Regierungsentwurf zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung: Ver­b­re­chen soll sich nicht mehr lohnen

von Dr. Jörg Habetha

26.09.2016

3/3: Reform bringt mehr, als Europa fordert

Die Neufassung sieht vor, dass künftig bei allen Straftaten auch der sogenannte erweiterte Verfall möglich ist. Schon bisher konnte nach § 73 d StGB Vermögen eingezogen werden, auch wenn nicht sichergestellt war, dass es aus dieser konkreten rechtswidrigen Tat erlangt worden war. Allerdings war der Verfall auf die Katalogstraftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität beschränkt. Die Neufassung sieht die Einziehung nunmehr für jede Straftat vor.

Der Entwurf geht damit über die europarechtlichen Vorgaben, die in erster Linie eben die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität im Blick haben und insoweit einen gewissen Konvergenzdruck entfalten, hinaus. Die deliktsunabhängige Öffnung des erweiterten Verfalls geht jedenfalls deutlich zu weit.

Der Mafia-Paragraph - Vermögensabschöpfung auf Italienisch

Schließlich gibt es ein Novum im deutschen Strafrecht: Nach § 76a Abs. 4 StGB-E in Verbindung mit § 437 StPO-E können in einem laufenden Verfahren auch die aus einer anderen "rechtswidrigen Tat herrührenden" Gegenstände selbständig eingezogen werden - in Anlehnung etwa an die italienische Rechtslage.

Die Überzeugung, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, soll das Gericht nach verschiedenen Vorgaben gewinnen, § 437 Abs. 1 StPO-E: Nach dem Missverhältnis von dessen Wert und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen, dem Ermittlungsergebnis im Verfahren wegen der Anlasstat, die Auffindungs- bzw. Sicherstellungsumstände bzw. sonstige persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen. In anderen Worten: eine umfassende Vermögensabschöpfung kann auch dann angeordnet werden, wenn eine Straftat, die keine Katalogtat aus § 76a Abs. 4 StGB-E zu sein braucht, nicht im Einzelnen festgestellt ist.

Dem Bundesrat geht selbst dies noch nicht weit genug, da – jedenfalls ausdrücklich und abweichend vom Koalitionsvertrag – eine Beweislastumkehr bezüglich der Herkunft des Vermögens nicht normiert ist. Empfohlen wird also ein echter "Mafia-Paragraph". Ein Vorschlag, den man nicht ablehnen kann? Man muss!

Beweislastumkehr ist verfassungswidrig

Die Ausweitung der erweiterten Einziehung, erst recht die selbständige Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft, bewegt sich an den Grenzen der verfassungsrechtlichen Legitimität. Sie gehen möglicherweise darüber hinaus. Die vom Bundesrat präferierte Normierung einer Beweislastumkehr sprengt diese. Zweifel werden insoweit bis zu einer Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht fortbestehen.

Auch aus diesen Gründen erweist sich die Verbindung der grundlegenden Neugestaltung strafrechtlicher Vermögensabschöpfung mit der Umsetzung – und den Umsetzungsfristen – der europäischen Richtlinie aus 2014, die allenfalls eine eher geringfügige Anpassung des materiellen Rechts erfordert, als wenig glücklich.

Eine nochmalige und sorgfältige Prüfung der grundlegenden Bedenken und zahlreicher weiterer Detailfragen scheidet damit faktisch aus. Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung wird danach voraussichtlich in Kürze Gesetz und eine Herausforderung für alle strafrechtlichen Praktiker, nicht nur in der Justiz.

Der Autor Dr. Jörg Habetha ist Fachanwalt für Strafrecht, Lehrbeauftragter an der Universität des Saarlandes und Partner in der Kanzlei Bender Harrer Krevet in Freiburg i.Br.

Zitiervorschlag

Dr. Jörg Habetha, Regierungsentwurf zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung: Verbrechen soll sich nicht mehr lohnen . In: Legal Tribune Online, 26.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20687/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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