Abmahnwelle gegen Redtube-Nutzer: Vom Leerlaufen des Richtervorbehalts

2/3: Landgericht Köln – Nicht so genau hingeschaut

Jedenfalls einige Kammern des Landgerichts Köln scheinen dennoch eine Urheberrechtsverletzung anzunehmen – könnte man jedenfalls meinen. Denn andernfalls hätten sie dem Interprovider – betroffen war hier die Deutsche Telekom – nicht gestatten dürfen, die von der abmahnenden The Archive AG im Drittauskunftsverfahren nach § 101 Abs. 2 i.V.m. 9 UrhG begehrten Namen und Anschriften der jeweiligen Nutzer der Plattform herauszugeben. In jedem diesen Abmahnungen vorausgehenden Drittauskunftsverfahren hatte das Gericht nämlich zu prüfen, ob in dem vom Antragsteller vorgetragenen Lebenssachverhalt eine offensichtliche Rechtsverletzung zu sehen ist.

In den bisher im Internet veröffentlichten bzw. besprochenen Beschlüssen des Landgerichts Köln findet allerdings eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich beim Streamen tatsächlich um eine offensichtliche Rechtsverletzung handelt, nicht statt. Vielmehr heißt es in einem der betroffenen Beschlüsse kurz und bündig: "... durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachung des geschützten Werkes … über eine Tauschbörse liegt zudem eine Rechtsverletzung i.S.v. § 19a UrhG vor." Die Richter gingen also offenbar von einer Rechtsverletzung über eine Tauschbörse aus. Eine solche war mit dem diesem Beschluss zugrundeliegenden Antrag, der übrigens nicht durch die Kanzlei U + C, sondern von dem Rechtsanwalt Daniel Sebastian gestellt wurde, jedoch gar nicht vorgetragen. Vielmehr ist dort die Rede von Download-Portalen.

Nahezu jede Kammer muss mal ran

Auch wenn die jetzt bekanntgewordenen Antragsschriften nach Form und Inhalt denjenigen Anträgen, die in Filesharing-Fällen gestellt werden, sehr ähneln, hätten die Richter natürlich genauer hinschauen müssen. Sollte sich in den nächsten Tagen und Wochen herausstellen, dass noch weitere solcher Beschlüsse ergangen sind, wäre dies ein veritabler Skandal. Wie aber konnte es dazu kommen?

Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Köln sind dort für das Urheberrecht zwei Spezialkammern gebildet. Die Auskunftsverfahren nach § 101 UrhG sind hiervon jedoch ausgenommen. Für diese sind nach dem Geschäftsverteilungsplan 28 der 40 eingerichteten Zivilkammern im sogenannten Turnusverfahren U zuständig. Dabei wechselt die Zuständigkeit wöchentlich. Da jede Woche zwei Kammern parallel zum Zuge kommen, ist jede der 28 Kammern im Jahr ca. fünf Mal mit der Bearbeitung derartiger Auskunftsanträge befasst. Es liegt auf der Hand, dass diese auch mit Wochenenddienst versehene Arbeit nicht jedem Richter Freude bereitet und ein Einarbeiten in die recht dynamische und rechtlich wie technisch komplexe Spezialmaterie nicht jedermanns Sache ist. Wenn man sich obendrein nur wenige Male im Jahr damit befassen muss, ist es menschlich nachvollziehbar, dass Fehler passieren. Die Absicht des Gesetzgebers wird dadurch gleichwohl konterkariert – er wollte durch den Richtervorbehalt gerade gewährleisten, dass vor Herausgabe der Daten an den Rechteinhaber eine fundierte Prüfung und Abwägung der Interessen der Betroffenen erfolgt.

Dabei war der in § 101 Abs. 9 UrhG vorgesehene Richtervorbehalt im Gesetzgebungsverfahren nicht unumstritten. Der Bundesrat hatte  insbesondere die Belastung der Justiz mit diesen Massenverfahren als Argument dagegen angeführt. Gleichwohl hat sich der Entwurf der Bundesregierung durchgesetzt. Insofern liegt auch der Grund für die Verteilung der Verfahren auf den Großteil der Kammern des Landgerichts Köln auf der Hand: Als für die Deutsche Telekom zuständiges Sitzgericht hatte es seit der Einführung des Gestattungsverfahrens nach § 101 Abs. 9 UrhG schlicht zu viele Anträge zu bewältigen. Sollte jedoch die Vermutung zutreffen, dass eine Reihe weiterer Gestattungsbeschlüsse in der falschen Annahme ergangen sind, es handele sich um einen Filesharing-Sachverhalt, weil die Anträge nicht mit der erforderlichen Gründlichkeit geprüft wurden, liefe der vom Gesetzgeber für das Anordnungsverfahren vorgesehene Richtervorbehalt faktisch ins Leere.

Zitiervorschlag

Carl Christian Müller, Abmahnwelle gegen Redtube-Nutzer: Vom Leerlaufen des Richtervorbehalts . In: Legal Tribune Online, 12.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10344/ (abgerufen am: 16.04.2024 )

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