Der Ehrendoktortitel: Für Könner und Gönner

von Hermann Horstkotte

19.12.2017

2/2: Anders unter Juristen

Natürlich kann man nicht alle Ehrendoktoren über einen Kamm scheren. Oft, zumal unter Juristen, sind die Begünstigten selber ausgezeichnete Leute vom Fach. Ein Musterbeispiel dafür gibt die rechtswissenschaftliche Fakultät an der Universität Rostock, die den bundesweit renommierten Strafverteidiger Gerhard Strate mit dem Dr. h.c. an sich gebunden hat. In freiwilligen Lehrveranstaltungen gibt er den Studierenden Einblick in die Rechtspraxis, wie ihn hauptberufliche Uniprofessoren so kaum bieten können. Im Übrigen schmücken sich Hochschullehrer gern untereinander mit dem Titel, auf nationalem wie internationalem Parkett. Dort gilt: Je öfter, desto besser auf der Reputationsskala ("Dr. h.c. mult.").

Doch muss der Ehrendoktor nicht unbedingt auf eigenen Leistungen in der Wissenschaft beruhen. Stattdessen kann er je nach Promotionsordnung auch mit Verdiensten eben "um" die Wissenschaft begründet werden – wie im Falle des Schauspielers Mario Adorf, der mit seiner Kunst zweifellos die Theaterwissenschaften bereicherte (Universität Mainz). So gesehen liegt für Unternehmer eine Ehrenpromotion speziell in Wirtschafts- , Natur- oder Technikwissenschaften nahe. Als beispielsweise die Universität Trier Peter Hartz, inzwischen besonders bekannt als geistiger Vater der Hartz-Gesetze, 1994 zum Dr. h.c. machte, begründete das der Laudator, ein Professor der Betriebswirtschaft, so:

"Hartz war als Hüttendirektor im Saarland für uns wichtig wegen Betriebsbesichtigungen und anderen Praxiskontakten und zumal für unsere Diplomanden, die bei ihm ihre Examensarbeiten machen konnten." Es sei doch völlig "klar, wenn man einem Nichtwissenschaftler den Ehrendoktor verleiht, dass es dabei nicht um wissenschaftliche Leistungen gehen kann." Trotzdem suchte etwa die Technische Universität Braunschweig in gewundenen Formulierungen nach Verdiensten um das gedeihliche Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft, die sich Klaus Volkert, ein gelernter Schmied und damals Weltbetriebsratsvorsitzender von VW, erworben haben soll. Er wurde zu seinem sechzigsten Geburtstag Doktor der Staatswissenschaften Ehren halber, für böse Zungen "Dr. VW h.c.".

Doktorhut für den Falschen

Natürlich gibt es auch leuchtende Gegenbeispiele, die die akademische Ehre in unserem Wertgefüge nicht so strapazieren. So ist der studierte Nachrichtentechniker und SAP-Mitbegründer Hasso Plattner einer der größten privaten Wissenschaftsförderer Deutschlands und Ehrendoktor der Unis in Saarbrücken und Potsdam. Der Hochschule in Brandenburg stiftete er vor gut zehn Jahren ein Institut für Softwaresystemtechnik, für das er bis 2020 mehr als 200 Millionen Euro ausgibt – als Mann vom Fach am Katheder wie im Kommerz, ein Vorbild für den Nachwuchs.

Beim Ehrendoktor geht es, wie Marketing-Experten sagen, nicht zuletzt um Imagetransfer - sowohl von der Hochschule auf die Auserwählten als auch umgekehrt. Da hatte die Philosophische Fakultät der Universität Rostock im Jahr 2013 einen spektakulären Einfall: Sie wollte Edward Snowden, dem flüchtigen Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA, als "bedeutendem Aufklärer des digitalen Zeitalters" einen Doktorhut ehrenhalber aufsetzen. Die Gelehrten rühmten Snowdens "zivilen Ungehorsam" und "Mut", der "einen hohen Grad an philosophisch-praktischer Reflexion erkennen" lasse.

Doch der Hochschulleitung und dem zuständigen Minister war das zu viel, sie untersagten die Verleihung. Ihrer Ansicht nach kann "die Übergabe eines Datenbestandes mit dem Ziel einer Veröffentlichung durch Medien nicht als wissenschaftliche Leistung gewertet werden." Die aber ist nach dem Wortlaut und eng gefassten Vorstellungshorizont der Promotionsordnung – anders als anderswo - zwingende Voraussetzung. Mit einer Klage dagegen, vorgetragen von der Kanzlei des früheren Bundesinnenministers Gerhart Baum, scheiterten die Philosophen vor dem Verwaltungsgericht – aber fanden für sich immerhin internationale Aufmerksamkeit.

Dass bei den meisten Verleihungen von Ehrendoktortiteln alles mit rechten Dingen zugeht, kann der Beruhigung dienen – muss es aber eben nicht. Diverse Fälle prominenter Kandidaten wie etwa Snowden, aber auch solche unscheinbarer Zeitgenossen, die sich beispielsweise in Rumänien auf den Vornamen Dr. h.c. umtaufen lassen, sind dafür zu unglaublich.

Zitiervorschlag

Hermann Horstkotte, Der Ehrendoktortitel: . In: Legal Tribune Online, 19.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26091 (abgerufen am: 09.10.2024 )

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