Der Amateurfußball gehört den Sportlern. Die Rechte an Filmen von Amateurfußballspielen gehören den Sportbegeisterten, die diese Aufnahmen fertigen. Der BGH stellt mit seinem aktuellen Urteil zu der Internetplattform hartplatzhelden.de klar, dass es kein grundsätzliches Leistungsschutzrecht für Sportveranstalter gibt.
Der Streit zwischen dem Württembergischen Fußballverband (WFV) und dem Internetportal "Hartplatzhelden.de" entzündet sich an der Frage, ob Filmaufnahmen, die Fußballfans bei Amateurspielen angefertigt haben, in einem werbefinanzierten Online-Portal ohne Genehmigung des Veranstalters verbreitet werden dürfen. Die dort hochgeladenen Videos sind von jedem Internet-Nutzer über das Portal kostenlos abrufbar, besonders schöne Spielszenen und Tore werden dokumentiert und regelmäßig durch eine Jury ausgezeichnet.
Der betroffene Fußballverband sieht sich in seiner Rolle als Veranstalter durch das fremde Internetangebot vor allem in der eigenen Vermarktung der Fußballspiele behindert. Anders als beim Einspielen von fremden Musikvideos oder Fernsehmitschnitten via YouTube sind die streitigen Aufnahmen jedoch von den Fußballfans selbst gefertigt worden.
Neben dem Streit um kommerzielle Interessen und Werbeeinnahmen geht es also um wichtige Fragen, die auch für andere Events und öffentliche Veranstaltungen interessant sein können: Ist die Veranstaltung eines Fußballspiel überhaupt ein rechtlich schutzfähiges "Leistungsergebnis"? Dürfen privat gefertigte Bildaufnahmen von Sportveranstaltungen online wiedergegeben werden? Ist ein Portalbetreiber (mit-) verantwortlich für die Rechtmäßigkeit der von den Fans selbst eingestellten Aufnahmen?
Veranstaltermonopol contra freie Berichterstattung bei Sportveranstaltungen
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat in seinem vielbeachteten Urteil hierzu in der Vorinstanz den Hartplatzhelden die rote Karte gezeigt. Jedes Fußballspiel sei eine individuelle, geschützte Leistung. Die Veröffentlichung des Bildmaterials sei daher eine wettbewerbsrechtlich unzulässige Leistungsübernahme im Sinne einer "Nachahmung" der Veranstalterleistung, die vor allem in der aufwendigen Organisation des Spielbetriebs liege.
Aufzeichnungen von Teilen eines Fußballspieles würden ohne Erlaubnis gewerblich vermarktet. Zudem werde durch die ungenehmigten Bildaufnahmen in das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Spieler und Zuschauer eingegriffen. Im Ergebnis verschaffe sich das Internetportal so die Aufnahmen in unzulässiger Weise auf dem Umweg über die Fans und Spielbesucher kostenlos.
Die Argumente der Hartplatzhelden, dass die Rechte an den gezeigten Amateurvideos nicht bei den Verbänden, sondern bei den Besuchern der Spiele selbst liegen, die die Videoclips ja ähnlich einem Fotografen selbst aufzeichnen, stellte das Gericht ins Abseits.
Die Portalbetreiber warnten daher im Vorfeld der nun vom Bundesgerichtshof (BGH) gefällten Entscheidung, dass ein für sie negatives Urteil auch für andere Bereiche und Medien weitreichende Folgen haben könnte. Man wisse nicht, ob es bei einem Verbot im Amateurfußball bleibe. Beispielsweise könne die Stadt Hamburg es dann künftig auch verbieten, Aufnahmen von einem Feuerwerk auf dem Rummelplatz der Hansestadt auf YouTube hochzuladen. In fünf oder zehn Jahren werde es außerdem selbstverständlich sein, dass selbst Lokalzeitungen auf derartige Bewegtbilder aus dem Sport bauen. Der BGH müsse daher Rechtssicherheit schaffen.
Der BGH pfeift ab: Grundsatzurteil zur Vermarktung des Amateurfußballs
Der BGH hat nun dieses von vielen Seiten als Fehlentwicklung kritisierte Urteil des OLG Stuttgart aufgehoben und ein ausschließliches Verwertungsrecht des klagenden Verbandes verneint (Urt. v. 28.10.2010, Az. I ZR 60/09 – noch nicht veröffentlicht).
Maßgeblich dafür war, dass die Veröffentlichung der Filmausschnitte nach Auffassung des BGH keine unlautere Nachahmung eines geschützten Leistungsergebnisses darstellt.
Dem Veranstalter der hier in Rede stehenden Amateurfußballspiele steht zudem der vom BGH ausdrücklich aufgezeigte Weg offen, durch eine konsequente Anwendung des Hausrechts der ihm angehörigen Vereine ein Verbot privater Filmaufnahmen direkt an der Quelle, also bei der Eingangskontrolle, durchzusetzen. So kann der Veranstalter sich eine wirtschaftliche Verwertung der Fußballspiele in seinem Verbandsgebiet hinreichend sichern.
Unter diesen Umständen hat der BGH ein besonderes Ausschließlichkeitsrecht von Sportverbänden auch unter den weiteren vom Kläger herangezogenen Gesichtspunkten verneint.
Ballkünstler sind keine Künstler
Die klaren Worte des BGH sind zu begrüßen. Sportereignisse sind rechtlich trotz Ihrer teilweise erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung nur sehr vage abgesichert. Im Urheberrecht findet sich zwar durchaus ein besonderer Leistungsschutz für Veranstalter und deren organisatorische und wirtschaftliche Leistung (§ 81 Urheberrechtsgesetz). Dieser Schutz gilt jedoch nur bei Darbietungen von so genannten ausübenden Künstlern wie Musikern oder Schauspielern. Fußballer zählen trotz Ihrer Qualitäten als "Ballkünstler" nicht dazu und so sind auch die Veranstalter von Sportereignissen nicht geschützt.
Der BGH hat mit dem vorliegenden Urteil eine konsequente Linie verfolgt und es vermieden, unter Inkaufnahme von Wertungswidersprüchen diesen urheberrechtlich nicht vorgesehenen Leistungsschutz auf dem Umweg über das Wettbewerbsrecht zu installieren.
Das Verbot der Vorinstanz ging auch faktisch an der medialen Wirklichkeit und der Zielrichtung so genannter Special-Interest-Portale vorbei, die nicht als rein gewinnorientierte Verwender operieren, sondern als wichtige kommunikative Plattformen und Foren für den Meinungsaustausch im Web 2.0 dienen.
Der Autor Dr. Ingo Jung ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Partner bei CBH Rechtsanwälte in Köln.
Ingo Jung, Online-Nutzung privater Aufnahmen von Sportveranstaltungen: . In: Legal Tribune Online, 28.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1822 (abgerufen am: 05.10.2024 )
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