Ausschlussklauseln im Arbeitsvertrag dürfen ab 1. Oktober maximal Textform vorschreiben. Jacek Kielkowski über die Auswirkung einer eher versteckten Änderung des AGB-Rechts für das Arbeitsrecht: auf neue Verträge und alte Klauseln.
Fast jeder Standard-Arbeitsvertrag enthält Ausschlussklauseln. Diese sehen vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag zum Beispiel auf Abgeltung von Überstunden, Freizeitausgleich oder etwa variable Vergütung innerhalb einer festgelegten Ausschlussfrist geltend gemacht werden müssen.
Geschieht dies nicht, verfallen die Ansprüche unwiederbringlich. Üblicherweise sehen Arbeitsverträge vor, dass diese schriftlich geltend gemacht werden müssen. Klar ist dabei, dass etwa das bloße Gespräch mit dem Arbeitgeber nicht ausreicht, um einen Verfall zu verhindern.
Schriftform als Textform
Nach den derzeit noch aktuellen Vorschriften zur Klauselkontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist eine solche Beschränkung auf die Schriftform zulässig. § 309 Nr. 13 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verbietet grundsätzlich nur solche Formerschwernisse, die für Anzeigen oder Erklärungen gegenüber dem Verwender oder Dritten eine strengere Form als die Schriftform vorsehen.
Das Schriftformerfordernis bedeutet aber nicht, dass Ansprüche ausschließlich durch eine handschriftliche Unterzeichnung auf einer Urkunde geltend gemacht werden könnten. Weil es sich nicht um eine gesetzliche, sondern nur um eine zwischen den Parteien vereinbarte Schriftform handelt, gelten die weniger strengen Vorschriften des § 127 BGB.
Deshalb reicht es im Zweifel bereits aus, dass Arbeitnehmer Ansprüche mittels telekommunikativer Übermittlung per E-Mail oder Fax (§ 127 Abs. 2 BGB) geltend machen. Obwohl der Vertrag das als Schriftform bezeichnet, genügt nach aktueller Rechtslage also auch schon die Textform.
Arbeitsverträge ab 1. Oktober 2016: maximal Textform
Weil das aber vielen Verbrauchern nicht bekannt sei, hat sich der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts zur Neufassung des § 309 Nr. 13 BGB entschieden. Die Vorschrift verbietet nun für Schuldverhältnisse solche Formerfordernisse, die für Anzeigen oder Erklärungen eine strengere Form als die Textform vorsehen.
Zukünftig ist daher in AGB grundsätzlich maximal die Textform zulässig. Ausschlussklauseln mit den üblichen Schriftformerfordernissen werden ab dem 1. Oktober 2016 einer AGB-Kontrolle also nicht mehr standhalten und zukünftig unwirksam sein. Ihren Inhalt auf das gerade noch Zulässige zu reduzieren, schließt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion aus.
Vertragsmuster müssen deshalb rasch angepasst werden – sonst können ab dem 1. Oktober eingestellte Arbeitnehmer Ansprüche im Zweifel unbegrenzt lange geltend machen.
2/2: Bleibt alles anders bei alten Arbeitsverträgen
Da die Neuregelung grundsätzlich nur auf Verträge anzuwenden ist, die nach dem 30. September 2016 entstehen (§ 37 zu Art. 229 EGBGB), gilt diese Vorgabe nur – aber eben auch – für alle ab dem 1. Oktober 2016 abgeschlossenen Arbeitsverträge. Zuvor abgeschlossene Kontrakte dürfen grundsätzlich weiterhin eine schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen und Rechten fordern. Aber auch bei Altverträgen kann Anpassungsbedarf entstehen. Werden diese nachträglich verändert, könnten Gerichte davon ausgehen, dass das Schuldverhältnis, jedenfalls aber die Ausschlussfrist, neu abgeschlossen wurde.
Da die Grenze zwischen einer bloßen (zulässigen) Änderung und einem Neuabschluss nicht immer leicht zu ziehen ist, ist die Gefahr groß, dass die verwendeten Ausschlussklauseln quasi durch die Hintertür unwirksam werden könnten. Bei der Änderung solcher Altverträge sollte deshalb klargestellt werden, welche Klauseln in die Anpassung einbezogen werden und welche nicht.
Tarifvertragliche Ausschlussklauseln: Entwarnung – fast
Deutlich entspannter sieht die Sache bei Tarifverträgen aus. Tarifliche Ausschlussklauseln wird die Gesetzesänderung grundsätzlich nicht berühren. Tarifverträge sind - eine Besonderheit des Arbeitsrechts - einer AGB-Kontrolle entzogen (§ 310 Abs. 4 BGB). Dies gilt generell unabhängig davon, ob der einschlägige Tarifvertrag kraft Mitgliedschaft in der Gewerkschaft normativ oder aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme gilt.
Aber es gibt eine Ausnahme: Nimmt der Arbeitsvertrag nur auf Teile eines Tarifvertrages Bezug, liegt kein in sich abgeschlossener Regelungskomplex vor, in den durch eine AGB-Prüfung eingegriffen wird. Die Folge: Die in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussklauseln wären nicht zulässig und daher unwirksam.
Gleiches dürfte gelten, wenn vollständig auf Tarifverträge Bezug genommen wird, obwohl diese sachlich nicht einschlägig sind. Hier hilft zukünftig nur eine eigenständige gesetzeskonforme Ausschlussfristenregelung im Arbeitsvertrag selbst.
Was ist mit doppelten Schriftformklauseln?
Noch nicht abschließend geklärt ist die Rechtslage bei sog. doppelten Schriftformklauseln. Legen solche Regelungen, die sowohl für Vertragsänderungen als auch für die Aufhebung der Schriftformklauseln selbst die Schriftform vorsehen, gleichzeitig fest, dass individuelle Vereinbarungen Vorrang haben, verhindern sie eine betriebliche Übung. Arbeitnehmer können dann, auch wenn der Arbeitgeber mehrfach freiwillig Leistungen gewährt hat, daraus für die Zukunft keine Ansprüche ableiten.
Obwohl gute Argumente dafür sprechen, dass sich die Gesetzesänderung auf die doppelten Schriftformklauseln nicht auswirken wird, sollte zur Vermeidung von Risiken im Zweifel schon jetzt in Arbeitsverträge aufgenommen werden, dass etwaige vertragliche Änderungen oder Ergänzungen (nur) der Textform bedürfen. Sicher ist sicher.
Der Autor Dr. Jacek B. Kielkowski, LL.M. ist Rechtsanwalt bei Noerr LLP in Frankfurt. Er berät Unternehmen im Individual- und Kollektivarbeitsrecht, insbesondere im Rahmen von Umstrukturie-rungen und im Bereich Compliance.
Dr. Jacek B. Kielkowski, LL. M., Neue Formvorgaben für Arbeitsverträge: Augen auf bei Ausschlussklauseln . In: Legal Tribune Online, 05.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20225/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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