Prozessauftakt gegen Reserveoffizier: Mut­maß­li­cher Russ­land-Spion will aus­sagen

von Tanja Podolski

11.08.2022

Ein Reserveoffizier soll dem russischen Geheimdienst Informationen über die Bundeswehr und die deutsche Wirtschaft vermittelt haben. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen begann am Donnerstag der Prozess in Düsseldorf. 

Die sitzungspolizeiliche Anordnung für den Prozessauftakt in der Strafsache gegen Ralph G. ist acht Seiten lang. Immerhin geht es um geheimdienstliche Agententätigkeit für kein geringeres Land als Russland. Der Anklagte ist ein 65-Jähriger aus Erkrath, einer nicht einmal 45.000 Einwohner-Stadt an der Grenze zu Düsseldorf. Über Jahre soll der Mann dem russischen Nachrichtendienst Informationen zugespielt haben. Am Donnerstag war Prozessauftakt vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf (Az. III-6 StS 1/22) unter Leitung des Vorsitzenden Richters am OLG Jan van Lessen.  

Verhandelt wird an der Außenstelle des OLG. Umgeben von Feldern auf einem gut einsehbaren Gelände steht am Kapellweg in Düsseldorf der kolossal hässliche Gerichtsbau zwischen dem bei Familien beliebten Ortsteil Bilk und dem ländlich anmutenden Hamm. Hier tagt das OLG, sobald es um Staatsschutzfälle geht. Das ist bei dem Vorwurf der Agententätigkeit für Russland kaum in Frage zu stellen. Insgesamt 20 Verhandlungstage sind für dieses Verfahren angesetzt, der letzte ist für den 16. Dezember terminiert. 

Informationen über das Reservistenwesen an Russland 

Fest steht bisher: Der Angeklagte war Reserveoffizier. Der Generalbundesanwalt wirft ihm vor, für den russischen Militär-Nachrichtendienst GRU gegen die Bundesrepublik Deutschland und gegen die USA als NATO-Vertragsstaat tätig gewesen zu sein, § 99 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB), auch in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 4 NATO-Truppen-Schutzgesetz (NTSG). Angeklagt ist der besonders schwere Fall mit einem Strafmaß von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. 

Über 100 Seiten umfasst die Anklageschrift. An diesem Donnerstag verliest der Vertreter der Bundesanwaltschaft nur den Anklagesatz. Rund 20 Minuten dauert das.  

Danach stand Ralph G. einem Kreisverbindungskommando als stellvertretender Leiter vor. Daneben gehörte er aufgrund seiner (zivil-)beruflichen Tätigkeit mehreren Ausschüssen der deutschen Wirtschaft an, etwa der Außenwirtschaftskammer der IHK zu Düsseldorf. Diese Positionen und seine dort erhaltenen Kenntnisse soll er – so der Vorwurf – genutzt haben, um spätestens seit Oktober 2014 Informationen und Dokumente bewusst an den russischen Geheimdienst weiterzugeben.  

Inhaltlich soll es um das Reservistenwesen der Bundeswehr, die Zivil-Militärische Zusammenarbeit und die damit verbundene "Zivile Verteidigung" gegangen sein. Daneben habe er Einblicke aus dem Bereich der Wirtschaft, etwa zu den Folgen der gegen Russland im Jahr 2014 verhängten Wirtschaftssanktionen für Deutschland und die Europäische Union und zur Gaspipeline Nord-Stream-2 an die Russen geliefert, wirft ihm der Generalbundesanwalt vor.  

Doch auch Kontaktdaten von hochrangigen Angehörigen aus Bundeswehr und Wirtschaft soll der Angeklagte an den GRU weitergegeben haben.  

All das tat er offenbar aus einer Art Geltungsbedürfnis heraus, so lassen die Ausführungen von Gerd Kaiser, Vertreter des Generalbundesanwaltes, an diesem Tag vermuten. Denn die Bundesanwaltschaft konnte nie feststellen, dass Ralph G. Geld für seine Dienste erhalten hätte. Vielmehr sei er zu Veranstaltungen russischer Regierungsstellen eingeladen worden, so etwa zu einer russischen Sicherheitskonferenz.  

Bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe 

Ob sich das gelohnt hat? Zehn Jahre Haft sind das höchste mögliche Strafmaß, bisher ist der gebürtige Bremer allerdings auf freiem Fuß. Unruhig wirkte er nur vor Prozessbeginn, als er noch ohne seinen Anwalt eine gute Stunde vor Prozessbeginn über die kleine asphaltierte Straße auf- und abgeht.  

Im Saal 1 selbst steht er später scheinbar gefasst neben seinem Anwalt, lässt das Blitzlichtgewitter vor Verhandlungsbeginn über sich ergehen. Gediegen wirkt er, mit weißem Einstecktuch im dunkelblauen Zweireiher mit goldenen Knöpfen. Einen Spion stellt man sich irgendwie anders vor.

Verteidigt wird Ralph G. von dem Koblenzer Anwalt Christopher Hilgert, Partner von Kunz Rechtsanwälte. Der Fachanwalt für Strafrecht ist Vertragsanwalt des Deutschen Bundeswehr Verbandes DBwV e.V. Dieser verteidigt als solcher auch Beamte und Soldaten in allen Bereichen des Disziplinar- und Wehrdisziplinarrechts – und wenn nötig offenbar auch im Strafrecht. Ob der Verband allerdings in dieses Verfahren involviert ist, ist nicht bekannt: Aus Datenschutzgründen wollte er LTO keine Antworten geben. Auch der Anwalt gab keine Stellungnahme ab. 

Das hat allerdings der Angeklagte vor. Anwalt Hilgert erklärte, sein Mandant sei bereit, zur Person und zur Sache auszusagen. Es habe in der Vergangenheit Hinderungsgründe gegeben, die er im nächsten Termin mitteilen wolle.  

Bis dahin hat der Vorsitzende Richter die Verhandlung nun unterbrochen. Weiter geht es am 1. September. 

Zitiervorschlag

Prozessauftakt gegen Reserveoffizier: Mutmaßlicher Russland-Spion will aussagen . In: Legal Tribune Online, 11.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49293/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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