Nicht nur betrunkene Autofahrer sind ein Verkehrsrisiko. Auch beschwipste Radler sind gefährlich, wie die Unfallstatistiken eindrucksvoll belegen. Deshalb plädieren Verkehrsexperten dafür, die Alkohol-Grenzen für Radfahrer anzupassen. Ob den "Radler-Halben" das Aus droht und das Zweiradvergnügen künftig nur noch nüchtern erlaubt ist, erklärt Adolf Rebler.
Nein – auf dem Symposium "Sicherer Radverkehr" ging es nicht um das bevorstehende Ende für das gerade im Sommer so beliebte Biermischgetränk, das zur einen Hälfte aus Bier und zur anderen aus Limonade besteht und das der Legende nach in der Not von einem findigen bayerischen Almwirt im Jahre 1922 zusammengemixt wurde: Dem Wirt ging gerade das Bier zur Neige, als mehrere Hundert durstige Radler vor seinem Wirtshaus standen.
Im Fokus stand vielmehr der laxe Umgang von Radfahrern mit dem Alkohol, der sich in enorm gestiegenen Unfallzahlen widerspiegelt. Nach einer vom Auto Club Europa (ACE) veröffentlichten Untersuchung aus dem Jahr 2010 war etwa jeder achte Radfahrer, der in einen Unfall mit Personenschaden verwickelt war, alkoholisiert. Dagegen war nur jeder 22. Pkw-Unfall auf den Einfluss von Alkohol zurückzuführen. Bei von Radfahrern verschuldeten Unfällen waren sogar in jedem vierten Fall Alkohol oder Drogen im Spiel.
Diese erschreckenden Zahlen nahm ein Gremium von etwa 150 Verkehrsexperten zum Anlass, eine Absenkung des geltenden Grenzwertes für die absolute Fahruntüchtigkeit, der bei Radlern bei 1,6 Promille Blutalkoholgehalt (BAK) liegt, zu fordern. Weiterer Tagesordnungspunkt auf der Konferenz "Sicherer Radverkehr", die in der vergangenen Woche auf Einladung des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) und der Unfallforschung der Versicherer (UDV) in Berlin stattfand, war die Schaffung eines neuen Bußgeldtatbestandes auch für angetrunkene Radler.
Bußgeld für blaue Radler
Damit soll eine Lücke im Ordnungswidrigkeitenrecht geschlossen werden, die betrunkene Radler häufig ungeschoren davon kommen lässt. Wer ein "paar Bierchen zu viel" hat und mit dem Auto oder Motorrad fährt, kann zwar ordnungswidrig handeln. Nach § 24 a Straßenverkehrsgesetz (StVG) gilt seit 1998 hierfür statt der 0,8 die 0,5-Promille-Grenze. Einen Bußgeldtatbestand für angetrunkene Radfahrer gibt es dagegen nicht. Deshalb soll auch Fahrrad fahren ab 0,8 Promille ordnungswidrig sein.
Fahren unter Alkoholeinfluss kann darüber hinaus nach dem Strafgesetzbuch (StGB) strafbar sein - und zwar auch für Radler. Allerdings musste derjenige, der sich beschwipst auf den Drahtesel die Härte des Gesetzes nicht in dem gleichen Maße fürchten wie motorisierte Fahrer:
Nach § 315 c Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StGB begeht eine Straftat, wer im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er dazu infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage ist, und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet.
Einheitliche Promillegrenzen für Auto und Rad
Eine Straftat ist nach § 316 StGB auch die "Trunkenheit im Verkehr". Im Gegensatz zu § 315 c StGB setzt dies aber nur voraus, dass man ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führt, obwohl man alkoholbedingt nicht mehr in der Lage ist, das Fahrzeug verkehrssicher zu bewegen – zu einem "Beinahe-Unfall" wie bei § 315 c StGB muss es nicht gekommen sein. Ab einem gewissen Alkoholpegel wird unwiderlegbar vermutet, dass der Fahrer sich in einem solchen Zustand befindet.
Da auch Fahrräder "Fahrzeuge" sind, kann sich der Radler nach beiden Vorschriften strafbar machen. Allerdings gelten für Fahrradfahrer teilweise andere Grenzwerte.
In der Rechtspraxis wird zwischen der absoluten und der relativen Fahruntüchtigkeit unterschieden. Mit den Begriffen werden nicht unterschiedliche Grade der Fahrunsicherheit bezeichnet, sondern eine Methode zur Feststellung der Fahrtüchtigkeit. Für die Strafbarkeit ist vor allem die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit erheblich. Absolut nicht mehr in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu steuern, ist nach der Rechtsprechung, wer 1,1 Promille oder mehr intus hat.
Bei Fahrradfahrern ging man früher von einem Wert von 1,7 Promille aus, inzwischen wird aber ein Wert von 1,6 Promille zugrunde gelegt. Nach Meinung der Konferenzteilnehmer reicht das noch nicht aus: Künftig soll auch für Radler die 1,1-Promille-Grenze gelten.
"Don’t drink and ride"
Betrunken Rad zu fahren, kann außerdem auch fahrerlaubnisrechtliche Konsequenzen haben. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen hat, wer ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,6 Promille oder mehr geführt hat. Das soll nach - allerdings umstrittener - Meinung sogar für Radler gelten, die gar keinen Führerschein haben. Mit der unangenehmen Folge, dass selbst das Führen eines Fahrrades untersagt werden kann (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.02.2011, OVG 1 S 19.11, OVG 1 M 6.1).
In jedem Fall riskiert ein betrunkener Radler aber den Führerschein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf einem Fahrererlaubnisinhaber, der als Radfahrer mit einem Blutalkoholgehalt von 1,6 Promille oder mehr am Straßenverkehr teilgenommen hat, der Führerschein entzogen werden, wenn zu erwarten ist, dass er auch künftig ein Kraftfahrzeug in fahruntüchtigem Zustand führen wird (Urt. v. 21.05.2008 – 3 C 32/07). Damit gilt wohl generell: "Don’t drink and ride" – schon aus Gründen der eigenen Sicherheit.
Der Autor Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat in Regensburg und Autor zahlreicher Publikationen zum Straßenverkehrsrecht.
Adolf Rebler, Blau auf dem Drahtesel: . In: Legal Tribune Online, 29.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5901 (abgerufen am: 05.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag