Wer investiert, will Rendite. Das gilt auch für Investoren an privatisierten Bundesautobahnen. Außerdem erfordert die Vergabe von Bauprojekten europäische Ausschreibungen. Die Idee ist also nicht hinreichend durchdacht, meint Ute Jasper.
Wer kennt das nicht? Freitags im Stau auf der A 1 stehen nicht nur die Autos, sondern daneben auch die Bagger. Der geplagte Autofahrer hofft auf Besserung, wenn Finanzminister Wolfgang Schäuble alle Autobahnen privatisieren will. Private bringen die Bagger in Schwung und Geld in den Haushalt. Gleichzeitig erhalten Versicherungen und Banken lukrative Anlagemöglichkeiten. Was will man mehr?
Alles hört sich so einfach und so gut an: Der Finanzminister will Bau und Betrieb der deutschen Autobahnen auf eine private Gesellschaft übertragen. Anschließend will er knapp die Hälfte der Anteile an dieser Bundesfernstraßengesellschaft, kurz BFG, an private Investoren verkaufen. Die BFG soll die Autobahnen planen, bauen, warten und instand halten. Doch woher nimmt die BFG das Geld?
Ein Teil der Straßeninfrastruktur soll direkt aus der Maut an die BFG bezahlt werden, ohne überhaupt erst in den Bundeshaushalt zu fließen. Das bringt die Haushaltspolitiker auf den Plan, die Demokratie und Parlament unterlaufen sehen. Weitere Milliarden - gesprochen wird von 30 bis 45 - sollen nicht etwa über klassische Darlehen aufgenommen werden. Stattdessen will Schäuble den deutschen Versicherungen und Banken "rentable" Beteiligungs- und Anlagemöglichkeiten eröffnen. Private Finanzierung - so heißt es - soll den Sanierungsstau auflösen. Aha. Sind denn Darlehen keine privaten Finanzierungen? Wollen die zu beteiligenden Banken und Versicherungen ihr Geld etwa nicht zurück haben? Hier und an einigen anderen Punkten zeigt sich, dass die Autobahnprivatisierung mehr Fragen als Antworten aufwirft.
Bisher zuständige Behörden und Mitarbeiter
Bisher verwalten die Länder die Bundesfernstraßen und Bundesautobahnen im Auftrag des Bundes, Art. 90 Abs. 2 Grundgesetz (GG). Die Landesstraßenbaubehörden sind für Neubau, Ausbau, Erhaltung, Betrieb und Unterhaltung der Bundesstraßen verantwortlich. Sie beschäftigen dazu ca. 30.000 Mitarbeiter, halten Geräte und Werkstätten vor.
Noch fehlt ein Vorschlag, wie mit Vermögen und Mitarbeitern der Landesbehörden umgegangen werden soll. Betriebsbedingte Kündigungen dürften politisch kaum akzeptabel sein. Unteraufträge von der Bundesgesellschaft an die Länder wären wenig sinnvoll, weil dann im Bund nur eine zusätzliche Verwaltungsebene geschaffen würde. Direktvergaben einer vom Bund mehrheitlich beherrschten Gesellschaft an die Länder wären kaum mit dem europäischen Vergaberecht vereinbar.
Profit von Banken und Versicherungen
Seit Jahren sinken die Zinsen. Banken und Versicherungen finden keine lukrativen und zugleich sicheren Anlagemöglichkeiten. Die Renditen für Staatsanleihen sind auf einem Rekordtief. Trotzdem müssen Allianz, Victoria und der Rest der Branche die Verträge über höher verzinsten Lebensversicherungen erfüllen. Sie rufen nach dem Staat, der ihnen rentable Investitionen in Infrastruktur ermöglichen soll.
Sichere Anlagen in den Autobahnbau kämen da gerade recht. Die Versicherungskonzerne versuchen deshalb, die Politiker, die der Grundgesetzänderung zustimmen müssten, zu überzeugen und malen ein Menetekel an die Wand. Ohne die Renditen aus dem Autobahnbau seien die Renditen der Lebensversicherungen und damit die private Altersvorsorge nicht mehr sicher. Das überzeugt doch, oder?
Wirklich? Verdienen nicht zuerst die Aktionäre der Versicherungskonzern an besseren Renditen? Ist es wirklich Aufgabe des Staates, also des Steuerzahlers, Pensionsfonds und Versicherungen zu subventionieren oder genauer: Milliarden zu verschenken? Und darf der Bund überhaupt diese teure Finanzierung wählen? Wenn er derzeit andere Infrastrukturprojekte - etwa den Kauf von Regionalzügen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen - über 30 Jahre mit Zinsen von deutlich unter einem Prozent finanzieren kann, warum sollte er die von den Finanzinstituten erwarteten Renditen von drei oder vier Prozent zahlen?
2/2: Höhere Rendite durch Risikoübernahmen
Die Privatisierung und die höhere Verzinsung des privaten Kapitals sollen darauf beruhen, dass sich Banken und Versicherungen am Risiko der BFG beteiligen. Das wäre richtig, wenn es stimmen würde. Selbstverständlich ist ein Unternehmerwagnis zu verzinsen. Aber bisher ist nirgends erklärt, wie Versicherungen dies mit ihrer Pflicht zur sicheren Geldanlage verbinden könnten. Und bei allen öffentlich-private Partnerschaft (ÖPP)-, Forfaitierungsmodellen, also dem Forderungsankauf unter Verzicht auf den Rückgriff gegen den Verkäufer bei Zahlungsausfall, und Privatisierungen gehen die Finanzierer grundsätzlich keine Risiken ein. Sie verleihen Geld - mal als Darlehen, mal als Forderungskauf, mal über Schuldscheine - und sie wollen dieses Geld vom Bund, Ländern oder Kommunen garantiert und verzinst zurück haben. Deshalb sehen diese Modelle immer Kapitalgarantien, Einredeverzichte oder ähnliche Sicherheiten der öffentlichen Hand vor.
All dies spricht dafür, die günstigste Finanzierung schlicht im Wettbewerb zu ermitteln, am besten unter Einbindung der Förderbanken und der Europäischen Investitionsbank. Alle anderen Finanzierungsformen über Beteiligungen sind deutlich teurer. Sie verteuern das Projekt nach allen Erfahrungen um mindestens zwei Prozentpunkte pro Jahr.
Beteiligung privater Investoren
Nach dem bisher bekannten Vorschlag sollen bis zu 49,9 Prozent der Anteile der BFG an private Partner veräußert werden. Minister Schäuble hat dies mit den erfolgreichen Privatisierungen der Post und der Telekom in den neunziger Jahren begründet. Dieser Weg setzt voraus, Art. 90 GG entsprechend zu ändern. Dort ist derzeit noch vorgesehen, dass der Bund die Autobahnen gemeinsam mit den Ländern verwaltet.
Unklar ist noch, ob die Anteile nur an Finanzinstitute wie Banken und Versicherungen verkauft werden sollen, die dann den Neu- und Ausbau der Autobahnen mit Eigenkapital finanzieren, oder ob - auch - Bauunternehmen beteiligt werden sollen. Wie auch immer - die Beteiligungen werden rechtssicher nur im Wettbewerb vergeben werden können. Und dieser Wettbewerb wird sich nicht auf deutsche Investoren beschränken dürfen. Wie immer, wenn der Staat bedeutende Vermögenswerte an den Markt gibt, ist nach europäischem Primär- und Beihilferecht ein europaweiter Wettbewerb erforderlich, der Transparenz und Gleichbehandlung sicherstellt. Wie die Vorteile trotzdem ausschließlich den deutschen Versicherungen zugutekommen sollen, bleibt offen.
Keine Absenkung der Staatsverschuldung
Die Befürworter der Autobahnprivatisierung hoffen, den Sanierungsstau aufzulösen. Das kann gelingen, hängt aber nicht von der Privatisierung ab und erfordert keine marktüblichen Renditen für Banken und Versicherungen.
Denn ein Sanierungsstau wird aufgelöst, indem man schnell viel saniert. Logisch. Diese Sanierungswelle muss bezahlt werden. Dazu muss sich der Staat Geld leihen. Diese Darlehen sollte er so günstig wie möglich am Markt aufnehmen. Für die Sanierung selbst wäre eine effiziente Straßenbauverwaltung sinnvoll, die zügig plant und Bauleistungen im Wettbewerb vergibt.
Manche unterstellen, die Ausgründung der Autobahngesellschaft solle über einen Schattenhaushalt die offizielle Staatsverschuldung nach den Maastricht-Kriterien und den Anforderungen der Schuldenbremse senken. Das ist mehr als zweifelhaft. Denn entweder wird die BFG mehrheitlich staatlich beherrscht und finanziert – dann sind ihre Kredite den Staatsschulden zuzurechnen. Oder sie wird zu mehr als 50 Prozent privatisiert – dann droht nicht nur das politische Aus, dann könnten sie vergaberechtlich auch nicht mehr ohne Wettbewerb Bauaufträge erhalten.
Vorbild im Kreis Lippe
Über die Privatisierung der Autobahnen berichten alle Medien, die Parteien streiten. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat gegen die dafür nötige und geplante Grundgesetzänderung einen Vorbehalt eingelegt und sich vorbehalten, in der Ressortabstimmung weitere Stellungnahmen abzugeben. Die Grünen, allen voran der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann, lehnen die Bundesfernstraßengesellschaft ab. Kanzleramtsminister Altmaier spricht mit den Staatskanzleien der Länder, die er braucht, um das Grundgesetz zu ändern. Das Kabinett soll am 8. Dezember über die Zukunft der Autobahnen beraten.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass in dieser Legislaturperiode alle hier nur angedeuteten Probleme gelöst werden. Eigentlich ist das auch gar nicht nötig. Besser wäre eine effiziente Straßenbauverwaltung, die endlich nicht mehr Sanierungsaufträge nach Kassenlage vergibt, sondern die Straßen über langfristige Verträge dauerhaft instand hält. Die Wettbewerbe sind so zu gestalten, dass die Gesamtwirtschaftlichkeit entscheidet – also die Summe aus Planungs-, Bau-, Betriebs- und Finanzierungskosten. Dafür gibt es reichlich Vorbilder, - beim Projekt Kreis Kreisstraßen in Lippe wird das seit Jahren erfolgreich praktiziert.
Dr. Ute Jasper ist Partnerin bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf und leitet dort das Dezernat "Öffentlicher Sektor und Vergabe". Ihr Spezialgebiet sind Vergabe- und Infrastrukturprojekte der öffentlichen Hand. Sie berät Bundes- und Landesministerien, Kommunen und Unternehmen.
Dr. Ute Jasper, Privatisierung der Bundesautobahnen: Geld rein - Straßen frei – Versicherungen gerettet? . In: Legal Tribune Online, 25.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21258/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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