Die Bundesregierung hat sich an einer Neuregelung versucht, um die Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften wieder zwischen Verlagen und Autoren aufzuteilen. Helfen könne den Verlagen letztlich aber nur die EU, erklärt Pia Sökeland.
Jahrzehntelange war es die auch von den Autoren überwiegend akzeptierte Praxis der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort, pauschale Verlegerbeteiligungen auszuschütten. Im April 2016 machte das Vogel-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) damit Schluss: Die VG Wort schüttet seitdem nicht mehr an Verlage aus und hat bereits erfolgte Ausschüttungen in Millionenhöhe zurückgefordert – mit teils dramatischen Folgen für die Verlagsbranche.
Der Bundestag hat nun am 15. Dezember als Teil des "Gesetz zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung" eine gesetzliche Neuregelung verabschiedet. Diese soll die fortgesetzte Zusammenarbeit von Urhebern und Verlagen in der VG Wort sichern. Die bisherige Ausschüttungspraxis der Verwertungsgesellschaften kann sie aber nur bedingt wiederherstellen.
Geändert wurden §§ 27, 27a Verwertungsgesellschaftsgesetz (VGG). Diese regeln eine Beteiligung von Verlagen an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften. Nach der abschließenden Behandlung durch den Bundesrat am 16. Dezember treten die Neuregelungen am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Rechtssache Vogel gegen VG Wort
Notwendig gemacht hatte das Handeln des Gesetzgebers das Urteil des BGH in Sachen Vogel gegen VG Wort vom 21.04.2016 (Az. I ZR 198/13). Mit diesem hatte der BGH entschieden, dass die VG Wort sowohl rückwirkend als auch zukünftig nicht berechtigt war und ist, einen pauschalen Anteil ihrer Einnahmen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen wie Bibliotheks- und Kopiergeräteherstellerabgaben an Verlage auszuschütten.
Als Hauptgrund führte der BGH an, dass den Verlagen nach dem Urhebergesetz keine eigenen Rechte oder Ansprüche zustehen, die sie der VG Wort zur Wahrnehmung übertragen könnten. Auch nehme die VG Wort keine den Verlegern von den Urhebern eingeräumten Rechte oder abgetretenen Ansprüche wahr, die die vorgesehene pauschale Beteiligung der Verleger begründen könnten. Insbesondere könnten die Verlage sich nicht auf etwaige Vorausabtretungen in Autorenverträgen berufen, da diese unwirksam seien.
Der BGH bezieht sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 12.11.2015, Az. C-572/13). Dort hatte der EuGH geurteilt, Verlage seien keine originären Inhaber von Vervielfältigungsrechten, also keine "Rechteinhaber" i.S.d. europäischen InfoSoc-Richtlinie (2001/29/EG). Dementsprechend seien sie auch nicht an den von Verwertungsgesellschaften vereinnahmten Nutzungsvergütungen zu beteiligen.
Unter Berufung auf BGH und EuGH sprach das Kammergericht Berlin (Urt. v. 14.11.2016, Az. 24 U 96/14) auch der Gema das Recht ab, Verlegerbeteiligungen pauschal auszuschütten. Die jüngste Rechtsprechung betrifft mithin sämtliche Verwertungsgesellschaften, die pauschale Ausschüttungen an Verlage vornehmen.
2/2: Rückforderungen in Millionenhöhe
In Folge der Urteile hat die VG Wort bereits Ausschüttungen in Millionenhöhe von den Verlagen zurückgefordert, was insbesondere kleinere und mittlere Verlage erheblich belastet und teilweise vor existenzielle Probleme stellt. Die VG Wort hat in ihrer außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 26. November 2016 zwar ein kollektives Verrechnungsverfahren verabschiedet, wonach Urheber ihre auf den Rückzahlungen der Verlage basierenden zusätzlichen Ausschüttungsansprüche an ihre Verlage abtreten können. Ob die finanziellen Belastungen für die Verlage hierdurch jedoch nennenswert reduziert werden, wird sich erst nach Abschluss des Verfahrens zeigen, das für Ende Februar 2017 geplant ist. In welchem Umfang die Urheber entsprechende freiwillige Abtretungserklärungen zugunsten ihrer Verlage abgeben werden, lässt sich nicht prognostizieren.
Die Rückforderungen der VG Wort sind das eine. Nach dem Vogel-Urteil kann die VG Wort auf Basis der bisherigen Gesetzeslage aber auch in Zukunft keine pauschalen Verlegerbeteiligungen ausschütten. Damit sind für die Verlage teilweise existentielle Einnahmen vollständig entfallen.
Dieses Problem hat auch der Gesetzgeber erkannt und – unter Verweis auf die bedeutenden verlegerischen Leistungen – bereits unmittelbar nach dem Vogel-Urteil einen Gesetzesentwurf zur Regelung einer Verlegerbeteiligung vorgelegt. Dieser wurde nunmehr in leicht geänderter Fassung verabschiedet.
Einschränkung des Prioritätsprinzips
Nach dem neuen § 27 Abs. 2 VGG kann eine Verwertungsgesellschaft, die Rechte für mehrere Rechteinhaber gemeinsam wahrnimmt, im Verteilungsplan regeln, dass die Einnahmen aus der Wahrnehmung dieser Rechte nach festen Anteilen verteilt werden, und zwar unabhängig davon, wer die Rechte eingebracht hat. Damit soll ein rechtliches Hindernis beseitigt werden, auf das im Fall Vogel gegen VG Wort insbesondere die Instanzgerichte verwiesen hatten: der für Abtretungen geltende Prioritätsgrundsatz. Nach diesem ginge die frühere Verfügung – also die Abtretung der Vergütungsansprüche an die VG Wort, einer späteren – der im mit dem Verlag geschlossenen Verlagsvertrag – vor.
Mit der Neuregelung können künftig jedoch Ausschüttungen an Verlage auch dann vorgenommen werden, wenn der Abtretung an den Verlag der Abschluss eines Wahrnehmungsvertrages vorausgegangen ist und der Urheber damit die jeweiligen Rechte der Verwertungsgesellschaft eingeräumt hat. Der Prioritätsgrundsatz wird durch die Neuregelung insofern für nicht anwendbar erklärt.
Verteilungsschlüssel und Willkürverbot
Auch künftig bleibt es jedoch dabei, dass nach festen Anteilen an Verlage und VG Wort ausgeschüttet wird – einst waren Verlagsanteile von bis zu 50 Prozent vorgesehen. Es stellt sich allerdings die Frage, wie dies in Verteilungsplänen tatsächlich wirksam geregelt werden kann. Der BGH hat pauschalen Verlegerbeteiligungen unter Verweis auf das Willkürverbot (jetzt § 27 Abs. 1 VGG) schließlich eine ausdrückliche Absage erteilt.
Der neue § 27a VGG regelt, dass der Urheber nach der Veröffentlichung eines verlegten Werks oder mit der Anmeldung eines Werkes bei der VG dieser gegenüber zustimmen kann, dass der Verleger an den Einnahmen der VG aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen beteiligt wird.
Voraussetzung einer Verlegerbeteiligung nach § 27a VGG ist damit, dass der Urheber gegenüber der VG freiwillig mitwirkt – und zwar bezogen auf ein konkretes Werk, nachdem dieses bereits von den Verlagen kalkuliert und sogar veröffentlicht ist. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels verweist in seiner Stellungnahme zur Neuregelung daher nachvollziehbar darauf, dass den Verlagen damit bei Abschluss eines Verlagsvertrages weiterhin Planungssicherheit und Kalkulationsgrundlage fehlen.
Regelung nur durch EU
Mit der Neuregelung hat der deutsche Gesetzgeber ein klares Bekenntnis zur Verlegerbeteiligung abgegeben. Er war aber laut der Gesetzesbegründung gleichzeitig bestrebt, eine Kollision mit europarechtlichen Vorgaben zu vermeiden. Die Neuregelung ermöglicht daher lediglich eine Verlegerbeteiligung, die auf der freiwilligen Mitwirkung der Urheber nach Erscheinen einzelner Werke beruht. Dies kann für die Verlage ein hilfreicher erster Schritt sein.
Die bisherige Ausschüttungspraxis wird sich so kaum wiederherstellen lassen. Dazu müsste eine Verlegerbeteiligung im europäischen Recht verankert sein. Ein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission für eine Regelung in Art. 12 der Richtlinie über das Urheberrecht im Digitalen Binnenmarkt (DSM-RL) liegt seit September 2016 vor. Ob die DSM-RL wie angekündigt bis Ende des kommenden Jahres verabschiedet und anschließend zeitnah in deutsches Recht umgesetzt werden wird, ist allerdings noch nicht ausgemacht.
Pia Sökeland ist Rechtsanwältin bei SKW Schwarz Rechtsanwälte in München.
Pia Sökeland, Neuregelung zur Ausschüttung von Einnahmen der Verwertungsgesellschaften: Bekenntnis zur Verlegerbeteiligung . In: Legal Tribune Online, 20.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21523/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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