Ein Bundesrichter erhob im Untersuchungsausschuss zur OVG-Besetzung schwere Vorwürfe gegen Justizminister Limbach. Es ging um falsche Angaben und Druck zur Rücknahme der Bewerbung.
"Die Auswahlentscheidung ist nicht nach Recht und Gesetz, sondern nach politischer Vorfestlegung erfolgt." Das sagt ein Bewerber um das Amt des Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW. Wie auch ein zweiter, der diese Stelle nicht bekommen hat, stellte sich der Bewerber am Dienstag dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) im Landtag NRW. Es ist die zehnte Ausschusssitzung. Der PUA soll herausfinden, ob es bei der zunächst erfolgten Besetzung ein Fehlverhalten oder Versäumnisse der schwarz-grünen Landesregierung gab. Im Fokus steht insbesondere der grüne Justizminister Benjamin Limbach.
Die Position des Präsidenten des OVG NRW in Münster ist seit rund vier Jahren nicht besetzt. Inzwischen sind zwei Versuche, das zu ändern, gescheitert. Der Landtag untersucht nun die zweite Besetzungsrunde. Da hatten sich zunächst zwei Männer beworben, die an diesem Dienstag als Zeugen geladen sind. Sehr spät im Auswahlverfahren hatte der seinerzeit noch neue Justizminister Limbach eine Frau als weitere Bewerberin eingebracht, die dann auch zunächst ausgewählt wurde. Nach Konkurrentenklagen beider unterlegener Kandidaten und der Einleitung des PUA wurde diese Entscheidung rückgängig gemacht. Der PUA hatte grundlegende Fehler bei der Beurteilung der Kandidatin aufgedeckt. Das Verfahren startet nun zum dritten Mal.
Ein Kandidat bald im Ruhestand
Einer der Zeugen ist Carsten Günther, Bundesrichter und Inhaber eines CDU-Parteibuches. Er habe "bisher öffentlich geschwiegen aus Respekt vor dem Amt". Er sei daher dankbar, nun in einem angemessenen Rahmen etwas sagen zu können. Seinen Namen könne man ruhig nennen, sagt er zu LTO, in der Justiz wisse eh jeder Bescheid. Günther hatte sich schon in der ersten Runde auf den Posten beworben, seine Bewerbung aber zurückgezogen, weil er mit dem ersten weiteren Bewerber aus persönlichen Gründen nicht habe konkurrieren wollen. In der zweiten trat Günther gegen einen anderen Kandidaten dann noch einmal an.
Hier hatte auch Ministerialdirigent Andreas C., inzwischen 65 Jahre, seinen Hut in den Ring geworfen. Unbestritten sah der damalige Justizminister Biesenbach C. als Favoriten für den Posten an. Der hatte zum Ende der Legislaturperiode seine Auswahlentscheidung zwar noch getroffen, sie aber nicht mehr umgesetzt.
Nach der Landtagswahl war Limbach neuer Justizminister. Und der brachte nach Ablauf des Bewerbungsverfahrens eine weitere Kandidatin ins Spiel, die es werden sollte. Unstreitig gab es daher Gespräche zwischen Limbach und den beiden männlichen Kandidaten. Die Anbahnung der Gespräche und die Inhalte geben die Beteiligten jedoch hoch widersprüchlich wieder. Das könnte bedeuten, dass im Zuge der auch Überprüfung der Besetzung falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben wurden, das wäre strafbar.
"Der Minister musste liefern"
Nach Aussage von Günther führte er auf dessen Veranlassung ein Gespräch mit dem Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ansgar Heveling. Dieser habe ihm dargelegt, dass die Koalition sich eine Frau für das Amt wünsche. Der Minister müsse "liefern", äußerte in einem weiteren Gespräch auch der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU) – an die Formulierung erinnerte sich Günther genau. Limbach selbst habe zudem gesagt, die Kandidatin habe einen Vorsprung gegenüber den Männern, das sehe Liminski genauso. In dem Gespräch sei Günther nahegelegt worden, die Bewerbung zurückzunehmen. Es sei zwar üblich, habe Heveling gesagt, in einer solchen Situation eine Kompensation anzubieten, aber er habe nichts. Man werde eine Rücknahme der Bewerbung aber nicht vergessen. Beides habe auch Liminski selbst in einem späteren Gespräch ebenso erwähnt. Wie die Politiker auf den Vorsprung der Kandidatin kamen, ist unklar. Die Beurteilungen lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht vor. Im Anschluss an das Gespräch mit Heveling und Limbach soll letzterer laut Günther ein drittes Gespräch mit Liminski vermittelt haben – Limbach bestritt das in einer früher abgegebenen eidesstattlichen Versicherung.*
Spannungen liegen auch in weiteren Details. Günther hatte J. früh über seine Bewerbung informiert. Sie habe ihn daraufhin bei einem Treffen in Berlin mit "Herr OVG Präsident in spe" begrüßt. Dass sie sich selbst später aber auch beworben hat, davon erfuhr er nicht von ihr. Das hatte ihm Limbach später mitgeteilt.
Limbach, die Kandidatin J. und Günther kennen sich aus gemeinsamen Zeiten am Verwaltungsgericht Köln. Das seien inzwischen, sagt Günther, fast 25 Jahre. Für ihn steht fest: "Die Auswahlentscheidung ist nicht nach Recht und Gesetz, sondern nach politischer Vorfestlegung erfolgt." Es sei "äußerst bedauerlich, dass das ganze Verfahren eine solche Öffentlichkeit erlangt hat", sagte Günther, "das ist nicht gut für die Justiz". Es sei ein "offensichtlich fragwürdiger Besetzungsvorgang", dafür "trägt Minister Limbach die volle Verantwortung".
"Bestenauslese" oder "Lügen"
Also "haben Limbach und J. gelogen?", fragt Gregor Golland, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion NRW. "Lügen", antwortet Günther, "das ist nicht meine Wortwahl, aber die Wahrheit haben sie in einigen Punkten nicht gesagt." Das Pferd sei in diesem Verfahren von hinten aufgezäumt worden, Limbach habe sich die Bewerberin ausgesucht. “Das muss eine unreflektierte Freude an der frisch gewonnenen Macht gewesen sein”.
Günther wird sich weiter auf den Posten bewerben. Anders sieht es bei dem Zeugen C. aus: "Ich habe mit diesem Verfahren abgeschlossen und werde in diesem Jahr in den Ruhestand gehen", sagt der. "Mit der Entscheidung des BVerfG mit einer gewissen Genugtuung."
Die Sprecher von CDU- und Grünen-Fraktion für den PUA IV, Gregor Golland und Dagmar Hanses, teilten ihre Sicht mit: "Die bisherigen Vernehmungen haben den Eindruck bestätigt, dass das Verfahren nach den Grundsätzen der Bestenauslese erfolgt ist."
Ander sieht es die Opposition: "Über Monate wurden wir im Rechtsausschuss, im Plenum und in Sondersitzungen offenbar von Justizminister Limbach belogen. Wenn zwei Zeugen seine Einflussnahme und Vorfestlegung bestätigen, dann lügt der Minister“, resümiert Werner Pfeil, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion NRW und Obmann im PUA. Zuspruch findet er bei der SPD: "Reihenweise wurden Angaben des Ministers als falsch entlarvt. Jetzt bleibt ihm nur ein letzter Schritt: Er muss seinen Hut nehmen", teilte Nadja Lüders, Obfrau der SPD-Fraktion im PUA, mit.
*05.02.25, 15.31h: In dem Absatz waren fehlerhafte Zuordnungen des Gesagten, wir haben dies korrigiert und bitten die Fehler zu entschuldigen.
Untersuchungsausschuss zur OVG-Besetzung: . In: Legal Tribune Online, 05.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56517 (abgerufen am: 08.02.2025 )
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