Am Freitag hat die zweite Instanz in Köln entschieden, dass Lotto-Annahmestellen Spielern nicht nur aufgrund eines Gesprächs über Hartz-IV oder schlechte finanzielle Verhältnisse Spielverbote oder gar Sperren aussprechen müssen. WestLotto-Vertreter Dr. Markus Ruttig über die guten Nachrichten für Spieler und Annahmestellenpersonal.
Die Entscheidung des Kölner Landgerichts (LG) hatte im Mai für viel Aufsehen gesorgt. Nach dem Urteilsspruch wurde teilweise behauptet, die Kölner Richter hätten Hartz IV-Empfängern die Teilnahme an Glücksspielen insgesamt und damit auch an LOTTO verboten.
Das war sicherlich unzutreffend. Auf andere Glücksspiele als ODDSET bezog sich das Verfahren in diesem Punkt nicht. Außerdem hatte noch die Kölner Kammer selbst auf den Widerspruch von WestLotto hin das ursprüngliche Verbot eingeschränkt. Das Teilnahmeverbot sollte ausschließlich für Sportwetten gelten, wenn sich in einer Lotto-Annahmestelle eine Szene abspielt, wie sie von Testkäufern der Fa. Tipico inszeniert worden war. Auch das aber ist nun vorbei: In zweiter Instanz hat das Oberlandesgericht (OLG) die Entscheidung des LG kassiert - ohne vorherige Anhörung gibt es kein Spielverbot, so die Oberlandesrichter (Urt. v. 05.08.2011, Az. 6 U 80/11).
Weniger als die erstinstanzliche Kölner Entscheidung hatte die Öffentlichkeit wahrgenommen, dass sowohl das LG München I als auch das LG Trier in zwei Parallelverfahren gegen die Landeslotteriegesellschaften anders entschieden hatten als die Richter in der Domstadt. Beide Gerichte lehnten Teilnahmeverbote für Hartz IV-Empfänger und überschuldete Personen ab. Nur das LG Oldenburg war der Auffassung des LG Köln gefolgt.
Wie alles begann: Inszenierte Testkäufe
Ins Rollen gebracht hatte den Streit der maltesische Sportwettenveranstalter Tipico Co. Ltd., ein Glücksspielanbieter, der in Deutschland kein Glücksspiel veranstalten darf. Die von ihm beauftragten Testspieler behaupten, in LOTTO-Annahmestellen einen Dialog geführt zu haben, der erkennen ließ, dass der Spieler Arbeitslosengeld II empfängt bzw. überschuldet ist. Dennoch habe das Annahmestellenpersonal die Spielaufträge entgegen genommen.
Das OLG Köln, das nun in der zweiten Instanz über das – wenn auch eingeschränkte - Verbot des Landgerichts zu entscheiden hatte, ließ in der mündlichen Verhandlung offen, ob Tipico überhaupt beweisen konnte, dass das Personal in der Annahmestellen diesen Dialog der Testspieler überhaupt wahrgenommen oder hinreichend ernst genommen habe.
Schon das LG Trier hatte in dem Parallelverfahren festgestellt, dass derartige Gesprächsinhalte nicht ausreichen, um sofort die Spielteilnahme zu untersagen oder gar Anlass dafür wären, denjenigen in die Sperrdatei aufzunehmen. Aus derart banalen Gesprächsinhalten könne nicht mit ausreichender Verlässlichkeit darauf geschlossen werden, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) erfüllt sind, so die rheinland-pfälzischen Richter.
Die Vorschrift regelt, dass die Veranstalter des Glücksspiels verpflichtet sind, Personen von der Teilnahme an diesem unter anderem dann zu sperren, wenn sie annehmen müssen, dass die Personen spielsuchtgefährdet oder überschuldet sind, ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen oder Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen oder Vermögen stehen.
OLG Köln: Kein Verbot und keine Sperre ohne Anhörung
Folgt man den Ausführungen der Kölner Berufungsrichter in der heutigen Verhandlung, gehen diese noch einen Schritt weiter: Selbst wenn man eine Wahrnehmung der Gespräche durch das Annahmestellenpersonal unterstellte, folge daraus gesetzlich weder ein sofortiges Teilnahmeverbot noch eine Pflicht des Personals der Annahmestellen, den Spieler in die Sperrdatei einzutragen, so die Kölner Richter.
Die finanzielle Situation des Spielers müsse vielmehr erst aufgeklärt und der Spieler vor einer Sperre angehört werden, führte der Senat zur Begründung seiner Entscheidung aus. Die Richter bezogen sich dabei auf § 12 Abs. 3 des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag, nach dem der Spieler in Verdachtsfällen zu melden und dann anzuhören ist, wenn er sich nicht selbst sperren wolle.
Das OLG scheint sich damit der Auffassung von Westlotto anzuschließen. Das Unternehmen hatte stets argumentiert, dass die Anhörungspflicht dem gesetzlich vorgesehenen geordneten Verfahren entspreche und allein geeignet sei, die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu wahren.
Gegen die Entscheidung des OLG Köln ist ein Rechtsmittel nicht möglich. Abzuwarten bleibt, ob die Oberlandesgerichte in München, Koblenz und Oldenburg sich der Kölner Rechtsauffassung anschließen werden.
Die Chancen hierfür stehen nicht schlecht. Denn juristisch ist entscheidend, dass es für ein sofortiges Teilnahmeverbot bei einem von einem Dritten initiierten Anfangsverdacht einer Überschuldung oder Vermögenslosigkeit keine Pflicht zur Sperre des betroffenen Spielers gibt. Das Gesetz sieht eine solche Rechtsfolge ganz bewusst nicht vor.
Der Autor Rechtsanwalt Dr. Markus Ruttig ist Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz bei CBH Rechtsanwälte in Köln. Einer seiner Schwerpunkte liegt im Glücksspielrecht. An dem Verfahren vor dem OLG Köln wie auch an denen in München und Trier war die Kanzlei CBH auf Seiten der Lotteriegesellschaften beteiligt.
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Markus Ruttig, OLG Köln: . In: Legal Tribune Online, 05.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3952 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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