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OVG Münster zu E-Zigaretten: Kein zulassungspflichtiges Arzneimittel

17.09.2013

Mann mit E-Zigarette

© Miriam Dörr - Fotolia.com

Nikotinhaltige Liquids sind kein Arzneimittel und E-Zigaretten folglich kein Medizinprodukt. Beides darf also ohne Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz verkauft werden. So sieht es jedenfalls das OVG Münster in drei Urteilen vom Dienstag. Vor allem NRW will sich damit nicht zufrieden geben. Der Fall wird wohl in Leipzig landen. Derweil arbeitet die EU an einer strengeren Regulierung.

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Die Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen (NRW) lässt nicht locker. Sie will E-Zigaretten aus dem Verkehr ziehen. Bereits Ende 2011 verkündete sie deshalb, dass nikotinhaltige Liquids ein zulassungspflichtiges Arzneimittel seien. Da es ihnen an einer Zulassung fehle, sei ihr Verkauf verboten.

Diese Warnung hatte bei den Herstellern nicht nur einen Einbruch der Umsatzzahlen zur Folge, sondern auch ein Gerichtsverfahren, das am Dienstag in einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster mündete. Die Richter des 13. Senats blieben dabei: Sie halten die nikotinhaltigen Flüssigkeiten für rauchfreie E-Zigaretten nicht für Arzneimittel. Die E-Zigaretten selbst sind damit keine Medizinprodukte. Für Arzneimittel gilt ein langwieriges Zulassungsverfahren. Anschließend dürfen die Produkte in der Regel nur in Apotheken verkauft werden.

Nikotinhaltige Liquids würden nicht als Mittel zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bezeichnet oder empfohlen. Die Liquids seien auch kein Funktionsarzneimittel. Arzneimittel hätten typischerweise eine therapeutische Wirkung. Die Liquids seien nach wissenschaftlichen Studien aber weder dazu geeignet noch dazu bestimmt, sich das Rauchen dauerhaften abzugewöhnen (Urt. v. 17.09.2013, Az. 13 A 2448/12, 13 A 2541/12 und 13 A 1100/12). Diese Ansicht hatten sie bereits im April 2012 im Eilverfahren vertreten und dem Land per einstweiliger Verfügung aufgegeben, die Warnung zu unterlassen.

Händler und Gesundheitsamt halten Rechtslage für unzureichend

"Es gibt keine Dossierungsanleitung, die Aromen sollen Spaß machen. Außerdem fehlt eine therapeutische Wirkung", so das Gericht am Dienstag. Die Befriedigung der Nikotinsucht sorge nicht für eine Heilung, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Lau.

Verhandelt wurde am Dienstag zunächst ein Fall aus Wuppertal. Das Gesundheitsamt der Stadt hatte einer Frau den Verkauf der Liquids untersagt, weil es die Flüssigkeiten ab einer bestimmten Konzentration als Arzneimittel einstufte. Beide Seiten hatten kritisiert, dass die juristische Lage zur Einordnung von E-Zigaretten unzureichend sei.

Die bloße Tatsache, dass die Liquids Nikotin enthalten, schafft noch keine Klarheit. Zigaretten enthalten auch Nikotin, fallen aber unter die Tabakrichtlinie und sind damit kein Arzneimittel. Nikotinpflaster dagegen sind ein Arzneimittel und dürfen nur von Apotheken verkauft werden. Die E-Zigaretten-Liquids unter die Tabakrichtlinie zu stellen, war vom zuständigen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit abgelehnt worden.

Ministerium hätte mit Warnung vorsichtiger sein sollen

Im zweiten Verfahren, in dem es um die Warnhinweise des Gesundheitsministeriums NRW ging, kritisierte das Gericht die Landesregierung. "Eine geäußerte Meinung muss rechtssicher sein. Wenn es Zweifel gibt, muss das Ministerium auf Zweifel auch hinweisen", sagte Lau. Er verwies auf ein Urteil aus dem Jahr 2011, bei dem ein Gericht die Arzneimittel-Zugehörigkeit von nikotinhaltigen Liquids verneint hatte. "Das hätte das Ministerium berücksichtigen müssen." Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte dagegen in erster Instanz Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) Recht gegeben: Die Liquids seien ein zulassungspflichtiges Arzneimittel, dem es an der Zulassung fehle (Az. 16 K 3792/12).

Die Ministerin bedauerte die Entscheidung aus Münster denn auch außerordentlich. Sie widerspreche der Entwicklung auf der europäischen Ebene. "Durch die Veränderungen der EU-Tabakrichtlinie beabsichtigt Brüssel klarzustellen, dass es sich bei nikotinhaltigen Liquids für E-Zigaretten um Arzneimittel handelt", gab Steffens in einer Pressemitteilung bekannt. Auch die Anti-Baby-Pille oder das Nikotinpflaster hätten keine direkte "therapeutische Wirkung", würden aber zweifelsfrei als Arzneimittel qualifiziert.

Eine Überarbeitung der Tabakproduktrichtlinie berät derzeit das europäische Parlament. Die Kommission hatte Ende 2012 einen Entwurf vorgelegt. Danach sollen auch E-Zigaretten ab einem bestimmten Grenzwert als Arzneimittel gelten und einer Zulassung bedürfen. Der Grenzwert bestimmt sich nach dem Nikotingehalt von Entwöhnungsprodukten wie Nikotinpflastern. Den Marburger Juraprofessor Wolfgang Voit überzeugt dieser Ansatz nicht. "Das Missbrauchspotenzial ist zu groß. Tabakunternehmen könnten einfach ein Entwöhnungspflaster mit einem geringeren Nikotingehalt auf den Markt bringen und damit die Anbieter von E-Zigaretten aus dem Markt verdrängen." Grenzwerte, die tatsächlich am Gesundheitsschutz ausgerichtet sind, hält der Medizinrechtler für vorzugswürdig.

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    NRW-Gesundheitsministerin bedauert Enscheidung

  • Seite 2:

    Warnungen vor E-Zigaretten, Rauchverbot in Gaststätten und auf Schulhöfen

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OVG Münster zu E-Zigaretten: . In: Legal Tribune Online, 17.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9573 (abgerufen am: 17.05.2025 )

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