Verbandsstrafen im Profisport: Red Bull beschwert sich, aber klagt nicht

Gastbeitrag von Dr. Dominic Reitner und Jassem Imsameh

02.11.2022

Red Bull Racing muss 7 Millionen Dollar zahlen und bekommt weniger Zeit im Windkanal. Dominic Reitner und Jassem Imsameh erklären, warum die FIA solche Verbandsstrafen verhängen darf und wie sie gerichtlich überprüft werden könnten. 

Der Motorsportverband Fédération Internationale de l‘Automobile (FIA) hat eine Verbandsstrafe gegen Red Bull Racing verhängt: Der Rennstall muss wegen Verstoßes gegen die Budget-Obergrenze 7 Millionen Dollar Geldstrafe zahlen und verliert in der kommenden Saison zehn Prozent aerodynamische Testzeit im Windkanal.  

Um auf regelwidriges Verhalten reagieren zu können, sehen die meisten Sportverbandssatzungen Sanktionsmöglichkeiten durch Verbandsstrafen vor. Dabei handelt es sich um vertragliche Sanktionen, die auf der Grundlage von zivilrechtlichen Regelungen verhängt werden. Teilweise haben diese Verbandsstrafen drastische Auswirkungen, etwa wenn dadurch Titel aberkannt oder Sportler von Wettbewerben ausgeschlossen werden.  

Tatsächlich ging es in sportlicher Hinsicht glimpflich aus: Seinen ersten WM-Titel 2021 durfte Formel 1-Pilot Max Verstappen behalten. Während die Konkurrenten Mercedes und Ferrari die Strafe für zu gering halten, findet Red Bull das Ergebnis übermäßig hart. Teamchef Christian Horner spricht in Medienberichten von einer drakonischer Strafe: "Sieben Millionen Dollar, zahlbar in 30 Tagen, sind kein Pappenstiel. Der Abzug von zehn Prozent Windkanalzeit ist ein gravierender Nachteil."Dennoch hat der Rennstall die Strafe akzeptiert, es wird also keine gerichtliche Überprüfung geben.  

Der Fall wirft Fragen auf, die nicht nur für Sportrechtler, sondern auch für Examensklausuren relevant sein dürften: Auf welcher Grundlage entscheidet ein Verband wie die FIA? Und wie können sich Sportler gegen solche Entscheidungen wehren – wenn sie denn wollen?  

Erst entscheiden Vereinsgerichte, dann die Zivilgerichte 

Rechtliche Grundlage für die Zulässigkeit von Verbandsstrafen nach deutschem Recht sind die Verbandsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und die Satzungshoheit nach § 25 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Aus dem Wortlaut der Satzung ergibt sich das sanktionsbewährte Verhalten und die Rechtsfolge. Eine inhaltliche Kontrolle ist nur über §§ 134, 138, 242 BGB und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz möglich. In seiner Reitsportentscheidung (BGHZ 128, 93) hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass Verbandsregeln als interne Disziplinarmaßname gerade nicht dem AGB-Recht unterliegen.  

Die rechtliche Überprüfung einer verhängten Sanktion findet im ersten Schritt durch verbandsinterne Stellen oder Vereinsgerichte statt, bevor der Rechtsweg beschritten werden kann. Im Sportrecht sind dann überwiegend Schiedsgerichte zuständig, staatliche Gerichte spielen zunächst eine untergeordnete Rolle. Für deutsche Sachverhalte ist regelmäßig das Deutsche Sportschiedsgericht anzurufen, bei internationalem Bezug ist die Klage meist zum Court of Arbitration for Sport (CAS) zu erheben. Gibt es indes keine Schiedsvereinbarung oder soll ein Schiedsspruch auf die Einhaltung von rechtsstaatlichen Mindeststandards (z.B. faires Verfahren) überprüft werden, kann in Deutschland der Zivilrechtsweg nach § 13 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) beschritten werden.  

Dass Vereine oder Sportler gegen Verbandsstrafen und diese bestätigende Schiedssprüche vorgehen, kommt immer wieder vor. So hatte bspw. der BGH jüngst über die Verhängung einer Verbandsgeldstrafe gegen den FC Carl Zeiss Jena durch den Deutschen Fußball Bund (DFB) wegen Fanausschreitungen zu entscheiden.  

Meistens einigen sich Verband und Rennstall auf die Beendigung des Verfahrens  

Im Red Bull-Fall folgte die vertragliche Pflicht zur Einhaltung der Budget-Obergrenze aus Art. 2 der FIA Formular 1 Financial Regulations aus 2021 (Financial Regulations), wonach diese für das Jahr 2021 bei 145 Mio. US-Dollar lag. Sinn und Zweck der Budget-Obergrenze besteht darin, die Wettbewerbsfähigkeit zwischen kleineren und größeren Formel 1-Teams anzugleichen – damit soll für finanzielle Fairness gesorgt werden und die Attraktivität des Rennsports steigen.  

Eine Überschreitung der Budget-Obergrenze von unter 5 Prozent ist nach Art. 8.10 und 8.11 Financial Regulations ein geringfügiger Verstoß, welcher mit einer Geldstrafe und einer geringfügigen sportlichen Strafe geahndet werden kann. Geringfügige sportliche Strafen sind nach Art. 9.1 (b) zum Beispiel die öffentliche Rüge, der Punktabzug in der Fahrerweltmeisterschaft oder der Verlust von aerodynamischen Testzeiten.  

Zuständig ist innerhalb der FIA das Gremium Cost Cap Administration (CCA). Die CCA kann auf verschiedene Weisen mit im Raum stehenden Regelverstößen umgehen. Zum einen kann es mit dem Rennstall nach Art. 6.28 Financial Regulations ein sogenanntes Accepted Breach Agreement (ABA) abschließen und so eine konsensuale Verfahrensbeendigung herbeiführen. Zum anderen kann es ein streitiges Verfahren anstrengen, in dessen Verlauf es zu einer Anhörung kommt, im Rahmen derer die FIA und das am Verfahren beteiligte Team über die vorgeworfenen Regelverstöße und mögliche Sanktionen verhandeln. Hier hat sich Red Bull für die konsensuale Verfahrenserledigung entschieden, indem es die Strafe akzeptiert hat. 

Weniger Zeit im Windkanal – das könnte Red Bull durchaus wehtun  

Nach Auffassung der CCA soll Red Bull Racing die Budget-Obergrenze von 145 Mio. US-Dollar in der Saison 2021 um 2,2 Millionen US-Dollar überschritten haben, was als geringfügiger Verstoß i.S.d. Art. 8.10 Financial Regulations gewertet wurde.  

Die FIA kann gem. Art. 9.1 (a) Financial Regulation die Geldstrafe in Höhe von 7 Millionen US-Dollar verhängen – die Regelung sieht keine Einschränkung hinsichtlich der Höhe vor. Die Kürzung von Windkanalzeit ist nach Art. 9.1 (b) (v) möglich. Die Testzeitkürzung wird das Team dabei wohl stärker treffen als die Geldstrafe, da der sportliche Erfolg maßgeblich von der Entwicklung des Fahrzeuges abhängig ist.  

Bei der Sanktionsbemessung erkannte das CCA zugunsten von Red Bull Racing mildernd an, dass der Rennstall sich kooperativ zeigte und auf Nachfrage zusätzliche Informationen bereitstellte. Eine umfassende Kooperation mit dem CCA ist nach Art. 8.16 Financial Regulations ein normierter Milderungsgrund. Sanktionsschärfende Umstände nach Art. 8.15 der Financial Regulations – etwa die Häufung von Verstößen – wurden indes nicht festgestellt.  

Weder Red Bull noch die anderen Rennställe können die Entscheidung angreifen 

Nachdem Red Bull die Strafe akzeptiert hat, ist eine Anfechtung nicht mehr möglich. Denn eine der Voraussetzungen für eine konsensuale Verfahrenserledigung zwischen der FIA und dem Rennstall ist nach Art. 6.31 (d) Financial Regulations, dass das Team auf sein Recht verzichtet, die Sanktionsentscheidung anzugreifen. Außerdem muss das Team u.a. seine Regelverstöße sowie die verhängten Sanktionen anerkennen, vgl. Art. 6.31 (a) und (b) Financial Regulations.  

Auch die übrigen Rennställe können die Vereinbarung nicht mehr angreifen, um etwa eine strengere Sanktion zu erreichen. Bereits während des Verfahrens hatten sich Konkurrenten für eine empfindliche Strafe ausgesprochen. Zwar können andere Teams im Rahmen einer Beschwerde an die FIA gemäß der Art. 6.24 – 6.27 Financial Regulations auf Anhaltspunkte bzw. Verdachtsmomente für einen Regelverstoß eines konkurrierenden Teams hinweisen. Allerdings sehen die Financial Regulations keine Möglichkeit für Dritte vor, ein ABA zwischen der FIA und einem Team überprüfen zu lassen.  

Es ist nicht das erste Mal, dass die FIA interne Disziplinarmaßnahmen konsequent umsetzt. Bereits im Juni 2022 würde der Rennstall Williams Racing wegen Verstößen gegen die Financial Regulations bestraft und auch Aston Martin Racing erhielt jüngst eine Strafe. Auffällig, aber wenig überraschen ist, dass bis jetzt alle Teams eine Verfahrensbeendigung über ein ABA eingegangen sind.  

Das jeweilige Team kann dadurch einen langen Prozess und damit einhergehende schlechte Presse vermeiden und zum sportlichen Alltag zurückkehren. Aber auch die FIA dürfte daran interessiert sein, schnellstmöglich zu einem rechtssicheren Verfahrensabschluss zu gelangen, um ihre Kompetenz zu untermauern. Der beiderseitige Einigungsdruck führt im Ergebnis dazu, dass man sich auf eine für beide Parteien annehmbare Strafe einigt. 

Dr. Dominic Reitner und Jassem Imsameh sind Referendare in der auf das Wirtschafts- und Steuerstrafrecht spezialisierten Kanzlei Feigen Graf. Sie beschäftigen sich u.a. mit sportstrafrechtlichen Fragestellungen. 

Zitiervorschlag

Verbandsstrafen im Profisport: Red Bull beschwert sich, aber klagt nicht . In: Legal Tribune Online, 02.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50046/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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