Präzedenzfall vorm OLG Oldenburg: Erbin darf Ins­ta­gram-Konto voll nutzen

von Pauline Dietrich, LL.M.

16.01.2025

Bislang versetzt Instagram die Konten verstorbener Nutzer in einen "Gedenkzustand" und sperrt den Log-In. Nun hat aber das OLG Oldenburg entschieden: Erben können vollen Aktiv-Zugriff auf das Instagram-Konto vom Erblasser bekommen.

Erben können vollen Zugriff auf das Instagram-Konto der Erblasser bekommen – samt aktiver Nutzungsmöglichkeit. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden (Urt. v. 30.12.2024, Az. 13 U 116/23). Bislang versetzt das Unternehmen Meta, zu dem Instagram gehört, die Accounts von Verstorbenen in den sogenannten Gedenkzustand. Der Account bleibt dann zwar bestehen und sichtbar, es kann sich aber niemand mehr einloggen und entsprechend auch nichts verbreiten. 

So geschehen war es auch in dem Fall, über den das OLG zu entscheiden hatte. Geklagt hatte die Ehefrau und alleinige Erbin des Sängers und Sieger der Castingshow "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) aus dem Jahr 2017, Alphonso Williams. Nach dessen Tod im Jahr 2019 nutzte seine Ehefrau seinen Instagram-Account zunächst weiter, bis Meta von seinem Tod erfuhr und im Jahr 2022 den Account in den Gedenkzustand versetzte. 

Die Ehefrau begann daraufhin ihre Versuche, wieder Zugang zum Account zu erlangen – und landete gegen Meta, das von White & Case LLP vertreten wurde, vor Gericht. In erster Instanz vor dem Landgericht (LG) Oldenburg hatte sie nur teilweise recht bekommen. Der Einzelrichter am LG hatte ihr immerhin einen Zugriff mit Leserechten für den Account zugesprochen.

Doch auch diese Einschränkung hält das OLG noch für zu streng. Es hat der Erbin den vollständig uneingeschränkten Zugang zum Account inklusive der aktiven Nutzung zugesprochen. "Das Urteil ist so relevant, da es bisher noch keine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage gibt, ob die Erben auch den uneingeschränkten Zugang, sprich die Nutzung eines Kontos, erben", so Rechtsanwältin Larissa Rus der Media Kanzlei aus Frankfurt am Main, die die Erbin vertreten hat.

OLG: Meta ist nur ein technischer Service

Das OLG ist der Ansicht, dass die Frau als Erbin in das Vertragsverhältnis ihres Mannes mit Meta im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Bürgerliches Gesetzbuch) eingetreten ist. Es verweist dazu auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2018, nach der der Anspruch auf Zugang zu einem Social-Media-Konto grundsätzlich vererbbar ist (Urt. v. 12.07.2018, Az. III ZR 183/17).  

Mit der Erbenstellung sei die Ehefrau in sämtliche Rechte und Pflichten des Erblassers eingetreten – und das umfasse neben einem passiven Anspruch auf lesende Nutzung auch einen Anspruch auf aktive Nutzung, so das Urteil, das LTO vorliegt. 

Anders als von Meta vorgetragen stehe dem auch nicht die Rechtsprechung des BGH entgegen. Das OLG ist der Meinung, dass der BGH diese Frage in seiner Grundsatzentscheidung ausdrücklich offengelassen habe, weil es in dem damals zu entscheidenden Fall nur um die Bereitstellung der Inhalte zum Abruf durch die Erben ging. Auch aus einem BGH-Beschluss aus dem Jahr 2020 ergebe sich nichts anderes (BGH, Beschl. v. 20.08.2020, Az. III ZB 30/20). Dort sei die aktive Nutzung ebenfalls nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. 

Weiter argumentiert das OLG, dass die Leistungen von Meta nicht höchstpersönlicher Natur seien. Meta verpflichte sich gegenüber den Vertragspartnern nur zu technischen Leistungen – etwa die Kommunikationsplattform zur Verfügung zu stellen und Inhalte zu veröffentlichen – aber nicht zu personenbezogenen. Stattdessen könnten die Leistungen auch unverändert gegenüber den Erben erbracht werden. 

Ein Vertragsverhältnis wie jedes andere

Gleiches gelte für die Pflichten des Kontoinhabers. Dass diese nicht höchstpersönlicher Natur seien, habe der BGH schon ausgeführt. Außerdem lasse Meta bereits eine Vertretung bei der Eröffnung von Konten unter der Voraussetzung einer entsprechenden Einwilligung des zukünftigen Kontoinhabers zu, was der Annahme einer Höchstpersönlichkeit widerspreche. 

Eine Beschränkung könne allenfalls darin zu finden sein, dass der Vertrag auf den Kontoinhaber zugeschnitten und damit personenbezogen ist, da nur dieser unter seinem Konto Inhalte veröffentlichen und Nachrichten schreiben darf. Hier ist das OLG aber der Ansicht, dass es bei diesem Vertragsverhältnis nicht anders sei als bei anderen, in denen jeweils nur eine Partei verpflichtet und berechtigt ist. Es sei gerade nicht so, dass die Leistungen von Meta derartig auf eine Person zugeschnitten sind, dass bei einem Wechsel der Person die Leistung in ihrem Wesen verändert würde. Schließlich stelle Meta immer unabhängig von der Person des Kontoinhabers stets den gleichen technischen Rahmen zur Verfügung. 

Das LG hatte die Einschränkung, warum es nur lesenden statt vollen Zugriff auf das Kontos gewährte, mit der Rechtsprechung des BGH zum Girovertrag begründet. Der BGH hatte geurteilt, dass bei einem solchen die Vertrauensbeziehung zwischen Kreditinstitut und Kontoinhaber eine Rolle spiele. Von der Übertragung dieser Rechtsprechung zeigte sich das das OLG aber nicht überzeugt. Die Grundsätze ließen sich nicht übertragen, denn zwischen Meta und dem Verstorbenen fehle es an einer Vertrauensbeziehung. Weder vertraue der Inhaber eines Instagram-Accounts Meta größere Vermögenswerte an, noch sei die Vertragsbeziehung durch eine besondere Vertrauens- oder Kreditwürdigkeit des Kontoinhabers geprägt. 

Das OLG hat die Revision zugelassen.

Zitiervorschlag

Präzedenzfall vorm OLG Oldenburg: . In: Legal Tribune Online, 16.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56342 (abgerufen am: 12.02.2025 )

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