Der Fall Rainer Wendt: Wo ist bloß mein Büro?

von Robert Hotstegs, LL.M.

10.03.2017

Der Chef der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt muss mit einem Disziplinarverfahren rechnen, das sei bereits nicht mehr zu verhindern. Das Verfahren könnte sogar zum Entzug der Beamtenpension führen, meint Robert Hotstegs.

Die Affäre um den Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt hat erste personelle Konsequenzen – und die kommen nicht aus dem öffentlichen Dienst oder der Politik: Es sind die ersten Gewerkschafter, die von Posten an seiner Seite zurücktreten.

Die Öffentlichkeit erfährt derzeit scheibchenweise Details über die Bezahlung und Umtriebigkeit des Bundesvorsitzenden der DPolG. Unter üblichen Vorzeichen wären Gehälter und Einkommen allenfalls moralisch zu bewerten oder Nebentätigkeiten an den Maßstäben der Gewerkschaft zu messen.

Der Fall Wendt ist aber nicht "üblich". Denn bislang sind nur wenige andere Beispiele bekannt geworden, die auch nur annähernd vergleichbar wären. Die vollständige Freistellung eines aktiven Polizeibeamten für Gewerkschaftstätigkeiten und die gleichzeitige Belassung der Besoldung ist einmalig. War dies schon Anlass genug, über beamten- und disziplinarrechtliche Maßnahmen nachzudenken, sind es die zwischenzeitlich bekannt gewordenen Aufsichtsratsmandate allemal.

Verlust der Bezüge bei schuldhaftem Fernbleiben

Das kurzfristigste und möglicherweise auch schon effektive Mittel der ersten Wahl müsste es für den Dienstherrn sein, die finanzielle Seite der Medaille aufzuarbeiten. Denn bleibt es bei der derzeitigen Sachlage, wonach Wendt zwar dem Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste zugeordnet war, dort im Stellenplan – die Ironie lässt grüßen – dem Medienreferat zugeordnet war, tatsächlich aber nie Dienst tat, dann könnte der gesetzliche Automatismus greifen, wonach er seine Bezüge bereits für diese Zeit verloren hat.

Die Spezialvorschrift des § 11 Landesbesoldungsgesetzes (LBesG NRW) regelt: "Bleiben Beamtinnen, Beamte, Richterinnen oder Richter ohne Genehmigung schuldhaft dem Dienst fern, so verlieren sie für die Zeit des Fernbleibens ihre Bezüge. Dies gilt auch bei einem Fernbleiben vom Dienst für Teile eines Tages. Der Verlust der Bezüge ist durch die dienstvorgesetzte Stelle festzustellen."

Diese Regelung erweist sich als scharfes Schwert: Der Verlust tritt nämlich als gesetzliche Folge ein. Er ist lediglich noch – klarstellend – festzustellen. Im nächsten Schritt schon würden die Bezüge zurückgefordert.

Wendt müsste zum Dienst antreten

Ein derartiges Verfahren ist - samt vorheriger Anhörung, der Prüfung, ob Wendt sich nicht vielleicht doch auf eine Genehmigung berufen könnte und ggf. dann die Feststellung des Verlustes - innerhalb weniger Wochen durchzuführen. Sollte sich die von ihm beantragte Versetzung in den Ruhestand noch verzögern, dann kann dieser Verlust auch schon für die laufenden Tage und Wochen angekündigt werden*. Jedenfalls seitdem auch der NRW-Innenminister Ralf Jäger, Wendt nennt ihn "mein Minister", sich öffentlich positioniert hat, dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass jedenfalls aktuell keine Genehmigung (mehr) vorliegt. Wendt hätte bereits in dieser Woche wieder – von sich aus – Dienst tun müssen.

Das wäre ein schönes Bild geworden, hätte Rainer Wendt plötzlich vor einem ihm unbekannten Dienstgebäude gestanden und dort sein eigenes Büro gesucht. Vermutlich hätte ihm niemand weiterhelfen können, weil man ihn auch im Raum- und Telefonverzeichnis nicht findet, lediglich im Stellenplan. Aber dies wäre wohl die konsequenteste Strategie gewesen, hätte Wendt die Bezüge seiner letzten aktiven Diensttage retten wollen.

Kürzung oder Aberkennung des Ruhegehaltes

Spätestens mit der Versetzung in den Ruhestand ist aber der Anwendungsbereich des Besoldungsgesetzes erschöpft. Es kann dann lediglich als Grundlage dienen, die nicht verjährten Zahlungen zurückzufordern.

Sollte sich in einem ordnungsgemäßen behördlichen Disziplinarverfahren herausstellen, dass sich die Zweifel an der Einhaltung aller Dienstpflichten bewahrheiten, sind zwei Sanktionen zu überdenken: die Kürzung der Ruhestandsbezüge bis zur maximalen Höhe von 20 Prozent auf drei Jahre oder die vollständige Aberkennung des Ruhegehalts.

Letztere Möglichkeit ist nicht vollständig auszuschließen, die Fallhöhe Rainer Wendts und die zumindest derzeit diskutierte Schwere der Verstöße lassen zumindest für den Beobachter das Verfahren geradezu auf die höchste aller Sanktionen gegen Ruhestandsbeamte hinauslaufen.

Mit dem Entzug der Pension gehen auch weitere Einschnitte einher: auch „der Anspruch auf Versorgung einschließlich der Hinterbliebenenversorgung und die Befugnis, die Amtsbezeichnung und die Titel zu führen, die im Zusammenhang mit dem früheren Amt verliehen wurden, [gehen] verloren.“ So regelt es § 12 Abs. 1 LDG NRW.

* Anm. d. Red., 13.3.2017, 18:38: Nach zwischenzeitlich erschienenen Medienberichten soll Rainer Wendts Antrag auf Versetzung in den Ruhestand bereits vor dem 7. März gestellt und bewilligt worden sein.

Zitiervorschlag

Robert Hotstegs, Der Fall Rainer Wendt: . In: Legal Tribune Online, 10.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22346 (abgerufen am: 04.12.2024 )

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