Mit einem nun veröffentlichten Urteil entschied der Bundesgerichtshof, dass bei Erdgas- und Sonderkundenverträgen Preisanpassungsklauseln unwirksam sind, die allein auf die Entwicklung des Heizölpreises abstellen. Jetzt ist eine Diskussion über die langfristigen Folgen der Rechtsprechung entbrannt. Anton Kumanoff lotet mögliche Konsequenzen für Energiewirtschaft und Verbraucher aus.
In seinem nun veröffentlichten Urteil vom 24.03.2010 (Az. VIII ZR 178/08) erklärte der BGH Preisanpassungsklauseln für Erdgas-Sonderkunden, die nur an die Entwicklung des Preises für leichtes Heizöl anknüpfen, für unwirksam, da sie zu einer unangemessenen Benachteiligung des Endkunden führten. Dieses Urteil knüpft an die Entscheidung vom 15.07.2009 (Az. VIII ZR 225/07) an, mit der ebenfalls ein an Heizöl anknüpfender Preisanpassungsmechanismus für unwirksam erklärt wurde.
In Anwendung des § 307 BGB kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass bei der Anhebung des Erdgaspreises nur aufgrund der Entwicklung des Preises für leichtes Heizöl, das heißt ohne Rücksichtnahme auf andere Kosteneinflussfaktoren, der Erdgaslieferant die Möglichkeit erhält, unangemessen hohe Gewinne zu erzielen. Da für Erdgas kein Wettbewerb existiert, entwickelt sich der Abgabepreis allein aufgrund der vom Lieferanten vorformulierten Bedingungen.
Der Abgabepreis des Erdgaslieferanten als Endverteiler setzt sich zusammen aus den Komponenten Einkaufspreis für Erdgas, einer Vergütung für die Netzkosten und einem Aufschlag für Wagnis und Gewinn.
Analyse der Preisbildungsmechanismen
Der Beschaffungsmarkt für Erdgas ist oligopolistisch strukturiert. Importeure und Großlieferanten beschaffen das Erdgas zu einem Preis, der an die Ölpreisentwicklung gekoppelt ist.
Preisschwankungen werden an die Endverteiler weitergegeben. Da es nur sehr wenige Anbieter sind, die Erdgas an die Verteiler liefern und die Verträge langfristig abgeschlossen werden, ist es schwer möglich, Preisanhebungen auszuweichen. Um Verluste zu vermeiden, sind wiederum die Endverteiler gezwungen, Preisanhebungen weiterzugeben.
Regelmäßig geschieht dies durch Anknüpfung an die Entwicklung des Preises für Heizöl in Form eines Quotienten. Die Differenz zwischen dem Endabgabepreis an den Verbraucher und dem Einkaufspreis für Erdgas ist zunächst der Beitrag, der die Nebenkosten, den Gewinn und das Risiko deckt. Wird der Endabgabepreis prozentual im gleichen Umfang angehoben wie der Einkaufspreis, steigt, in absoluten Beträgen, der Deckungsbeitrag. Bleiben die Kosten für das Verteilernetz und die übrigen Gemeinkosten gleich, steigt rechnerisch der Gewinn. Darin erblickt das Gericht die Unangemessenheit der Klausel.
Unangemessenheit der Gewinnsteigerung
Die Tatsache, dass regelmäßig mit der Anhebung der Heizölpreise der Abgabepreis für Erdgas steigt, führt noch nicht zur Annahme der Unangemessenheit. Belasten andere Kostenfaktoren der Gasabgabe den Deckungsbeitrag derart, dass notwendige Reinvestitionen für die Substanzerhaltung und den technischen Fortschritt kaum gesichert sind, führt eine maßvolle Erhöhung des Deckungsbeitrages nicht unbedingt zu einer unangemessenen Benachteiligung, da der Endabnehmer auf einen leistungsfähigen Versorger angewiesen ist.
Dieser Sachverhalt kommt allerdings in der Realität nicht vor. Die beim Gasverkauf erzeugten Gewinne sind vielmehr regelmäßig hoch, was man unschwer aus den Ergebnisveröffentlichungen der Gasverteilungsunternehmen ersehen kann.
Wenn aber der Abgabepreis schon ohne Anpassung ordentliche Kapitalrenditen erzeugt, ist bei einer Veränderung nach oben sehr schnell eine unangemessene Benachteiligung des Endabnehmers gegeben. Dies verstärkt sich natürlich, wenn gleichzeitig im Netzkostenbereich Kosten gesenkt werden.
Folgerungen für die Preisgestaltung
Prozentuale Anknüpfungen nur an Heizölpreisentwicklungen führen regelmäßig zu unangemessenen Preisen. Dies wird durch Weitergabe nur des konkreten absoluten Erhöhungsbetrages des (Gas-) Einkaufspreises, soweit auf den Kunden entfallend, vermieden.
Weiterhin ist es dann zusätzlich erforderlich, die Entwicklung der Fixkosten bei einer Preisanpassung mindernd (oder sogar erhöhend) einzubeziehen. Technisch wäre dies ohne weiteres - eine entsprechende Kostenrechnung kann vorausgesetzt werden - möglich.
Der BGH beschäftigt sich mit dem Verhältnis Verteiler – Endverbraucher. Das Grundproblem allerdings, der fehlende Wettbewerb der Vorlieferanten in einem oligopolistischen Beschaffungsmarkt, bleibt. Hier kann, wenn überhaupt, nur die Kartellbehörde helfen.
Der Autor Ass. jur. Anton Kumanoff ist in einer international ausgerichteten Unternehmensberatungsgesellschaft tätig. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Wirtschaftsfragen öffentlicher Einrichtungen.
Preisanpassungsklauseln von Energieversorgern: . In: Legal Tribune Online, 10.05.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/549 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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