So facettenreich wie der Dr. h.c. ist kein anderer akademischer Grad im wirklichen Leben. Hermann Horstkotte zu einem Urteil des OLG Hamm, das jedenfalls die Import-Titel aus Osteuropa besiegelt – auch ohne Leistung, stattdessen für viel Geld.
"Für den Erwerb der Bezeichnung Dr. h.c.", den Doktor honoris causa (Ehrendoktor), stellt beispielsweise eine Kölner Beratungsfirma 20.000 Euro in Rechnung. Das ist doppelt so viel wie für einen Fachabschluss, etwa einen solchen zum Dr. jur. Die höheren Kosten machen es dem Bewerber aber auch viel leichter. Der Vermittler erläutert auf seiner Webseite: "Für die Verleihung der Ehrendoktorwürde ist keine Prüfung vorgesehen", nicht einmal Abitur nötig. Und weiter: "Wir suchen eine Universität, die Sie ernennt, einschließlich förmlichem Verleihungsakt in Ihrer persönlichen Anwesenheit."
Das ist kein Schwindel, sondern ein umsatzsteuerpflichtiges Serviceangebot, wie es so oder so ähnlich heute zahlreiche Lobbyagenturen machen. Passend dazu das nun rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm, das kürzlich bekannt geworden ist - und solche Geschäfte besiegelt.
Im konkreten Fall hatte jemand den Ehrendoktor von der staatlichen Uni in Jassy (Rumänien) bekommen. Im Nachhinein hielt er die Vermittlungsgebühr – es ging in dem Fall um genau 17.850 Euro – für sittenwidrig, weil für den Titel keinerlei wissenschaftliche Leistung nötig gewesen sei. Im Gegensatz dazu schloss das Gericht aber nicht aus, dass es bei der Verleihung doch "jedenfalls auch" um Wissenschaft gegangen sei. Dafür bürgt die älteste Universität in Rumänien immerhin mit ihrem Namen. Wie die Richter ferner befanden, habe der frischgebackene Ehrendoktor nicht bewiesen, dass die Vermittlungsgebühr zum Teil wirklich an die Uni oder deren Bedienstete geflossen sei.
Im Ergebnis bleibe er dem Mittelsmann daher das vereinbarte Honorar schuldig. Vielleicht kann das den jungen Dr. h.c. aber jetzt trösten: Mit seinem Fall hat er der Allgemeinheit einen Weg aufgezeigt, wie wir alle nach Recht und Gesetz Ehrendoktor werden können - jedenfalls im Osten des gemeinsamen europäischen Hochschulraums.
Was ist der Ehrendoktortitel noch wert?
"In den Augen anständiger Menschen" beruhten öffentliche Titel "auf Mühen und Verdiensten" - das hat der Bundesgerichtshof (BGH) vor gut zwanzig Jahren entschieden. Das dürfte in unserem "Wertgefüge" heutzutage auch immer noch gelten. Deshalb hat der Dr. h.c. in der modernen Leistungsgesellschaft etwas Irritierendes. Denn darauf kann sich niemand selbst bewerben, vielmehr ist es immer ein einseitiger Gunsterweis, den eine Universität oder hierzulande auch eine Landesregierung nach eigenem Belieben vergibt.
Das hat oft einen schalen Beigeschmack, wie ein besonders krasses Beispiel illustriert: Wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens verlor die frühere Bildungsministerin Annette Schavan 2014 ihren Düsseldorfer Doktorhut – und wurde trotzdem noch im selben Jahr Ehrendoktorin der Uni Lübeck, weil sie das finanzielle Überleben der dortigen Medizinischen Fakultät ermöglicht habe. Als Patin, als amiga?
2/2: Anders unter Juristen
Natürlich kann man nicht alle Ehrendoktoren über einen Kamm scheren. Oft, zumal unter Juristen, sind die Begünstigten selber ausgezeichnete Leute vom Fach. Ein Musterbeispiel dafür gibt die rechtswissenschaftliche Fakultät an der Universität Rostock, die den bundesweit renommierten Strafverteidiger Gerhard Strate mit dem Dr. h.c. an sich gebunden hat. In freiwilligen Lehrveranstaltungen gibt er den Studierenden Einblick in die Rechtspraxis, wie ihn hauptberufliche Uniprofessoren so kaum bieten können. Im Übrigen schmücken sich Hochschullehrer gern untereinander mit dem Titel, auf nationalem wie internationalem Parkett. Dort gilt: Je öfter, desto besser auf der Reputationsskala ("Dr. h.c. mult.").
Doch muss der Ehrendoktor nicht unbedingt auf eigenen Leistungen in der Wissenschaft beruhen. Stattdessen kann er je nach Promotionsordnung auch mit Verdiensten eben "um" die Wissenschaft begründet werden – wie im Falle des Schauspielers Mario Adorf, der mit seiner Kunst zweifellos die Theaterwissenschaften bereicherte (Universität Mainz). So gesehen liegt für Unternehmer eine Ehrenpromotion speziell in Wirtschafts- , Natur- oder Technikwissenschaften nahe. Als beispielsweise die Universität Trier Peter Hartz, inzwischen besonders bekannt als geistiger Vater der Hartz-Gesetze, 1994 zum Dr. h.c. machte, begründete das der Laudator, ein Professor der Betriebswirtschaft, so:
"Hartz war als Hüttendirektor im Saarland für uns wichtig wegen Betriebsbesichtigungen und anderen Praxiskontakten und zumal für unsere Diplomanden, die bei ihm ihre Examensarbeiten machen konnten." Es sei doch völlig "klar, wenn man einem Nichtwissenschaftler den Ehrendoktor verleiht, dass es dabei nicht um wissenschaftliche Leistungen gehen kann." Trotzdem suchte etwa die Technische Universität Braunschweig in gewundenen Formulierungen nach Verdiensten um das gedeihliche Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft, die sich Klaus Volkert, ein gelernter Schmied und damals Weltbetriebsratsvorsitzender von VW, erworben haben soll. Er wurde zu seinem sechzigsten Geburtstag Doktor der Staatswissenschaften Ehren halber, für böse Zungen "Dr. VW h.c.".
Doktorhut für den Falschen
Natürlich gibt es auch leuchtende Gegenbeispiele, die die akademische Ehre in unserem Wertgefüge nicht so strapazieren. So ist der studierte Nachrichtentechniker und SAP-Mitbegründer Hasso Plattner einer der größten privaten Wissenschaftsförderer Deutschlands und Ehrendoktor der Unis in Saarbrücken und Potsdam. Der Hochschule in Brandenburg stiftete er vor gut zehn Jahren ein Institut für Softwaresystemtechnik, für das er bis 2020 mehr als 200 Millionen Euro ausgibt – als Mann vom Fach am Katheder wie im Kommerz, ein Vorbild für den Nachwuchs.
Beim Ehrendoktor geht es, wie Marketing-Experten sagen, nicht zuletzt um Imagetransfer - sowohl von der Hochschule auf die Auserwählten als auch umgekehrt. Da hatte die Philosophische Fakultät der Universität Rostock im Jahr 2013 einen spektakulären Einfall: Sie wollte Edward Snowden, dem flüchtigen Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA, als "bedeutendem Aufklärer des digitalen Zeitalters" einen Doktorhut ehrenhalber aufsetzen. Die Gelehrten rühmten Snowdens "zivilen Ungehorsam" und "Mut", der "einen hohen Grad an philosophisch-praktischer Reflexion erkennen" lasse.
Doch der Hochschulleitung und dem zuständigen Minister war das zu viel, sie untersagten die Verleihung. Ihrer Ansicht nach kann "die Übergabe eines Datenbestandes mit dem Ziel einer Veröffentlichung durch Medien nicht als wissenschaftliche Leistung gewertet werden." Die aber ist nach dem Wortlaut und eng gefassten Vorstellungshorizont der Promotionsordnung – anders als anderswo - zwingende Voraussetzung. Mit einer Klage dagegen, vorgetragen von der Kanzlei des früheren Bundesinnenministers Gerhart Baum, scheiterten die Philosophen vor dem Verwaltungsgericht – aber fanden für sich immerhin internationale Aufmerksamkeit.
Dass bei den meisten Verleihungen von Ehrendoktortiteln alles mit rechten Dingen zugeht, kann der Beruhigung dienen – muss es aber eben nicht. Diverse Fälle prominenter Kandidaten wie etwa Snowden, aber auch solche unscheinbarer Zeitgenossen, die sich beispielsweise in Rumänien auf den Vornamen Dr. h.c. umtaufen lassen, sind dafür zu unglaublich.
Hermann Horstkotte, Der Ehrendoktortitel: Für Könner und Gönner . In: Legal Tribune Online, 19.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26091/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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