Festnahme von Carles Puigdemont in Deutschland: Aus­lie­fe­rung an Spa­nien ist ums­tritten

von Hasso Suliak

26.03.2018

Nach der Festnahme des katalanischen Separatistenführers Carles Puigdemont in Deutschland wird die Justiz in Schleswig-Holstein über eine mögliche Auslieferung an Spanien entscheiden. Politisch und rechtlich ist die Angelegenheit brisant.

Ob der katalanische Ex-Präsident Carles Puigdemont in Auslieferungshaft zu nehmen ist, prüft das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG). Sollten keine rechtlichen Hindernisse einer Auslieferung im Wege stehen, entscheidet anschließend die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig. Strafrechtler halten unterdessen eine Auslieferung für wahrscheinlich.

Der 55-jährige Puigdemont war am Sonntag laut Polizei bei der Einreise aus Dänemark auf einer Autobahnraststätte an der A7 bei Schleswig festgenommen worden. Grundlage hierfür war ein von Spanien erwirkter Europäischer Haftbefehl (EuHB),  datiert auf den 23. März 2018. Gegen Puigdemont wird in Spanien wegen des Unabhängigkeitsreferendums vom Oktober wegen des Vorwurfs der Rebellion und der Veruntreuung öffentlicher Gelder ermittelt. Diese Straftatbestände waren bereits Gegenstand eines früheren EuHB vom Herbst letzten Jahres, als sich Puigdemont noch in Belgien befand. Wie die Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft, Wiebke Hoffelner, der LTO bestätigte, sind die Vorwürfe jetzt auch in dem Haftbefehl genannt, der am Sonntag zur Festnahme führte. 

Vorgeworfene Handlungen auch in Deutschland strafbar?

Am Montag soll der katalanische Politiker zunächst dem zuständigen Amtsgericht Neumünster (AG) zur Identitätsfeststellung vorgeführt werden. Das Verfahren vor dem AG Neumünster dürfte einigermaßen unproblematisch über die Bühne gehen. Neben der Vornahme einer Identitätsfeststellung wird das Gericht Puigdemont in einer sogenannten Festhalteanordnung eröffnen, warum er genau festgehalten wird. Theoretisch bestehe zwar dann schon die Möglichkeit, dass bereits das AG entscheidet, Puigdemont wieder auf freien Fuß zu setzen. Dies sei aber nicht die Regel, sagte die Sprecherin des Gerichts laut dpa.

Spannend wird danach aber die juristische Klärung der Frage, ob Puigdemont auf Grundlage des EuHB nach Spanien ausgeliefert werden kann. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, müsste Deutschland den katalanischen Politiker innerhalb von höchstens 60 Tagen nach der Festnahme an Spanien übergeben. Den Erlass eines solchen Auslieferungshaftbefehls wird in den nächsten Tagen das OLG in Schleswig zu prüfen haben. Die Aufgabe ist juristisch nicht unkompliziert: 

Ein EuHB kann nach Art. 2 Abs. 1 des EU-Rahmenbeschlusses 2002/584/JI über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (RB) bei Handlungen erlassen werden, die nach den Rechtsvorschriften des Ausstellungsmitgliedstaats, hier also Spanien, mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht sind.

Unterschlagung öffentlicher Mittel

Zwar müsste laut RB für einen Katalog von 32 Deliktsgruppen nicht einmal geprüft werden, ob das Verhalten auch im Vollstreckungsmitgliedstaat Deutschland strafbar ist. Allerdings handelt es sich bei den Puigdemont vorgeworfenen Delikten nicht um derartige Katalogtaten. Das OLG Schleswig-Holstein muss dehalb gemäß der §§ 80 ff. des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG)* prüfen, ob die Handlungen, auf die sich der EuHB vom 23.März bezieht, nach deutschem Recht Straftaten darstellen, unabhängig von den Tatbestandsmerkmalen oder der Bezeichnung der Straftat.

Ob die Vorwürfe Spaniens ihr Pendant im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) haben, ist nicht ganz klar. Die spanische Tageszeitung El Pais sieht in den deutschen Vorschriften des "Hochverrats" in den §§ 81 ff. StGB "große Ähnlichkeiten" mit den spanischen Tatbeständen, unter anderem der "Rebellion". Fraglich ist allerdings ob diese Regelungen taugen, um den Auslieferungshaftbefehl zu begründen, da etwa beim Hochverrat gegen den Bund (§ 81 StGB) die Tat durch "Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt" erfolgen müsste. Dies ist bei den katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen nicht der Fall gewesen.

Ein Auslieferungshaftbefehl könnte sich allerdings auf eine andere Handlung beziehen: Spanien wirft Puigdemont auch eine Unterschlagung öffentlicher Gelder vor, die er durch die Durchführung des vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Referendums herbeigeführt haben soll. Die vorsätzliche unzulässige Ausgabe öffentlicher Mittel wäre in Deutschland möglicherweise als Unterschlagung oder Untreue strafbar.

Faires Verfahren in Spanien?

Der Kölner Strafrechtler Nikolaos Gazeas geht daher davon aus, dass jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt Deutschland am Ende den EuHB vollstrecken wird. Gegenüber LTO bekräftigte Gazeas, er rechne mit einer Auslieferung wegen des Vorwurfs der Unterschlagung öffentlicher Gelder – "was bei uns den Straftatbestand der Untreue erfüllen könnte", so Gazeas. Für den Tatbestand der Rebellion lägen nach deutschem Recht nicht die nötigen Voraussetzungen vor, meinte Gazeas, da Puigdemont im Zusammenhang mit den Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien keine Gewalt angewandt habe.

Gazeas gab allerdings zu bedenken, dass selbst der spanische Straftatbestand der "Rebellion" (Art. 472 Codigo Penal) nicht erfüllt sei, da nach diesem die separatistischen Ziele "gewaltsam und öffentlich" erklärt werden müssten. Es sei zweifelhaft, ob Puigdemont in Spanien überhaupt ein faires Verfahren zu erwarten habe, so Gazeas zu LTO. Der Strafrechtler wies darauf hin, dass Puigdemont vor dem OLG auch den Einwand der politischen Verfolgung geltend machen könnte. Würde das OLG diesen Einwand bejahen, läge ein Auslieferungshindernis vor. Dass ein deutsches Gericht Spanien "Politische Verfolgung" vorwerfe, sei aber eher unwahrscheinlich.

Unterdessen erteilte Puigdemonts Anwalt, Jaume Alonso-Cuevillas, Spekulationen darüber, ob der katalanische Ex-Regionalpräsident in Deutschland Asyl beantragt, vorerst eine Absage. Man werde mit den deutschen Anwälten zwar "alles" prüfen, derzeit sei aber kein Asylgesuch für den 55-Jährigen geplant, hieß es bei dpa.

Festnahme politisch umstritten

Politisch hat die Festnahme Puigdemonts für heftige Diskussionen gesorgt. Bundesjustizministerin Katarina Barley hielt sich mit einer politischen Bewertung zurück. In der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" betonte sie, zunächst liege dieses Verfahren in den Händen der schleswig-holsteinischen Behörden. “Die ersten Schritte sind jetzt erst mal rein juristische und die gilt es jetzt erst mal abzuwarten.“ Regierungssprecher Steffen Seibert betonte am Montag in Berlin, dass Spanien ein demokratischer Rechtsstaat sei und der Konflikt um Katalonien “innerhalb der spanischen Rechts- und Verfassungsordnung“ gelöst werden müsse. Die Bundesregierung habe in den vergangenen Monaten daher auch das Vorgehen der spanischen Regierung in diesem Konflikt unterstützt.

Oppositionspolitiker kritisierten unterdessen die Festnahme. Die Partei Die Linke forderte eine sofortige Freilassung Puigdemonts. “Dialog ist das Gebot der Stunde, Puigdemont sollte auf freien Fuß kommen“, sagte der Linkenfraktionschef Dietmar Bartsch der dpa. Die Fraktion beantragte Sondersitzungen des Rechtsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Der europapolitische Sprecher der Linksfraktion, Andrej Hunko, nannte die Festnahme eine “Schande“ und sagte: “Die Strafverfolgung ist ganz offensichtlich politisch motiviert.“

Auch der frühere Bundestagsabgeordnete der Partei Bündnis 90/Die Grünen und Strafverteidiger, Hans-Christian Ströbele, kritisierte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter die Festnahme: "Auslieferung geht gar nicht. Demokratische Rebellion per Volksentscheid ist hier nicht strafbar", so Ströbele. Die Grünen im Bundestag forderten Verhandlungen der spanischen Regierung mit Katalonien unter der Beteiligung Brüssels. "Der Fall zeigt: Es ist höchste Zeit, dass in Spanien ein politischer Ausweg gefunden wird", sagte die europapolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Franziska Brantner. Die Bundesregierung solle sich für eine Vermittlung der EU-Kommission einsetzen.

Demgegenüber begrüßte die spanische Regierung die Festnahme des ehemaligen katalanischen Regierungschefs. Dies sei eine "gute Nachricht" und zeige, dass die Institutionen funktionierten, zitierte die spanische Nachrichtenagentur Europa Pres die stellvertretende Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría in einer ersten öffentlichen Reaktion der Regierung am Montag in Madrid.

*Klarstellung am Tag der Veröffentlichung, 23.20 Uhr.

mit Material von dpa

Zitiervorschlag

Hasso Suliak, Festnahme von Carles Puigdemont in Deutschland: . In: Legal Tribune Online, 26.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27735 (abgerufen am: 12.10.2024 )

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