Die Staatsanwaltschaft würde gerne richtig ermitteln, doch die Panama Papiere liegen bei Journalisten. Die müssen die Unterlagen nicht herausgeben. Auch mit einer Beschlagnahme ist nicht zu rechnen, erklärt Fabian Meinecke.
Die Ermittlungsbehörden sind in einem Dilemma: Alle wissen von und reden über die ausländischen Briefkastenfirmen und die Panama-Papers - inzwischen prüft die Staatsanwaltschaft München I eventuelle Verwicklungen der Bayerischen Landesbank und Siemens. Doch die möglicherweise belastenden Dokumente liegen bei den Medien, etwa bei der Süddeutschen Zeitung. Und die Staatsanwaltschaft kann lediglich anfragen, ob sie die Unterlagen von den Journalisten erhalten könne.
Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch aus München sagte bereits selbst: "Eine rechtlich durchsetzbare Position haben wir ja nicht." Das Wörtchen "ja" zeigt, dass er nur eine Selbstverständlichkeit wieder gibt. Auch der Sprecher des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble betonte, er könne nicht die "Kavallerie" losschicken.
Doch welche Rechtsposition hat der deutsche Staat in der Affäre um die "Offshore-Leaks", die absehbar nun die deutsche Medienöffentlichkeit für wenigstens mehrere Wochen prägen wird? Müssen die zuständigen Verfolgungs- und Ermittlungsbehörden zusehen, während potentiell zureichende Daten für die Annahme eines Anfangsverdachts gegen eine Vielzahl von Personen den Medienvertretern vorliegen und durch diese ausgewertet werden?
Neutrale Wächter sind nur die Staatsorgane
Tatsächlich obliegt die Prüfung eines möglichen Rechtsbruchs einzig und allein den zuständigen Stellen bei den Finanzämtern und Staatsanwaltschaften sowie der abschließenden Feststellung durch die Gerichte. Die Organe des Staates sind die einzigen wirklich neutralen Wächter der Rechtsordnung, da sie kein eigenes Interesse außer jene der Feststellung und Sanktionierung von Rechtsbrüchen verfolgen dürfen. Das folgt schon aus Art. 1 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) und wird etwa in § 160 der Strafprozessordnung (StPO) konkretisiert.
Die akribische, investigative Tätigkeit rund um die Panama Papers durch Journalisten ist zu begrüßen. Doch die Arbeit der Medien ist trotz der Selbstbindungen durch den Pressekodex nicht frei von den eitlen Reizen der Selbstinszenierung. Die eigens geschaffene, mit düsterer Spannungsmusik untermalte Seite der Süddeutschen Zeitung etwa zeigt einen Videoclip, in dem zwei der an den Enthüllungen arbeitende Journalisten bemüht eine Glasscheibe mit den erforschten Strukturen beschreiben. Die Presse darf das.
Beschlagnahme wird es nicht geben
Es lohnt sich jedoch ein nüchterner Blick auf die Rechtslage. Für die Feststellung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche scheint es zu früh. Aber auch eine Beschlagnahme der Panama Papers durch die Staatsanwaltschaften in Deutschland wird nicht erfolgen. Die Pressefreiheit schließt in Deutschland neben dem Schutz des Informanten (BGH, Urt. v. 28.12.1978, Az. StB 235/78) die durch anonyme Quellen zur Verfügung gestellten Unterlagen ein, über die Pressevertreter aufgrund des ihnen zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 StPO keine Angaben machen müssen.
Dem korrespondiert das Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO, der Redaktionen davor schützt, in ihrer Arbeit durch Zugriffe des Staates im Wege von Durchsuchungen beschränkt zu werden. Dieses Beschlagnahmeverbot umfasst auch die im Zusammenhang mit dem Vertrauensverhältnis durch den Informanten übergebene Daten von potentiell der Steuerhinterziehung oder anderer Straftaten Verdächtiger – das also auch, wenn etwa die Staatsanwaltschaft nur durch Medienberichte die Namen der Inhaber von Offshore-Konten erfährt.
2/2: Medien behalten die Datenhoheit
Im Einzelfall ist hier nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abzuwägen zwischen der Schwere des Tatvorwurfs und der Beeinträchtigung der Pressefreiheit. Die Verhältnismäßigkeitsanforderungen können der Beschlagnahme von Presseunterlagen nach dem strengen Maßstab sogar dann entgegenstehen, wenn kein Zeugnisverweigerungsrecht besteht (vgl. Nr. 73a Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren).
Im Übrigen ergeben sich Sonderfälle nur für speziell von Journalisten erarbeitetes Material und deren eigene Wahrnehmung. In der Praxis ist die Behauptung, durch die Preisgabe von Informationen würde mittelbar die Identität des Informanten offenbart, aber nicht überprüfbar. Anders sieht es nur aus, wenn ein Redaktionsmitglied selbst einer Straftat dringend verdächtig ist – wofür im Falle der Panama Papers nichts spricht. In diesem Bereich hat die Presse den absoluten Vorrang vor Belangen der Rechtspflege, der in Fachkreisen durchaus kritisch beurteilt wird.
Die Staatsanwaltschaften sind jetzt also darauf verwiesen, die Medienberichte zu verfolgen. Die Medien haben die Hoheit über die Daten. Das ist insofern bedenklich, als dass diese zugleich die Hoheit über die öffentliche Meinung haben und es schon oft zu Vorverurteilungen von in der Öffentlichkeit stehenden Personen gekommen ist. Nicht selten bleibt bei Personen und Unternehmen ein erheblicher Reputationsschaden – auch wenn kein rechtlicher Nachweis für ein Fehlverhalten erbracht werden konnte. Gleichzeitig kommen Hinweise auf durchaus legitime Gründe für die Bildung von Offshore-Gesellschaften ebenso wie das Beteuern der geltenden "Unschuldsvermutung" nur wie ein leises Echo daher.
"Entdeckung" noch nicht zu befürchten
Für diejenigen, die nicht nur aus Gründen der Anonymität Berechtigte einer Offshore-Gesellschaft sind, wird sich die Frage stellen, ob sie nun nach der Veröffentlichung des "Leaks" noch zurück in die Legalität kehren können, indem sie Selbstanzeigen abgeben. Hierfür ist – sofern es sich um Steuerhinterziehung handelt – zum einen maßgeblich, ob der Kontoinhaber objektiv entdeckt war und ob er subjektiv die Entdeckung erkennen musste.
In der Rechtsprechung wird das mit dem Entdecktsein "Rechnenmüssen" zunehmend restriktiv ausgelegt (zuletzt Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, Beschl. v. 30.10.2015, Az 2 Ss 63/15). Schon wenn eine Steuer-CD mit Daten eines Beschuldigten durch den Staat angekauft wird und über den Kauf Medienberichte erscheinen, wird angenommen, der Beschuldigten habe mit der Entdeckung rechnen müssen – soweit der subjektive Aspekt.
Beim objektiven Entdecken muss die Person des Täters nicht namentlich bekannt sein. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 20.05.2010, Az. 1 StR 577/09) ist die Tat vielmehr dann entdeckt, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist. Hieran fehlt es, solange die Daten den Medien vorliegen – und nicht den Staatsanwaltschaften. Zumindest noch bleibt also Zeit für eine Selbstanzeige.
Fabian Meinecke ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Oberwetter & Olfen in Berlin und auf Wirtschafts- und Steuerstrafrecht spezialisiert.
Fabian Meinecke , Panama Papers und Datenhoheit der Medien: Die Staatsanwaltschaft als Bittsteller . In: Legal Tribune Online, 12.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19047/ (abgerufen am: 25.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag