Fahrverbot nach Einsatzfahrt: 'Freispruch' für den bayerischen Notarzt?

von Adolf Rebler, Dr. jur.

09.02.2015

Rücksichtnahme – gilt für alle

Auch Fahrer von Einsatzfahrzeugen müssen darauf achten, dass bei der Einsatzfahrt keine anderen Verkehrsteilnehmer zu Schaden kommen. Wenn sie Sonderrechte in Anspruch nehmen und  von den Bestimmungen der StVO abweichen dürfen, müssen sie bei ihrer Fahrweise berücksichtigen, dass die Abweichungen von den allgemeinen Vorschriften eine erhöhte Unfallgefahr für andere Straßenbenutzer begründen.

Sie müssen die Inanspruchnahme von Sonderrechten deshalb durch besondere Vorsicht ausgleichen. Und sie müssen umso vorsichtiger sein, je weiter sie  sich über die sonst geltenden Verkehrsvorschriften hinwegsetzen. 

Dennoch bleibt es dabei, dass primär alle Verkehrsteilnehmer dem Einsatzfahrzeug sofort freie Bahn schaffen müssen. Blaues Blinklicht und das Martinshorn bedeuten für sie, dass es alleinige Richtschnur für ihr Verhalten sein muss, eine Behinderung des Wegerechts-Fahrzeugs auszuschließen.  Sobald ein Verkehrsteilnehmer ein Einsatzhorn - wenn auch nur schwach - hört oder den Schimmer eines Blaulichts sieht und mithin weiß, dass in seinem Umfeld ein Wegerechts-Fahrzeug im Einsatz ist, hat er seine Fahrweise hierauf einzurichten (OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.11.1991, Az. 1 U 135/90).

Rücksichtslos auch mit Blaulicht?

Nach § 315c Abs. 1 Nr. 2 b StGB macht sich strafbar, wer im Straßenverkehr grob verkehrswidrig und rücksichtslos falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt, wenn dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden.

Diese Vorschrift ist recht weit und erfasst jegliches verkehrswidrige Verhalten beim Überholen. Auf subjektiver Ebene setzt sie aber auch rücksichtsloses Verhalten voraus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt rücksichtslos, wer sich als Fahrer zwar seiner Pflicht bewusst ist, sich aber aus eigenmächtigen Gründen, etwa seines ungehinderten Fortkommens wegen, über sie hinwegsetzt, oder sich aus Gleichgültigkeit nicht auf seine Pflichten besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise erst gar nicht aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens einfach drauf los fährt.

Ob dies für einen Arzt, der als  Teil des Rettungsdienstes zur Hilfeleistung in Notfällen gesetzlich verpflichtet ist, bei Einsatzfahrten überhaupt zutreffen kann, darf man bezweifeln. Die Rechtsprechung ist zwar nicht der Ansicht, dass "anerkennenswerte" oder "verständliche" Motive des Täters einem rücksichtslosen Verhalten entgegenstehen können. Richtigerweise geht aber die herrschende Meinung in der Literatur davon aus, dass bei einem Rettungseinsatz die Befreiung von den Vorschriften der StVO gem. § 35 StVO und das Wegerecht nach § 38 StVO ein tatbestandsmäßiges Handeln unmöglich machen, eine Strafbarkeit wegen Verkehrsgefährdung also ausscheidet.

Den tausenden Unterzeichnern der Online-Petition dürfte das gefallen. Von dem Zuspruch zeigte sich der Notarzt tief beeindruckt. "Es ist überwältigend", sagte er in einem Interview des "Donaukurier" vom Samstag. "Das geht ja quer durch die ganze Bundesrepublik. Und wenn Dortmunder einen Bayern stützen, dann will das schon was heißen".

Sollte sich aber der bayerische Staatsanwalt mit seiner Meinung durchsetzen, droht dem Lebensretter  nicht nur ein - strafrechtliches- sechsmonatiges Fahrverbot (§ 44 StGB), sondern darüber hinaus auch die verwaltungsrechtliche Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnisverordnung. Ob dies jemanden ermuntern kann, in Zukunft den entbehrungsreichen Dienst als Notarzt anzustreben, mag sich jeder selbst beantworten. Das wird, spätestens angesichts der medialen Aufmerksamkeit des Falles, sicherlich auch der Generalstaatsanwalt tun.

Der Autor Dr. Adolf Rebler ist Regierungsamtsrat der Regierung der Oberpfalz in Regensburg. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen insbesondere zum Verkehrsrecht.

Mit Materialien von dpa.

Zitiervorschlag

Adolf Rebler, Fahrverbot nach Einsatzfahrt: 'Freispruch' für den bayerischen Notarzt? . In: Legal Tribune Online, 09.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14632/ (abgerufen am: 29.03.2024 )

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