Wer online Geld verspielt hat, kann die Verluste zurückfordern, auch wenn er wusste, dass das Angebot illegal war. Die BGB-Norm müsse teleologisch reduziert werden, entschied das OLG München in bislang beispielloser Klarheit.
Nach der grundsätzlichen Idee des Bereicherungsrecht verhindert der § 817 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), dass jemand, der ein illegales Angebot in Anspruch nimmt, später sein Geld wieder zurückbekommt. Wer illegale Online-Glücksspiele spielt, müsste danach leer ausgehen.
Das Oberlandesgericht (OLG) München sieht das jedoch in einer grundsätzlichen und wegweisenden Entscheidung zum Online-Glücksspiel anders. Ein Spieler erhält seine Verluste zurück, egal ob er von der Illegalität des Spielangebots wusste (Beschl. v. 20.09.2022, Az. 18 U 538/22).
Die sogenannte Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB müsse in der Konstellation von vornherein außer Anwendung bleiben, so das OLG München in einem 10-seitigen Beschluss, der LTO vorliegt. Eine Entscheidung mit der Folge, dass Spieler ihre Verluste zurückfordern könnten. Das OLG begründet diese Klärung der bislang umstrittenen Rechtsfrage mit dem Argument, dass ansonsten der verspielte Einsatz dauerhaft beim illegalen Glücksspielanbieter verbleiben würde. Ansonsten würde das Verbot von Online-Glücksspiel unterlaufen.
Bis Juli 2021 galt in Deutschland ein weitreichendes Verbot für Online-Glücksspiel. § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag a.F., richtete sich gegen solche Anbieter, und untersagte das Geschäft im Internet. In einem neuen Staatsvertrag ebneten die Länder Ende den Anbietern einen Weg, um künftig Lizenzen auch für Online-Casinos und Co zu beantragen.
Bis Sommer 2021 weitreichendes Verbot für Online-Glücksspiel in Deutschland
Lange Zeit war die Rechtslage für Rückzahlungsansprüche aus der Zeit vor Sommer 2021 ungeklärt. Einige Gerichte entschieden pro, andere gegen die Verbraucher. Im Mai 2022 entschied das OLG Frankfurt am Main, dass ein ausländischer Glücksspielanbieter einem Spieler seine Verluste zurückzahlen muss. In diesem Fall entschieden die Richter, dass es dem Spieler nicht zugemutet werden könne, die komplizierte Rechtslage selbst zu recherchieren. Offen gelassen hatte es allerdings die Fragen rund um die Reduktion des § 817 S. 2 BGB für Fälle illegalen Glücksspiels.
Hier knüpft das OLG München nun an und äußert sich überraschend deutlich. Es sei geboten, "die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB in solchen Fällen nicht eingreifen zu lassen, in denen ein Ausschluss der Rückforderung nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar wäre." Und weiter: "Dies ist dann der Fall, wenn - wie hier - die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen", heißt es in dem Beschluss.
OLG hat Revision zum BGH nicht zugelassen
Letztlich wird wohl der Bundesgerichtshof (BGH) diese Fragen entscheiden, allerdings nicht anhand des bayerischen Falls. Das OLG München hat die Revision nicht zugelassen. Auch eine Nichtzulassungsbeschwerde ist für den Glücksspielanbieter ausgeschlossen. Mit recht resoluten Ausführungen lehnt es den Weg zum BGH ab, eigentlich habe man nichts Neues entschieden. Eine etwas überraschende Argumentation angesichts der neuen und überschießenden Ausführungen zu § 817 S. 2 BGB.
"Die hiesige Entscheidung ist die erste ihrer Art, die diese Rechtsfrage auf Ebene eines Oberlandesgerichts klärt", sagt der Kölner Rechtsanwalt Dr. Patrick Redell, der den Spieler vertrat. "Damit werden die Verbraucherrechte massiv gestärkt und die Branche erleidet eine herbe Niederlage."
Rund 18.000 Euro hatte ein Spieler zwischen 2018 und 2020 beim Online-Glücksspiel verloren. Gespielt hatte er über eine deutschsprachige Website eines Unternehmens mit Sitz auf Malta. Komplizierte Firmengeflechte können übrigens selbst bei Erfolg vor Gericht noch ein Hindernis bei der Durchsetzung darstellen. Ein Selbstläufer sind Erfolge gegen Unternehmen mit Sitz auf Malta oder Zypern nicht. Am Ende muss auch noch vollstreckt werden.
Auch die Verjährungsfrage für Ansprüche ist noch nicht höchstgerichtlich geklärt. Legt man die allgemeinen Regeln zugrunde, beginnt die drei Jahresfrist ab Kenntnis von der Illegalität des gespielten Angebots. Illegales Glücksspiel taucht auch im Strafrecht auf, § 284 Strafgesetzbuch (StGB) bestraft das Veranstalten von illegalem Glücksspiel, § 285 StGB die Teilnahme. Bislang sind kaum Verfahren bekannt geworden. Die Problematik der Kenntnis wird auch dort wieder auftauchen, nämlich dann, wenn es um den Vorsatz geht.
Gerade Online-Spiele gelten bei Experten als besonders riskant für suchtanfällige Spieler, denn es fehlen oft entsprechende Kontrollen. Bei Online-Glücksspiel kann es sich um ganz erhebliche Summen drehen. Kürzlich hatte ein Mann aus Hessen beim Landgericht Frankfurt Erfolg mit einer Klage auf Rückzahlung von 77.000 Euro. Auf dem Markt der Rechtsanwälte ist um die unglücklichen Spieler ein munterer Wettbewerb ausgebrochen.
Bei deutschen Gerichten, darunter auch auf OLG-Ebene, sind noch zahlreiche Verfahren anhängig. Weil ein anderes OLG wahrscheinlich die Revision zulassen würde, wird früher oder später der BGH noch zum Zug kommen.
OLG-Entscheidung zu illegalem Online-Glücksspiel: . In: Legal Tribune Online, 19.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49934 (abgerufen am: 02.10.2024 )
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