Reform des Außenwirtschaftsrechts: Achtung, die Chinesen kommen

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Die USA ließen die Übernahme von Aixtron platzen. Auch in Deutschland könnten Investitionen aus China künftig erschwert werden. Bärbel Sachs und Johannes Schäffer hinterfragen den Sinn der anstehenden Reform im Außenwirtschaftsrecht.
So viel ist bekannt: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte die Übernahme des Anlagenherstellers Aixtron als unbedenklich abgesegnet, da hieß es von Seiten der US-Behörde für Auslandsinvestitionen, man fürchte bei dem Erwerb um die nationale Sicherheit. Denn Produkte von Aixtron könnten jedenfalls auch militärisch genutzt werden. Präsident Barack Obama schloss sich den Befürchtungen an und erhob Einspruch gegen die Übernahme durch chinesische Investoren. Die USA waren wegen einer kalifornischen Zweigstelle involviert.
Plötzlich kamen Sigmar Gabriel ebenfalls Zweifel an der geplanten Übernahme des deutschen Chipanlagenherstellers durch das chinesische Unternehmen Grand Chip Investment. Sein Ministerium könnte eine Untersagung der Transaktion womöglich, wie in den USA, mit Sicherheitsbedenken rechtfertigen.
Rechtfertigen aber müsste sein Haus die Untersagung in jedem Falle, denn das deutsche Außenwirtschaftsrecht geht von der Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs aus, sprich: von der Freiheit vor allem des grenzüberschreitenden Verkehrs mit Gütern, Dienstleistungen und Kapital.
Prinzipielle Freiheit der Außenwirtschaft
Schon jetzt bedürfen Beschränkungen des Prinzips der Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs, bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen einer gesetzlichen Grundlage. Die praxisrelevantesten nationalen Regelungen finden sich im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und der zu dessen Umsetzung erlassenen Außenwirtschaftsverordnung (AWV).
Überlagert wird das in AWG und AWV niedergelegte deutsche Außenwirtschaftsrecht allerdings durch das EU-Recht, etwa in Bezug auf den Handel mit Gütern, die zivilen und militärischen Zwecken dienen können. Zwar betreffen die Einschränkungen grundsätzlich nur solche "Dual-Use-Güter", die gelistet sind, doch finden sich gerade darunter besonders viele Beispiele aus Bereichen, in denen die deutsche Industrie weltmarktführend ist – etwa Werkzeugmaschinen mit bestimmten Genauigkeitswerten. Auch Beschränkungen für den Handel mit Embargoländern, wie Russland oder dem Iran, werden hauptsächlich auf EU-Ebene getroffen.
Beschränkungen auf deutscher Ebene
Zu den Beschränkungen des deutschen Außenwirtschaftsrechts gehören beispielsweise güterbezogene Regelungen wie Genehmigungserfordernisse für den Export mit gelisteten Rüstungsgütern, für den Handel mit solchen Gütern oder für technische Unterstützungsleistungen in Bezug auf solche Güter. Dazu gehören ebenso verwendungsbezogene Regelungen, etwa für den Fall, dass deutsche Güter oder Dienstleistungen zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen oder Trägerraketen verwendet werden sollen.
Für Zuwiderhandlungen führt das Außenwirtschaftsrecht in §§ 17 ff. AWG und §§ 80 ff. AWV einen ganzen Katalog an Ordnungswidrigkeiten und Straftatbeständen auf. Nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen sind deutsche Unternehmer daher letztlich bestrebt, sich rechtskonform zu verhalten. Ergangen sind bereits Haft- und Geldstrafen, deren Höhe jedoch nicht veröffentlicht wird.
2/2: Sicherheitsprüfung für ausländische Investoren
Die AWV enthält zudem Notifizierungs-, also Bekanntmachungspflichten für den Kapital- und Zahlungsverkehr sowie in §§ 55 ff. Beschränkungsmöglichkeiten für ausländische Direktinvestitionen. Um letztere geht es in dem angesprochen Fall Aixtron - und bei der angekündigten AWV-Reform.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) kann schon nach den bestehenden Regeln prüfen, ob durch den Erwerb deutscher Unternehmen – bzw. von mindestens einem Viertel der Anteile – durch ausländische Investoren „die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet“ wäre. Das ist etwa der Fall, wenn das Funktionieren von Schlüsselsektoren wie der Energieversorgung nicht mehr gewährleistet wäre.
Unter diesen Sonderregeln für Sektoren wie die Rüstungsindustrie oder die IT-Sicherheitsbranche kann nach § 62 AWV formal der Bundeswirtschaftsminister alleine einen Unternehmenserwerb untersagen; im allgemeinen Bereich müssen Untersagungen und Beschränkungen mit Zustimmung der Bundesregierung ausgesprochen werden, § 59 Abs. 1 S. 2 AWV.
Bei Investoren aus der EU bzw. dem Gebiet der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) findet in der Regel nur eine sog. Missbrauchskontrolle statt. Für besonders sensible Bereiche (Kriegswaffen, bestimmte Rüstungsgüter, bestimmte Produkte mit IT-Sicherheitsfunktionen) gelten aber auch für diese Länder Sonderregeln.
Chinesen kaufen Technologieunternehmen
An den Regelungen für ausländische Investoren setzt die geplante AWV-Reform an. Hintergrund scheint insbesondere der zunehmende Erwerb führender Technologieunternehmen durch chinesische Investoren zu sein. Bestimmte "High-Tech"-Bereiche sollen daher nun ebenfalls den Sonderregeln unterworfen werden. Dann würden vor allem andere Verfahrensvorschriften greifen: An die Stelle einer fakultativen Überprüfung träte eine Notifizierungspflicht. Eventuell fallen zudem die Erleichterungen für Unternehmen aus EU- und EFTA-Ländern weg.
Inhaltlich dürfte sich wenig ändern. Der Bundeswirtschaftsminister kann gemäß den Sonderregeln eine Übernahme untersagen oder beschränken, um "wesentliche Sicherheitsinteressen" zu gewährleisten. Dies divergiert nur wenig von der bisher bestehenden Möglichkeit, Untersagungen und Beschränkungen auszusprechen, um die "öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" zu gewährleisten. Ist daher eine Reform wirklich nötig? Auch das bisherige Instrumentarium dürfte ausreichen, um gewichtige nationale Interessen durchzusetzen.
Bisher erfolgte allerdings noch keine vollständige Untersagung einer Transaktion durchaus aber gab es eine Reihe von Beschränkungen zu beobachten, etwa durch öffentlich-rechtliche Verträge, Ausnahmen kritischen Militärgeschäfts von einer Transaktion, Absichtserklärungen, etc.
An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass das BMWi seit etwa einem Jahr zunehmend unfreundlich auf Investoren reagiert und das Verfahren zur Erlangung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung immer stärker bürokratisiert: Nicht nur der Antrag, sondern ebenso Anlagen wie etwa hunderte Seiten lange Kaufverträge müssen mittlerweile in deutscher Sprache eingereicht werden, die Bearbeitung selbst von einfach gelagerten Fällen hat sich verlängert, von ehemals wenigen Tagen auf bis zu mehreren Wochen. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass die grundsätzliche Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs zunehmend aus protektionistischen Gründen eingeschränkt werden könnte.
Die Autorin Dr. Bärbel Sachs, LL.M., leitet das Team Außenhandelsrecht bei der Kanzlei Noerr. Die Associated Partnerin berät Mandanten in allen Bereichen des deutschen, europäischen und internationalen Außenhandelsrechts, einschließlich Exportkontroll-, Embargo- und Zollrecht, sowie Antidumping-, Antisubventions- und WTO Recht.
Der Autor Dr. Johannes Schäffer ist Rechtsanwalt im Team Außenhandelsrecht bei Noerr.