Vor dem LG München läuft derzeit der Korruptionsprozess gegen Anton Weinmann. Mit außergewöhnlichen Methoden wehrt sich der ehemalige LKW-Chef von MAN gegen die Vorwürfe. Dafür haben ihn die Presse und selbst der Richter getadelt. Aber warum eigentlich? Angeklagte haben ein Recht darauf, ihren Ruf zu retten – auch wenn das bedeutet, sich erst einmal unbeliebt zu machen, meint Christopher Hauss.
Mitleid darf ein Manager wie Weinmann nicht erwarten. Knapp 80 Prozent der Deutschen finden, dass Urteile in Korruptionsfällen zu milde ausfallen. Aber um Milde scheint es dem Truck-Enthusiasten, der 28 Jahre bei dem Fahrzeug- und Maschinenbaukonzern MAN gearbeitet hat, nicht zu gehen. Sonst hätte er kaum seine Ankläger wegen Beleidigung und Rechtsbeugung angezeigt. Auch die in Wirtschaftsstrafsachen durchaus übliche Verständigung auf eine maßvolle Bewährungsstrafe lehnte er ab. Zwei außergewöhnliche Vorgänge.
"Tiefgehend ehrverletzend" sei die Anklage und Kompromisse nicht möglich, erklärte er schon vor Verfahrensbeginn. Anton Weinmann will gehört werden. Dafür nimmt er selbst eine härtere Bestrafung und ein längeres Verfahren in Kauf. Sein Vorgehen zeigt deutlich, worauf es in einem Strafprozess mit prominenter Besetzung heute wirklich ankommt: die öffentliche Meinung.
Für Angeklagte ist es schwierig, ihre Sicht der Dinge öffentlich und glaubwürdig darzustellen. Es ist ein Balanceakt, vor Gericht schweigen zu dürfen, in der Presse aber eigentlich reden zu müssen. Wenn der mutmaßliche Straftäter außerhalb des Gerichtssaals auskunftsfreudiger ist als innerhalb, sorgt das mindestens für atmosphärische Störungen. Wenn er sich nicht äußert, kann er kaum eigene Positionen einnehmen. Um hier zu bestehen, muss man schon ein Medienprofi sein.
Vor Gericht schweigen dürfen, in der Presse reden müssen
Die Staatsanwaltschaft hingegen hat in den vergangenen Jahrzehnten ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wenn nicht flächendeckend professionalisiert, so doch zumindest überall intensiviert. Das spiegelt sich beispielsweise in den Landesrichtlinien wieder, die etwas hilflos die Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden und Medien regeln. Auch gegen diese etablierte Zusammenarbeit hatte sich Weinmann gerichtet, als er erfolgreich verhinderte, dass schon vor Prozessbeginn die Anklageschrift den Pressevertreter zugehen konnte.
Dabei sind die Vorwürfe gegen Weinmann eher harmlos. Die Anklage lautet auf Beihilfe zur Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Aber auch Bestechungsvorwürfe bleiben in der öffentlichen Wahrnehmung Bestechungsvorwürfe, Beihilfe hin oder her. So sah sich der in Korruptionssachen erfahrene Vorsitzende Richter Hans-Joachim Eckert noch vor Verlesung der Anklage genötigt, eine Erklärung abzugeben. Darin betonte er, dass niemand Weinmann vorwerfe, selbst aktiv bestochen zu haben. Im Gegenteil habe er viel gegen Korruption unternommen und in möglichen Bestechungsfällen durchgegriffen.
Und mehr noch: "Wir alle wissen, dass Sie nicht vorbestraft sind. Sie sind einer, der sich von der Pike auf mit harter Arbeit nach oben gearbeitet hat“, so Eckert. Hier sollen zwar in erster Linie die Wogen zwischen den Prozessparteien geglättet werden. Aber das ist auch schönste Öffentlichkeitsarbeit im Sinne des Angeklagten. Allein für diese richterliche Erklärung hat sich das ungewöhnliche Vorgehen von Weinmann und seinem Anwalt Holger Matt schon gelohnt.
Das Recht, um den eigenen Ruf zu kämpfen
Anton Weinmanns Verhalten gegenüber der Presse hält manch einer für rabiat und rümpft darüber die Nase. Dabei ist er nur wegen Beihilfe zur Bestechung angeklagt. Würde es sich um schwerere Vorwürfe handeln, könnte er sich sicher sein, dass ein ähnliches Verhalten eine noch deutlich negativere Berichterstattung nach sich gezogen hätte. Man erinnere sich nur an Jörg Kachelmann. Doch was bleibt demjenigen, der sich staatlicher Verfolgung ausgesetzt sieht, aber öffentlich nicht klein beigeben will?
Medien und Strafverfolgungsbehörden arbeiten eng zusammen. Die Berichterstattung über Straf- und Wirtschaftsstrafverfahren nimmt zu. Damit wächst die Gefahr, für Schuldige wie Unschuldige, dass sie über das Verfahren hinaus eine Art Sonderopfer erbringen, weil sie an den Pranger gestellt werden. Der Verteidiger Eberhard Kempf, der den ehemaligen Deutsche Bank Chef Josef Ackermann vertrat, kritisierte diese Entwicklung schon 2006 auf dem Deutschen Anwaltstag.
Sie lässt sich aber nicht zurück drehen und mit Gesetzen oder Richtlinien kaum in Bahnen lenken. Es wäre aber an der Zeit, eine konsequente Verteidigung nicht nur vor Gericht, sondern auch vor der Öffentlichkeit als legitimes Ziel des Angeklagten zu akzeptieren. Auch das wäre Ausdruck der Unschuldsvermutung.
Der Autor Christopher Hauss ist Jurist und Berater für strategische und politische Kommunikation bei der Berliner Agentur mfm - menschen für medien, die Ministerien, Bundestags- und Landtagsfraktionen, einzelne Politiker in Bund und Ländern sowie Unternehmen und Verbände berät. Er ist Dozent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Bundesakademie für öffentliche Verwaltung (BAköV).
Christopher Hauss, Prozess gegen MAN-Vorstand: . In: Legal Tribune Online, 22.08.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6901 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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