Unter deutschen Weihnachtsbäumen werden sich jede Menge Drohnen finden. Elmar Giemulla erklärt, wo die Luftfahrzeuge fliegen dürfen, wofür man mehr als einen Führerschein braucht – und dass das ohnehin niemand kontrollieren kann.
LTO: Die Neuregelungen zum Einsatz von Drohnen sind seit April 2017 in Kraft. Erst Ende Oktober haben Bund und Länder ihre neuen Grundsätze für die Erteilung von Erlaubnissen und Ausnahmen vorgelegt. Und im Vorwort Ihres Buchs "Gewerblicher und privater Einsatz von Drohnen" heißt es "Herauszufinden, wie sich eine konkrete Nutzungsart in das Gewebe […] einfügt, stellt nicht nur die zuständigen Verwaltungen, sondern auch die Nutzer, die sich ja im Zweifel rechtstreu verhalten wollen, vor Herausforderungen". Ist das alles wirklich so kompliziert?
Elmar M. Giemulla: Das System ist tatsächlich komplex. Das liegt aber nicht am Gesetzgeber, sondern daran, dass Drohnen auf viele unterschiedliche Arten von einer Vielzahl von Menschen genutzt werden. Die Regelungen müssen die ganze Bandbreite berücksichtigen. Schon im privaten Bereich reicht das ja von Klein Fritzchen, der Omas Weihnachtsgeschenk von der Terrasse aus startet, über Privatpersonen, die Drohnen als Hobby betreiben und eventuell andere damit belästigen, bis hin zu den Modellfliegern. Und dann gibt es natürlich auch noch die Menschen, die sich nicht rechtstreu verhalten, sondern die stören wollen – und zwar, um bei den bekannten Beispielen zu bleiben, die Nachbarin beim Sonnenbaden oder vielleicht auch den Flugverkehr in der Einflugschneise.
Gewerbliche Nutzer hingegen sind ziemlich diszipliniert – weil sie unbemannte Luftfahrzeuge mittelfristig dauerhaft nutzen wollen und deshalb vermeiden möchten, dass diese in der Öffentlichkeit in Verruf geraten. Die denkbaren Arten der Nutzung reichen vom Pakettransport über die Feuerwehr bis hin zur Überwachung von Anlagen wie Windkraftanlagen oder Pipelines – so unterschiedliche Nutzungsarten sind kaum auf einen Nenner zu bringen.
LTO: Dabei regeln die Neuerungen die militärische Nutzung von Drohen erst gar nicht …
Giemulla: Das stimmt. Das Militär wird – aus naheliegenden Gründen - vom Luftverkehrsgesetz von der Einhaltung der zivilen Regeln freigestellt. So müssen sie Tiefflüge machen können, steile Kurven fliegen u.ä.. An die Stelle der zivilen Regelungen treten für sie zentrale Dienstvorschriften des Verteidigungsministeriums.
Drohnenführerschein ab 2 kg, Genehmigungspflicht ab 5 kg Gewicht
LTO: Was dürfen Privatpersonen und gewerbliche Drohnennutzer denn nun?
Giemulla: Bislang gab es mit der bloßen sog. Aufstiegserlaubnis eine Art unsichtbare Kette für unbemannte Luftfahrzeuge: die Sichtweite. Orientiert am bisherigen Anwendungsfall, dem klassischen Modellflug, genügte das auch. Nach neuem Recht, das systematisch umstellt auf die sog. Betriebserlaubnis, dürfen Drohnen nun unter bestimmten Bedingungen außerhalb der Sichtweite fliegen.
Ab einem Gewicht von zwei Kilogramm - und damit einer bestimmten kinetischen Energie und der von ihr ausgehenden Gefahr bei einer Kollision - braucht man den im Volksmund so genannten Drohnenführerschein. Vom Luftfahrt-Bundesamt zugelassene Stellen erteilen diesen, man kann ihn auch web-basiert absolvieren.
Das sagt aber noch nichts darüber aus, was man dann mit seiner Lizenz machen darf und wann man eine Behörde fragen muss. Ab einer Drohne von fünf Kilogramm Gewicht muss man zudem eine Erlaubnis beantragen, entweder – im Normalfall für Privatpersonen - für einen einzelnen Flug oder aber als Allgemeinerlaubnis für gewerbliche Nutzer. Dann macht die Behörde Auflagen, wo die Drohne fliegen und wer sie steuern darf.
Wenig praktisch dabei: Die Erlaubnisse werden von Landesbehörden erteilt und gelten auch nur für das jeweilige Bundesland. Zwar erkennen die Länder die Erlaubnisse mittlerweile gegenseitig an, aber es ist schon ein Verwaltungsaufwand, das vorab zu klären.
"Keine Drohnen über sensiblen Zonen, keine Kameras im Wohngebiet"
LTO: Sie sprechen die Einschränkungen an, wo Drohnen nicht fliegen dürfen. Welche sind die wichtigsten?
Giemulla: Das ist das angesprochene komplexe System, von dem ich sprach, vieles ist per Ausnahme und Rückausnahme geregelt. Das relevanteste Verbot ist aber wohl, dass kein unbemanntes Luftfahrzeug über Sperrgebiete der Polizei, Katastrophengebiete, Menschenansammlungen, Autobahnen oder Gefängnisse fliegen darf.
Sehr wichtig ist auch das Verbot des Flugs in mehr als 100 Meter Flughöhe – die einzige Ausnahme ist der Flugmodellplatz, wo die Modellflieger ihre Luftfahrzeuge auch höher als 100 Meter steigen lassen dürfen.
Über Wohngrundstücken dürfen nur kleinste Drohnen unter 250 Gramm Startgewicht fliegen – und auch nur dann, wenn sie keine Kamera an Bord haben. Wer eine Kamera an Bord hat, muss einen Bogen von mindestens 100 Metern um Wohngrundstücke machen – egal, wie groß und schwer das Luftfahrzeug ist.
2/2: Versand von Paketen allenfalls auf der Alm
LTO: Also gibt es überhaupt keine Grundlage für den vielzitierten Drohnenlieferverkehr, an dem die großen Internet-Kaufhäuser angeblich arbeiten? Bekommen wir unsere Pakete von Amazon doch nicht so bald auf den Balkon geliefert?
Giemulla: Nach jetziger Rechtslage sicherlich nicht. Zwar könnten Unternehmen Allgemeinerlaubnisse im oben erläuterten Sinne beantragen, um per Drohne Waren zu einem bestimmten Ort zu transportieren. Technisch wäre es natürlich auch möglich, dass die Drohne – das Einverständnis des Eigentümers vorausgesetzt – im Vorgarten landet und ein Paket ablädt.
Wahrscheinlicher wäre ein Landeplatz, der als solcher ausgewiesen und geschützt ist, derzeit wird über Boxen nachgedacht, die an den Straßenecken stehen und sich auf ein Signal der sich nähernden Drohen hin öffnen sollen. Das Paket würde in ein bestimmtes Fach gelegt, das vorher festgelegt wurde, der Adressat kann es über einen Code öffnen und abholen. Das würde auch eventuellem Vandalismus vorbeugen.
Aber: Derzeit geht die gesetzlich vorgesehene Erlaubnismöglichkeit davon aus, dass die Drohne nur zu einem bestimmten Ort fliegt. Man könnte also mit Werksverkehr beginnen, mit Lieferungen an einen bestimmten, nicht in der Innenstadt gelegenen Ort.
Im Publikumsverkehr hingegen, also der Auslieferung von Paketen an ganz verschiedene Adressen im Stadtgebiet, kann der Drohnenlieferverkehr erst dann Wirklichkeit werden, wenn wir bei der Verkehrszulassung ankommen. Bis dahin ist der Versand von Paketen an Privatpersonen allenfalls auf einer Insel möglich oder auf der Alm, wo einem nicht gleich fünf Drohnen entgegen geflogen kommen.
"Teilnahme am Luftverkehr – so weit sind wir noch lange nicht"
LTO: Aber das neue Recht bringt doch eine strukturelle Veränderung von der Aufstiegserlaubnis zur Betriebserlaubnis – sind Drohnen damit noch immer keine gleichberechtigten Teilnehmer am Luftverkehr?
Giemulla: Nein, das wird erst die dritte Stufe. Die Verkehrszulassung im Sinne einer Eingliederung in den allgemeinen Verkehr würde eine technische Zulassung erforderlich machen wie beim Flug- oder auch beim Autoverkehr. In Verbindung mit der Erlaubnis für die Person könnte man dann am allgemeinen Verkehr teilnehmen. So weit sind wir aber noch lange nicht.
LTO: Aber dahin soll es gehen?
Giemulla: Ja, auf jeden Fall. Dazu muss aber sichergestellt sein, dass sich die Drohnen in den Verkehr eingliedern können. Die Voraussetzungen dafür sind viel höher als das, was jetzt festgelegt wurde – sie sind bislang noch nicht einmal definiert. Das ist auch noch gar nicht möglich, weil die Technologie sich noch entwickelt. Der Gesetzgeber wartet auf die Technik.
"Die Einhaltung der Vorschriften kann derzeit niemand kontrollieren"
LTO: Wenn Amazon mit der Technik fertig ist, kann der Paketversand in die Innenstädte also starten?
Giemulla: Keineswegs, auch von diesem Szenario sind wir noch weit entfernt. Die Städte arbeiten bereits an No-drone-Areas, Gebieten, über die Drohnen per se nicht fliegen dürfen. Hamburg zum Beispiel mit seinem großen Hafen hat so viele sensible Gebiete definiert, dass fast das ganze Stadtgebiet nicht überflogen werden kann.
All die mittelfristigen Ideen und Visionen sind derzeit aber reine Theoriewelt. Das ganz praktische Problem der kurzfristigen Zukunft wird sein, wie man die Einhaltung all der neuen Vorschriften kontrollieren will. Derzeit wäre das überhaupt nicht möglich.
Der Gesetzgeber arbeitet an einer Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht. Es gibt bereits eine Kennzeichnungspflicht für Drohnen ab 250 Gramm, aber ausgerechnet für die kleineren mit Kameras ausgerüsteten, vor denen wir alle uns so fürchten, gibt es keine.
Noch könnte man eine Drohne mit dem Namen eines Nachbarn kennzeichnen, mit dem man Ärger hat – und lesen kann das sowieso niemand, solange das Luftfahrzeug noch fliegt. Gelöst werden soll das so, dass jede Drohne bei der Deutschen Flugsicherung registriert werden muss, per Handy kann dann jeder überprüfen, zu wem sie gehört. Und zwar auch von unten aus - nicht, wie nach aktueller Rechtslage, erst dann, wenn sie runter kommt.
LTO: Wie lange wird all das dauern?
Giemulla: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber es wird in den kommenden Jahren so viele Veränderungen geben, dass ich davon ausgehe, dass wir unser kleines Buch jährlich updaten müssen – mindestens.
Der Autor Prof. Dr. Elmar M. Giemulla ist Rechtsanwalt, Attorney-at-Law (New York) und Honorarprofessor für Luftrecht an der Technischen Universität Berlin. Er ist Mitherausgeber und Autor von "Gewerblicher und privater Einsatz von Drohnen – Neuregelung des Betriebs von unbemannten Fluggeräten", das im Luchterhand Verlag erscheint. Luchterhand gehört, wie LTO, zu Wolters Kluwer Deutschland.
Pia Lorenz, Luftrechtler zur Realität des neuen Drohnenrechts: "Pakete per Drohne? Allenfalls auf der Alm" . In: Legal Tribune Online, 29.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25737/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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