungsbehörden zusammen, immer mit dem übergeordneten Ziel, die Hauptverantwortlichen ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Der MICT wird dabei ebenfalls eine Rolle spielen. Denn auch weiterhin gibt es drei Angeklagte, die sich auf der Flucht befinden und vor diesem neuen Strafgerichtshof abgeurteilt werden würden.

Der Autor Dr. Eike Fesefeldt ist Richter in einer Großen Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Stuttgart.

Zitiervorschlag

Das Ruanda-Tribunal schließt seine Pforten: Verurteilt werden die Verantwortlichen dennoch . In: Legal Tribune Online, 21.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17935/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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