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Landgericht Kiel verliert vor OVG Schleswig-Holstein: Foto­gra­fie­verbot gegen die Bild-Zei­tung war rechts­widrig

von Pauline Dietrich, LL.M.

30.04.2025

Justiz Schleswig-Holstein

Erst durften gar keine Fotos im Gerichtsgebäude mehr gemacht werden, dann nur nicht mehr in strafgerichtlichen Hauptverfahren. Beides hielt vor Gericht nicht. Foto: picture alliance/dpa | Marcus Brandt

Es war gar nicht mit Journalisten zu rechnen, trotzdem hat das LG Kiel dem Axel Springer Verlag untersagt, Fotos zu machen. So nicht, meint das OVG. Aber: Grundsätzlich dürften Gerichtspräsidenten ihr Hausrecht für Foto-Verbote einsetzen.

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Mit dem Erscheinen von Axel-Springer-Journalist:innen war eigentlich gar nicht mehr zu rechnen, ohnehin standen keine wirklich medienrelevanten Verfahren an. Trotzdem hat die Präsidentin des Landgerichts (LG) Kiel es dem Springer-Verlag untersagt, in einem bestimmten zweimonatigen Zeitraum Fotos im Gebäude zu machen. Das geht so nicht, entschied daraufhin das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig im Eilverfahren.

Doch auch eine nachträgliche Beschränkung des Verbots auf strafrechtliche Hauptverhandlungen per Widerspruchsbescheid hatte keinen Bestand, wie nun das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig-Holstein entschied (Beschl. v. 27.03.2025, Az. 4 MB 8/25). Allerdings stellte es klar: Grundsätzlich kann man per Hausrecht Foto-Verbote erteilen. Sie dürfen aber nicht als Strafe eingesetzt werden, sondern nur präventiv.

Verstöße gegen Verpixelungsanordnungen

Die Präsidentin des LG Kiels hatte es allen angestellten und freien Mitarbeitenden des Axel-Springer-Verlags, zu dem auch die Bild-Zeitung gehört, für eine Dauer von zwei Monaten untersagt, Fotos in den Räumen des LG zu fertigen. Sie stützte dieses Verbot auf das Hausrecht. Die Begründung: Zwei Verstöße der Bild-Zeitung gegen sitzungspolizeiliche Anordnungen aus den Jahren 2022 und 2025. Beide Male ist gegen Verpixelungsanordnungen in Verfahren, in denen es um Tötungsdelikte ging, verstoßen worden, die abgebildeten Personen also nicht ausreichend unkenntlich gemacht worden.  

Axel Springer, vertreten von DLA Piper, ging gegen die Untersagung vor. In einem hierauf bezogenen Eilverfahren gewann Springer gegen die von Brock Müller Ziegenbein Rechtsanwälte vertretene LG-Präsidentin. Das VG Schleswig ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des LG an.

Milderes Mittel: Verbot in Bezug auf konkretes Strafverfahren

Ob das verhängte Foto-Verbot tatbestandlich gerechtfertigt werden kann, ließ das VG dabei offen. Es sprang stattdessen direkt auf die Rechtsfolgenseite und stellte fest, die Unterlassungsverfügung sei ermessensfehlerhaft. Das Verbot erweise sich in der gewählten Form als nicht erforderlich, als milderes Mittel komme ein begrenztes Fotografieverbot in Bezug auf ein konkretes Strafverfahren in Betracht. Das sei auch gleich geeignet, um die Verfahrensbeteiligten zu schützen. Darüber hinaus monierte das VG das gewählte Datum des Auslaufens des Verbots. Im Bescheid war der 28. März 2025 als Frist genannt, obwohl das Strafverfahren, auf das sich die Bild-Berichterstattung bezog, bereits mit der Urteilsverkündung am 18. Februar endete. Dieses zeitliche Überschießen sei "fast wahllos" und "vermittelt einen über den präventiven Charakter des Hausrechts hinausgehenden, ermessensfehlerhaften, sanktionierenden Eindruck", so das VG.

Das LG Kiel wollte das nicht auf sich beruhen lassen und zog daraufhin weiter vor das OVG. Zwar scheiterte es dort im Ergebnis ebenfalls. Allerdings bestätigte das OVG, dass das Hausrecht, in Schleswig-Holstein normiert in § 14 Abs. 1 des dortigen Landesjustizgesetzes, durchaus herangezogen werden kann, um Medien das Anfertigen von Fotos bei Gericht zu untersagen – grundsätzlich gab es dem LG also Recht. Das Gericht gab zudem Hinweise für die Handhabung des Hausrechts der Gerichtspräsident:innen mit und damit auch für die Arbeit der Gerichtsreporter:innen.  

Anders als das VG ging das OVG auch auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des verhängten Foto-Verbots ein. Demnach sei die Beschwerde unbegründet - und zwar auch in einer abgeänderten Form, die das OVG berücksichtigt hat. In der Zwischenzeit hatte nämlich das LG die Untersagung per Widerspruchsbescheid abgeändert und das Foto-Verbot nicht mehr auf das ganze Gerichtsgebäude bezogen, sondern auf strafrechtliche Hauptverhandlungen beschränkt.  

Das Hausrecht dient nicht der Strafe

Solche Verbote könnten von Gerichtsleiter:innen, wie vom LG vorgetragen, durchaus herangezogen und auf Hausrecht gestützt werden. Aber: Hausrechtliche Anordnungen hätten präventiven Charakter und müssten zur (künftigen) Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Behörden- oder Gerichtsgebäude erforderlich sein. Dazu seien konkrete Tatsachen zu benennen, die eine Gefahrenprognose stützen. Konkret verlangt das OVG Tatsachen, die eine Störung des Hausfriedens in der Vergangenheit belegt und die "darauf schließen lassen, dass in Zukunft wieder mit Störungen zu rechnen und die hausrechtliche Anordnung daher erforderlich ist, um erneute Vorfälle zu verhindern".  

Dies sei dann der Fall, wenn der Dienstablauf des Gerichts nachhaltig gestört werde, beispielsweise weil Bedienstete beleidigt oder bedroht worden seien. "Mit Blick auf die Wahrscheinlichkeit einer wiederholten Störung sind dabei nach allgemeinen polizeilichen Grundsätzen umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer der drohende Schaden ist", so das OVG. Es gab dem LG auch dahingehend recht, dass eine unzulässige, identifizierende Bildberichterstattung einen gravierenden Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen kann, was zu geringen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung führt.

Letztendlich scheiterte das LG Kiel aber wegen nicht ausreichender Darlegungen, dass diese Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage hier auch wirklich vorliegen und drohende Verletzungen des Persönlichkeitsrechts insbesondere von Angeklagten mit der hausrechtlichen Anordnung abgewendet werden konnten bzw. können.

Zwei Verstöße in drei Jahren reichen nicht

Im Geltungszeitraum des Fotoverbots vom 28. Januar 2025 bis zum 28. März 2025 hätten nämlich keine strafrechtlichen Hauptverhandlungen angestanden, bei denen wegen ihrer Medienrelevanz oder sogar aufgrund einer Anmeldung erneut mit dem Erscheinen von Mitarbeiterenden von Axel Springer sowie dem Anfertigen von Fotoaufnahmen zu rechnen sei.  

An dieser Einschätzung ändere auch der Umstand nichts, dass schon im Jahr 2022 ein Mitarbeiter von Axel Springer unter Verstoß gegen eine Sitzungsanordnung identifizierend über einen Angeklagten berichtet hatte. Daraus folge nämlich nicht, dass in dem betroffenen Zeitraum ein vergleichbares Vorgehen angekündigt bzw. in Aussicht gestellt hat. "Zwei Verstöße binnen drei Jahren lassen schließlich noch kein systematisches Vorgehen dergestalt erkennen, dass jederzeit mit einer Nichtbeachtung von Persönlichkeitsrechten im Zusammenhang mit im Landgericht Kiel durchgeführten strafrechtlichen Hauptverhandlungen zu rechnen wäre", so das Gericht. Eine Ermächtigungsgrundlage für eine bloße Sanktion biete § 14 Abs. 1 LJG nicht. Die Norm diene der Gefahrenabwehr.

Anwältin: Keine Ausführungen zur Bildberichterstattung übers Internet

Trotz der deutlichen Kritik im Einzelfall sieht das LG Kiel die Entscheidung des OVG positiv. "Das Oberverwaltungsgericht hat unsere Auffassung bestätigt, dass Anordnungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte Verfahrensbeteiligter auch gegenüber Medienvertretern auf das Hausrecht gestützt werden können“, sagt eine Sprecherin. Das Gericht habe die Möglichkeit eines befristeten Fotografierverbots nicht grundsätzlich missbilligt, sondern sogar anerkannt.  

LG-Rechtsanwältin Charlotte Gaschke hätte sich vom OVG noch ein paar Worte zur Bildberichterstattung im Internet gewünscht:  "In der Rechtsprechung zu Bildberichterstattung aus Strafverfahren wird unserer Auffassung nach bislang noch nicht hinreichend berücksichtigt, dass die soziale Prangerwirkung bei einer Verbreitung von Bildern über das Internet eine ganz andere ist, als dies bei der klassischen Verbreitung über Printmedien der Fall war", so Gaschke von der Kanzlei Brock Müller Ziegenbein. "Hier muss besonders berücksichtigt werden, dass Berichte im Internet noch jahrelang problemlos auffindbar sind, ohne dass man mühsam zu irgendeinem Zeitungsarchiv anreisen und dort die Bestände durchsuchen müsste." Dieser Gesichtspunkt hätte in die Abwägung des Rechts der Presse auf Berichterstattung sowie der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten einfließen müssen.

Auch die Prozessvertreter von Axel Springer betonen, dass der Beschluss positive Auswirkungen auf die Pressearbeit vor Gericht haben kann: "Das OVG stellt klar, dass einer hausrechtlichen Anordnung allein ein präventiver, aber nicht sanktionierender Charakter innewohnen darf“, sagt Dr. Michael Stulz-Herrnstadt, der das Verfahren als Partner bei DLA Piper federführend betreute. "Damit hat das OVG den Schutz von Pressearbeit bei Gericht verbessert", ergänzt Prof. Dr. Stefan Engels, Sprecher des Medien, Sport und Entertainment Sektors der Kanzlei.

Übrigens: Das OVG entschied einen ganzen Tag vor Ablaufen des Foto-Verbots.  

Beteiligte Kanzleien

Brock Mül­ler Zie­gen­bein Rechts­an­wäl­te

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Landgericht Kiel verliert vor OVG Schleswig-Holstein: . In: Legal Tribune Online, 30.04.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/57097 (abgerufen am: 15.11.2025 )

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