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NRW plant Verbandsklage: Tiere bekommen eine Stimme

Sven Tillenburg-Gumpert

30.06.2011

Massentierhaltung

© Guido Thomasi - Fotolia.com

Im Herbst wird der Düsseldorfer Landtag voraussichtlich ein Gesetz verabschieden, wonach Tierschützer auch vor Gericht für die Rechte von Tieren eintreten können. NRW ist damit das zweite Bundesland, das das Staatsziel Tierschutz in eine verbindliche Form gießt. Ein wichtiger Schritt, denn die aktuellen Instrumente reichen bei weitem nicht aus, meint Sven Tillenburg-Gumpert.

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Was für die alte Buche im Naturschutz nach § 64 des Bundesnaturschutzgesetzes bereits seit 2002 möglich ist, sucht man im Tierschutz noch vergebens – die Möglichkeit nämlich, sich auch gerichtlich für die Interessen von Tieren zu stark machen.

Im Bereich des Tierschutzes können entsprechende Vereine bislang grundsätzlich noch nicht gegen behördliche Entscheidungen im Anwendungsbereich des Tierschutzgesetzes (TierSchG) klagen. Dies liegt daran, dass Sie selbst nicht die Betroffenen sind; es fehlt ihnen an der erforderlichen Klagebefugnis.

Bei den Tierhaltern sieht dies naturgemäß anders aus. Ergeht ihm gegenüber zum Beispiel eine Anordnung, durch die das Wohl des Tieres sichergestellt werden soll, kann er sich dagegen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Adressat der Verfügung zur Wehr setzen. Oft hat der Tierhalter darüber hinaus noch die Möglichkeit, die anordende Behörde vor den ordentlichen Gerichten auf Entschädigung zu verklagen.

Behörden müssen bei Anordnungen keine gerichtliche Kontrolle fürchten

Daraus ergibt sich die Situation, dass die Behörde sich nicht nur manchmal über Jahre hinweg und durch die verwaltungsgerichtlichen Instanzen mit dem Tierhalter auseinandersetzen muss; darüber hinaus läuft sie auch noch Gefahr, zur Zahlung von mitunter nicht unerheblichen Summen verurteilt zu werden. Eine Situation, die auch dem kundigsten Veterinärbeamten durchaus den Schweiß auf die Stirn treiben kann.

Auf der Gegenseite sieht es da schon deutlich entspannter aus: Erteilt die Behörde einem beantragten Vorhaben die Genehmigung oder unterlässt eine Anordnung, die zum Wohle des Tieres eigentlich notwendig wäre, muss sie derzeit nicht fürchten, dass ihr dabei ein Gericht auf die Finger schauen könnte.

Die Betroffenen sind nämlich die Tiere, und diesen fehlt es an der für einen entsprechenden Rechtsbehelf notwendigen Rechtsfähigkeit. Sie können naturgemäß nicht selbst klagen.

Kein effektiver Schutz durch Kommissionen und das Strafrecht

Zwar ist den Tierschutzverbänden bereits jetzt eine gewisse Mitwirkung im Tierschutz durch die Bildung entsprechender Kommissionen eingeräumt. Diese Gremien haben jedoch nur beratende Funktion.

Auch die Möglichkeit, im Falle einer tierquälerischen Haltung Strafanzeige zu erstatten reicht nicht aus, um dieses juristische Ungleichgewicht zu beseitigen. Denn zum einen sind nicht alle Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften strafbewehrt, und zum anderen kann mit dem Strafrecht nur in besonders extremen Fällen dem Halter zu Leibe gerückt werden.

Es ist deshalb notwendig, denjenigen ein Klagerecht einzuräumen, die sich als Treuhänder der Rechte von Tieren verstehen: den Tierschutzorganisationen. Eine entsprechende bundesrechtliche Vorschrift wie eingangs erwähnt im Umwelt- und Naturschutzbereich sucht man jedoch vergebens.

NRW will über Bremer Pionierarbeit hinausgehen

Dieses Vakuum im Bundesrecht hat Bremen im Jahr 2007 als erstes Bundesland mit der Verabschiedung eines entsprechenden Verbandsklagerechtes gefüllt. Allerdings ist die Klagebefugnis hier auf die Feststellung beschränkt, dass Behörden gegen Vorschriften des TierSchG verstoßen oder verstoßen haben.

Darüber soll in Nordrhein-Westfalen nun deutlich hinausgegangen werden: Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem anerkannten Tierschutzvereinen ein Klagerecht gegen Erlaubnisse zum Schächten (§ 4a Abs.2 Nr. 2 TierSchG), zum Kürzen von Hühnerschnäbeln und Rinderschwänzen (§ 6 Abs.3 TierSchG), sowie zur gewerblichen Tierhaltung (§ 11 Abs.1 TierSchG) und gegen Genehmigungen für Tierversuche (§8 Abs.1 TierSchG) zugebilligt wird.

Auch sollen zusätzliche Mitwirkungsrechte dazu beitragen, dass Tierschutzvereine frühzeitig zum Entwurf von Rechtsvorschriften oder im Vorfeld von Genehmigungen Stellung beziehen können.

Die Anhörung der kommunalen Spitzenverbände im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ist bereits angelaufen. Der Landtag in Düsseldorf wird dann spätestens im Herbst über den Gesetzesentwurf abstimmen.

Der Autor Sven Tillenburg-Gumpert ist Jurist und als Referent bei der nordrheinwestfälischen Landesregierung tätig.

 

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Sven Tillenburg-Gumpert, NRW plant Verbandsklage: Tiere bekommen eine Stimme . In: Legal Tribune Online, 30.06.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3623/ (abgerufen am: 07.03.2021 )

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