Ob hochauflösend, unterwasserfest oder durchsichtig - nicht alles, was dieses Jahr auf der IFA in Berlin gezeigt wird, ist neu und innovativ. Am Eröffnungstag beginnt für Patent- und Markenanwälte die Jagd nach Fälschungen. Ausgerüstet mit Rollkoffer und Digitalkamera werden aus ihnen schnell Detektive. Unterstützend kommt ein richterlicher Bereitschaftsdienst hinzu.
Wenn sich am Freitagmorgen die Türen zur 53. Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin öffnen, dann haben Patent- und Markenanwälte schon einen gefühlten Arbeitstag an Vorbereitung hinter sich.
Die weltgrößte Messe für Unterhaltungselektronik lässt jedes Jahr nicht nur Technik-Freaks und Fachpublikum unter Videobrillen, über Tablet PCs oder vor durchsichtigen Waschmaschinen staunen. Einige Besucher interessieren sich gerade für das, was nur auf den ersten Blick neu und innovativ ist.
Vor Halle Nummer 25 steht Christian Czychowski, Rechtsanwalt und Patentrechtsexperte der Kanzlei Boehmert & Boehmert in der Nachmittagssonne. Schwarzer Anzug, weißes Hemd, lilafarbene Krawatte. "So wäre ich nicht angezogen, wenn ich jetzt noch nach Plagiaten suchen würde", sagt er. Die Anwälte, die in den ersten Stunden der Messe durch die Hallen von Stand zu Stand eilen, wollen nicht gleich erkannt werden. Für ihre Auftraggeber heißt es, schnell und effektiv zu handeln. Sie schicken ihre juristischen Plagiatsjäger mit Kamera und Rollkoffer auf die Messe.
Abmahnungen werden vor Ort ausgedruckt und überreicht
Häufig haben diese auch schon einen Hinweis im Gepäck und wissen, an welchen Ständen sie suchen müssen. Ist ein verdächtiges Produkt aufgespürt, beginnt der schwierige Teil der Arbeit erst, wie Czychowski erklärt. Um das Produkt mithilfe einer Einstweiligen Verfügung aus dem Verkehr zu ziehen, muss die Patent- oder Markenverletzung dem Gericht glaubhaft gemacht werden.
Dazu ist zunächst etwas Detektivarbeit nötig: Es gilt, die Produkte möglichst unauffällig und zugleich gut erkennbar abzufotografieren. Der mitgeführte mobile Drucker aus dem Rollkoffer spuckt noch vor Ort eine schriftliche Abmahnung aus. Zeigt der Aussteller sich uneinsichtig, geht der Antrag auf eine Einstweilige Verfügung an das zuständige Landgericht Berlin.
Dort hat man 2013 erstmalig einen Bereitschaftsdienst eigens für die IFA eingerichtet. Die auf gewerblichen Rechtsschutz spezialisierte Kammer erwartet am ersten Tag der Messe Verfügungen, Arreste und sonstige Eilsachen. Und die gehen unter Ausschöpfung aller technischen Möglichkeiten über die elektronische Gerichtsverwaltung ein: auf USB-Sticks, DVDs oder CDs.
Zwischen Entdeckung und Entfernung der Plagiate liegen nur Stunden
Der Präsident des Landgerichts Bernd Pickel teilt mit: "Für die Teilnehmer auf innovativen Messen wie der Internationalen Funkausstellung – IFA – ist es wichtig, dass der Wettbewerb auf der Veranstaltung fair und regulär verläuft. Schneller Rechtsschutz ist da besonders gefragt."
Das gilt indes nicht nur für die Arbeit des Gerichts, sondern auch für das, was nach dem Erlass der Verfügung folgt. Auf der Messe beginnt die Suche nach dem Gerichtsvollzieher. Die Einstweilige Verfügung wird nicht von Amts wegen zugestellt, sondern muss mittels eines Gerichtsvollziehers an den Verletzer übergeben werden. Weigert sich der Aussteller, die betreffenden Produkte zu entfernen, muss im schlimmsten Fall die Polizei einschreiten. Zwischen der Entdeckung eines Plagiats und seiner Entfernung liegen regelmäßig nur ein paar Stunden.
Czychowski schätzt, dass neben ihm am Eröffnungstag noch etwa zehn andere Anwälte auf der IFA unterwegs sind. Die um ihre Erfindungen besorgten Unternehmen setzten mit den gezielten Aktionen vor allem auf Prävention. Der aktuelle Jahresbericht der Europäischen Kommission zum Schutz des Geistigen Eigentums lässt erahnen, warum.
2012 beschlagnahmten die europäischen Zollbehörden Produktfälschungen im Wert von einer Milliarde Euro. Davon sind zwar nur ein geringer Teil Technologieprodukte, aber solche Erfindungen sind häufig das Ergebnis langwieriger Forschung und deshalb auch besonders wertvoll. Geistiges Eigentum wird nicht nur zivilrechtlich, sondern auch durch eigene Strafandrohungen in den Patent- und Markengesetzen geschützt.
Vorgehen der Plagiatsjäger nicht immer berechtigt
So kam es schon in der Vergangenheit auf der IFA immer wieder zu spektakulären Beschlagnahmefällen. Im Sommer 2008 wurden ganze LKW-Ladungen mit Multimediageräten von Staatsanwaltschaft und Zoll festgesetzt. Nicht immer geschieht das zu recht. Dementsprechend kann auch das anwaltliche Treiben in beide Richtungen wirken: Die einen lassen Beschlagnahmen durchführen, die anderen springend rettend dazwischen, wenn der gegnerische Kollege übers Ziel hinauszuschießen droht.
Angeheizt wird die Situation auf den Technikmessen seit einigen Jahren zudem durch sogenannte "Patent-Trolle". Diese Personen oder Unternehmen erwerben Patente, ohne jemals die dahinterstehende Erfindung nutzen zu wollen. Häufig verfügen sie nicht einmal über Herstellungsanlagen, ihre Mitarbeiter sind vor allem Anwälte. Die Geschäftsidee besteht darin, auf Verletzungen der angehäuften Schutzrechte zu lauern, um andere Unternehmen dann in Rechtstreitigkeiten um exorbitante Lizenzgebühren verwickeln zu können.
Markus Sehl, Gerichte und Anwälte gerüstet für die IFA: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9515 (abgerufen am: 09.11.2024 )
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