Ausgeweitete Verbandsklagen: Novelle des UmwRG: Ein bes­seres Werk­zeug für die Anwälte der Natur?

von Prof. Dr. Sabine Schlacke

17.10.2016

2/2: Verbände werden weitreichender prüfen lassen können

§ 1 UmwRG-E wird erheblich erweitert: Danach können nach § 3 UmwRG aner-kannte Umweltverbände nunmehr etwa auch Pläne und Programme, wie etwa Luftreinhaltepläne der Kommunen, gerichtlich überprüfen lassen. Allerdings werden andere umweltrelevante Pläne – nach wie vor völkerrechtswidrig – aus dem Katalog ausgenommen, so etwa die Bundesfachplanung nach § 15 Abs. 3 S. 2 Netzausbaubeschleunigungsgesetz, der Bundesfachplan Offshore oder die Verkehrswegeplanung auf Bundesebene (vgl. Änderung des § 19b UVPG, BR-Drs. 422/16, S. 8). Auch sind umweltbezogene Verordnungen wie Flugrouten-festlegungen oder Naturschutzgebietsverordnungen nach der Entwurfsfassung nicht umweltrechtsbehelfsfähig.

Der Gesetzentwurf streicht außerdem materielle Präklusionsvorschriften, derzeit noch in § 2 Abs. 3 UmwRG, § 73 Abs. 4 S. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) zu finden. Eine derartige Verwirkung der Einwendungsbefugnis im gerichtlichen Verfahren erkannte der EuGH in der Rechtssache C-137/14 zu Recht als unionsrechtswidrig. § 5 UmwRG-E enthält indes eine Ausnahme, die auch der EuGH zuließ: Ein Rechtsbehelfsführer verliert seine Einwendungsbefugnis im gerichtlichen Verfahren, wenn er sich vorprozessual missbräuchlich oder unredlich verhalten hat. Was genau "missbräuchliches" oder "unredliches" vorprozessuales Verhalten ist, hat zukünftig die Rechtsprechung zu klären. Dies birgt erneut die Gefahr, dass eine zu enge Auslegung zu unions- und völkerrechtswidrigen Judikaten führt.

Heilungsmöglichkeiten bei materiellen Rechtsverstößen ausgeweitet

§ 7 Abs. 5 UmwRG-E sieht eine Heilung von Verletzungen materieller Rechts-vorschriften durch Entscheidungsergänzung oder durch ein ergänzendes Ver-fahren vor. Bislang findet die Möglichkeit der Heilung von materiellen Rechts-verletzungen im umweltbezogenen Fachrecht Anwendung, nämlich bei Planfeststellungen, die mit einer Abwägungsentscheidung, dem Planfeststellungsbeschluss, enden (vgl. § 75 Abs. 1a VwVfG). Nach dem Gesetzentwurf werden nunmehr neuartig auch gebundene Entscheidungen, wie die immissionsschutz-rechtliche Genehmigung, von dieser Heilungsmöglichkeit erfasst. Die Vorschrift stellt einen Systembruch für das deutsche Verwaltungsrecht dar und sollte aufgegeben werden.

Insgesamt wird mit der Novelle des UmwRG der Umfang sonderverfahrens- und -prozessrechtlicher Vorschriften erheblich erweitert. Die Verortung dieser Anpassung im sektoralen Umweltrecht dürfte der Bedeutung dieser Vorschriften in der Praxis aber nicht gerecht werden.

Das nur schrittweise Vorgehen des Gesetzgebers eröffnet überdies zu wenig Spielraum für völker- und europarechtskonforme Interpretation. Wie angedeutet werden weitere Anpassungen an das Völker- und Unionsrecht erforderlich sein.

Die Autorin Prof. Dr. Sabine Schlacke ist Direktorin des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.

Zitiervorschlag

Prof. Dr. Sabine Schlacke, Ausgeweitete Verbandsklagen: Novelle des UmwRG: Ein besseres Werkzeug für die Anwälte der Natur? . In: Legal Tribune Online, 17.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20845/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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