Auftakt zum Loveparade-Prozess: Zur Über­zeu­gung des Gerichts?

von Pia Lorenz

07.12.2017

Der Loveparade-Prozess in der Messe Düsseldorf steckt voller Superlative. Was Juristen eine medienwirksame Bühne bietet, kann für die Beteiligten zum Albtraum werden. Umso mehr, weil viele Erwartungen gar nicht erfüllt werden können.

Am morgigen Freitag beginnt im Congresscenter Düsseldorf Ost mit dem Loveparade-Prozess einer der größten Prozesse der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte. Insgesamt 500 Plätze hat der Zuschauerbereich des Saals im ersten Stock, davon 85 allein für die Medienvertreter. Man wird sie brauchen, für die zehn Angeklagten, ihre 24 Verteidiger, die 64 Nebenkläger und ihre Vertreter. Simultandolmetscher werden in fünf Sprachen übersetzen.

In vorerst 111 angesetzten Terminen will die 6. Große Strafkammer des Landgerichts (LG) Duisburg bis Ende 2018 darüber verhandeln, ob die sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent sich u.a. der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung schuldig gemacht haben, als im Jahr 2010 bei der Loveparade 21 Menschen ums Leben kamen und mehr als 650 verletzt wurden.

Das Verfahren, das schon vor dem ersten Termin zur Hauptverhandlung einen mehr als ungewöhnlichen Verlauf nahm, findet jetzt unter enormem Druck statt. In zeitlicher Hinsicht, weil die Taten der absoluten Verjährung (§ 78c Abs. 3 Strafgesetzbuch) unterliegen, wenn nicht bis Juli 2020 ein erstinstanzliches Urteil vorliegt. In medialer Hinsicht, weil das Unglück auch deshalb als besonders schlimm wahrgenommen wird, weil es ausgerechnet junge Menschen traf, die sich zum ausgelassenen Feiern versammelt hatten. Und nicht zuletzt in emotionaler Hinsicht. Noch viel wichtiger als für die Presse ist es für die dutzenden Nebenkläger, dass das Geschehen aufgeklärt wird. Und dass eine offizielle Stelle feststellt, wer dafür verantwortlich ist, dass sie einen geliebter Menschen verloren haben.

Ob es dazu kommen wird, ist völlig ungewiss. Sicher ist dagegen, dass der Mammutprozess alle Beteiligten vor historische Herausforderungen stellt. Sie beginnen bei der Technik des Sitzungssaals, stellen strafrechtliche Grundsatzfragen in das Licht der Öffentlichkeit und enden bei der Frage, was das Strafrecht überhaupt leisten kann.

Eine Bühne für Juristen

Neben den drei Richtern und zwei Schöffen werden drei Ergänzungsrichter und fünf Ergänzungsschöffen das Verfahren begleiten, damit es nicht wegen eines Ausfalls auf der Richterbank platzt. Die zuständige 6. Große Strafkammer wurde von allen neu eingehenden Verfahren freigestellt.

Sämtliche Verteidiger mussten Vorschläge für Pflichtverteidiger unterbreiten, die einspringen, wenn sie selbst an einem der Prozesstage verhindert sind. Das wird ziemlich sicher geschehen, zumal das Gericht angesichts des straffen Zeitplans schon jetzt mit drei Terminen pro Woche plant. Das ist selbst für größere Kanzleien mit vorhandenem Personal kaum zu leisten.

Dennoch sind auch die ganz großen Kanzleien höchst interessiert an dem Verfahren. Nach LTO-Informationen soll es hinter den Kulissen in den vergangenen Monaten ein regelrechtes Geschacher um die medienwirksamen Plätze neben Angeklagten oder Nebenklägern gegeben haben. Selbst Größen der Strafrechtswelt sollen angeboten haben, sich als zweiter oder dritter Verteidiger zur Verfügung zu stellen - ohne Honorar. Vielen war vielleicht bis dahin nicht bewusst gewesen, dass das Verfahren mindestens in seinen Dimensionen den Münchner NSU-Prozess in den Schatten stellen dürfte. Die Kulisse, in der es stattfinden wird, ist angemessen, um denen eine Bühne zu bieten, die sie suchen. Für alle anderen ist sie bestenfalls einschüchternd.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Auftakt zum Loveparade-Prozess: . In: Legal Tribune Online, 07.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25905 (abgerufen am: 06.12.2024 )

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