Manches war schon durchgesickert, am Dienstag stellte Peter Raumsauer die Eckpunkte für die Neuregelung des Verkehrszentralregisters vor. Von Reform zu reden, scheint untertrieben, meint der Präsident des Verkehrsgerichtstags. Kay Nehm über das grundlegend neue System, den Punktetacho und den schwierigen Übergang vom Verkehrszentral- zum Fahreignungsregister.
Nein, das sind weiß Gott keine Kleinigkeiten, die der Verkehrsminister in den Eckpunkten für die Neuregelung des Verkehrszentralregisters am Dienstag in Berlin präsentierte. Wieder einmal haben Empfehlungen des Deutschen Verkehrsgerichtstages (VGT) wichtige Impulse zur Verbesserung des Verkehrsrechts gegeben. Die "Probleme mit den Punkten"- so der Arbeitstitel auf dem 47. VGT 2009 - sind nicht zu übersehen. Unklarheit, Unübersichtlichkeit und Ungereimtheit erschweren nicht nur den Betroffenen Einsicht und Verständnis. Selbst rechtskundigen Beratern fällt es mitunter schwer, bei Tilgungsfrist, Tilgungshemmung und Überliegefrist den Durchblick zu behalten.
Nur wer das System versteht, weiß dessen Tücken zu nutzen, um Mehrfachtäter vor dem drohenden Verlust der Fahrerlaubnis zu bewahren. So war es keine Überraschung, dass der VGT die Vereinfachung des Punktsystems, den Verzicht auf Tilgungshemmung und Überliegefristen und eine bessere Unterrichtung des Betroffenen empfahl.
Bei aller Kritik an der bisherigen Systematik, eines muss man dem Flensburger Sündenregister lassen: Es verbreitete Angst und Schrecken. So wird die alltägliche Auseinandersetzung mit Bußgeldstellen und Gerichten nur selten von der Höhe des Bußgeldes bestimmt, sondern im Wesentlichen geht es um den Kampf um Fahrverbot und Punkte. Am Ziel der Reform gibt es nichts zu deuteln: Die Verkehrssicherheit zu erhöhen und ungeeignete oder unbelehrbare Fahrzeugführer vom Straßenverkehr fernzuhalten, muss oberste Priorität haben. Entscheidend wird sein, ob die bisherige erzieherische Wirkung des Registers erhalten bleibt.
Fahrertypen, Punktetachos und vermeintliche Bagatellen
Die Eckpunkte des Ministers müssen sich daran messen lassen, ob es ihnen gelingt, drei Gruppen von Verkehrssündern zu unterscheiden und differenziert zu behandeln: Zunächst gilt es, Bagatellen ohne Bezug zur Verkehrssicherheit aus dem System zu entfernen. Zweitens soll das Register diejenigen, die aus Unachtsamkeit oder Überforderung einen Verkehrsverstoß begangen haben, in gestaffelter Form an ihre Pflichten als Fahrzeugführer erinnern. Auf der dritten Stufe müssen die notorischen unbelehrbaren Verkehrssünder möglichst frühzeitig und sicher erkannt werden, um sie von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr auszuschließen.
Augenfällig ist das Bemühen des Verkehrsministeriums um klare, verständliche Regeln. Der Punkte-Tacho mit seinen ampelfarbenen Bewertungsstufen ist nicht nur werbewirksam. Die auch optische Kategorisierung in Vormerkung (grüner Bereich, 1-3 Punkte), Ermahnung (gelber Bereich, 4-5 Punkte), Verwarnung (roter Bereich, 6-7 Punkte) und schließlich den Entzug (schwarzer Bereich, 8 Punkte) führt dem Kraftfahrer unmissverständlich vor Augen, was ein bewusst eingegangenes Risiko künftig kosten wird. Allein dies lässt eine gesteigerte Sorgfalt der Verkehrsteilnehmer erwarten.
Kritischer ist die Reduzierung auf zwei Punktekategorien. Zukünftig sollen schwere Verstöße mit einem, besonders schwere Verstöße mit zwei Punkten geahndet werden. Betrachtet man das alltägliche Verkehrsgeschehen, untergraben aber häufig gerade die schlichten, gewohnheitsmäßigen Verhaltsweisen die Verkehrsmoral dauerhaft. Wer grundsätzlich das Blinken vergisst oder wem das Ausfahren der zulässigen Geschwindigkeit bis zur Punktegrenze zum Bedürfnis geworden ist, sollte sich nicht auch noch ermutigt fühlen.
Auch wenn der Ausschluss von Bagatellen dem System erst die notwendige Prägnanz und Praktikabilität verleiht, muss darüber nachgedacht werden, auch diese im künftigen Register zu berücksichtigen. Zu erwägen wäre eine zusätzliche Bagatellstufe. Dann könnte die Überschreitung einer gewissen Anzahl solcher Bagatellverstöße zum Eintrag in das neue Register führen. Im Übrigen bleibt abzuwarten, nach welchen Kriterien die Einstufung und die Grenzziehung zwischen einfachen, schweren und besonders schweren Verstößen vorgenommen werden wird.
Keine Punkterabatte und klare Tilgungsregeln
Der Fortfall des Punkterabatts bei Teilnahme an einem Verkehrssicherheitsseminar wird nicht nur mittelbar der Verkehrssicherheit dienen. Es sind in der Regel gerade die notorischen Verkehrssünder, die mit solchen Seminaren ihr Punktekonto reduzierten, ohne ihr Verhalten nachhaltig zu verändern.
Die vorgesehenen klaren Tilgungsregeln werden auch der Verwaltung und Justiz zugute kommen. Bemisst sich die Tilgung nach dem Tag des Verstoßes, sind Verfahrenstricks und Verfahrensverschleppungen nutzlos. Auch wenn über die Dauer der Fristen gestritten werden mag, werden die Betroffenen künftig selbst errechnen können, wann Tilgungsreife zu erwarten ist.
Besonders wichtig wird die Gestaltung des Übergangs vom Verkehrszentralregister zum künftigen Fahreignungsregister sein. Am einfachsten zu handhaben wäre zweifellos der Beginn beim Kontostand Null. Auch wenn eine Generalamnestie im Interesse der Verkehrssicherheit nicht in Betracht kommen kann, bleibt die Frage, ob wirklich der gesamte Altbestand, immerhin etwa 9 Millionen eingetragene Personen, in toto in das neue System überführt werden muss.
Der schwierige Übergang von alt zu neu
Die Absicht, dabei niemanden besser oder schlechter zu stellen und die bisherigen Punkte in das neue Bewertungssystem zu überführen, ist zwar mit Blick auf die Verkehrssicherheit unangreifbar. Die Altpunkte in das neue Punktesystem zu überführen, ohne die Schwere des Delikts zu berücksichtigen, erscheint allerdings im Hinblick auf die Mängel des alten Systems wenig befriedigend.
Die alternative Übertragung nach dem Maßstab der neuen Zweipunkte-Regel wird, wie die Umschreibung der alten Strafregister auf das elektronische Bundeszentralregister in den sechziger Jahren gezeigt hat, nur mit erheblichem Verwaltungsaufwand zu bewältigen sein. Dem reibungslosen Start des neuen Registers und dessen Akzeptanz wäre das nicht förderlich. Hier könnte nachgebessert werden, indem man nur gefährliche und wiederholungsträchtige Verstöße restriktiv auswählt und überträgt.
Die Eckpunkte sollen, bevor ein Gesetzentwurf erarbeitet wird, eine breite fachliche und gesellschaftliche Diskussion anstoßen. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag wird sich dem nicht verschließen.
Der Autor Kay Nehm ist ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof und Generalbundesanwalt a.D. Er ist zudem Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstages e.V.
Neues Punktesystem : . In: Legal Tribune Online, 29.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5663 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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