Luftrechtler zur Realität des neuen Drohnenrechts: "Pakete per Drohne? Allen­falls auf der Alm"

Interview von Pia Lorenz

29.11.2017

2/2: Versand von Paketen allenfalls auf der Alm

LTO: Also gibt es überhaupt keine Grundlage für den vielzitierten Drohnenlieferverkehr, an dem die großen Internet-Kaufhäuser angeblich arbeiten? Bekommen wir unsere Pakete von Amazon doch nicht so bald auf den Balkon geliefert?

Giemulla: Nach jetziger Rechtslage sicherlich nicht. Zwar könnten Unternehmen Allgemeinerlaubnisse im oben erläuterten Sinne beantragen, um per Drohne Waren zu einem bestimmten Ort zu transportieren. Technisch wäre es natürlich auch möglich, dass die Drohne – das Einverständnis des Eigentümers vorausgesetzt – im Vorgarten landet und ein Paket ablädt.

Wahrscheinlicher wäre ein Landeplatz, der als solcher ausgewiesen und geschützt ist, derzeit wird über Boxen nachgedacht, die an den Straßenecken stehen und sich auf ein Signal der sich nähernden Drohen hin öffnen sollen. Das Paket würde in ein bestimmtes Fach gelegt, das vorher festgelegt wurde, der Adressat kann es über einen Code öffnen und abholen. Das würde auch eventuellem Vandalismus vorbeugen.

Aber: Derzeit geht die gesetzlich vorgesehene Erlaubnismöglichkeit davon aus, dass die Drohne nur zu einem bestimmten Ort fliegt. Man könnte also mit Werksverkehr beginnen, mit Lieferungen an einen bestimmten, nicht in der Innenstadt gelegenen Ort.

Im Publikumsverkehr hingegen, also der Auslieferung von Paketen an ganz verschiedene Adressen im Stadtgebiet, kann der Drohnenlieferverkehr erst dann Wirklichkeit werden, wenn wir bei der Verkehrszulassung ankommen. Bis dahin ist der Versand von Paketen an Privatpersonen allenfalls auf einer Insel möglich oder auf der Alm, wo einem nicht gleich fünf Drohnen entgegen geflogen kommen.
"Teilnahme am Luftverkehr – so weit sind wir noch lange nicht"

LTO: Aber das neue Recht bringt doch eine strukturelle Veränderung von der Aufstiegserlaubnis zur Betriebserlaubnis – sind Drohnen damit noch immer keine gleichberechtigten Teilnehmer am Luftverkehr?

Giemulla: Nein, das wird erst die dritte Stufe. Die Verkehrszulassung im Sinne einer Eingliederung in den allgemeinen Verkehr würde eine technische Zulassung erforderlich machen wie beim Flug- oder auch beim Autoverkehr. In Verbindung mit der Erlaubnis für die Person könnte man dann am allgemeinen Verkehr teilnehmen. So weit sind wir aber noch lange nicht.

LTO: Aber dahin soll es gehen?

Giemulla: Ja, auf jeden Fall. Dazu muss aber sichergestellt sein, dass sich die Drohnen in den Verkehr eingliedern können. Die Voraussetzungen dafür sind viel höher als das, was jetzt festgelegt wurde – sie sind bislang noch nicht einmal definiert. Das ist auch noch gar nicht möglich, weil die Technologie sich noch entwickelt. Der Gesetzgeber wartet auf die Technik.

"Die Einhaltung der Vorschriften kann derzeit niemand kontrollieren"

LTO: Wenn Amazon mit der Technik fertig ist, kann der Paketversand in die Innenstädte also starten?

Giemulla: Keineswegs, auch von diesem Szenario sind wir noch weit entfernt. Die Städte arbeiten bereits an No-drone-Areas, Gebieten, über die Drohnen per se nicht fliegen dürfen. Hamburg zum Beispiel mit seinem großen Hafen hat so viele sensible Gebiete definiert, dass fast das ganze Stadtgebiet nicht überflogen werden kann.

All die mittelfristigen Ideen und Visionen sind derzeit aber reine Theoriewelt. Das ganz praktische Problem der kurzfristigen Zukunft wird sein, wie man die Einhaltung all der neuen Vorschriften kontrollieren will. Derzeit wäre das überhaupt nicht möglich.

Der Gesetzgeber arbeitet an einer Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht. Es gibt bereits eine Kennzeichnungspflicht für Drohnen ab 250 Gramm, aber ausgerechnet für die kleineren mit Kameras ausgerüsteten, vor denen wir alle uns so fürchten, gibt es keine.

Noch könnte man eine Drohne mit dem Namen eines Nachbarn kennzeichnen, mit dem man Ärger hat – und lesen kann das sowieso niemand, solange das Luftfahrzeug noch fliegt. Gelöst werden soll das so, dass jede Drohne bei der Deutschen Flugsicherung registriert werden muss, per Handy kann dann jeder überprüfen, zu wem sie gehört. Und zwar auch von unten aus - nicht, wie nach aktueller Rechtslage, erst dann, wenn sie runter kommt.

LTO: Wie lange wird all das dauern?

Giemulla: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber es wird in den kommenden Jahren so viele Veränderungen geben, dass ich davon ausgehe, dass wir unser kleines Buch jährlich updaten müssen – mindestens.

Der Autor Prof. Dr. Elmar M. Giemulla ist Rechtsanwalt, Attorney-at-Law (New York) und Honorarprofessor für Luftrecht an der Technischen Universität Berlin. Er ist Mitherausgeber und Autor von "Gewerblicher und privater Einsatz von Drohnen – Neuregelung des Betriebs von unbemannten Fluggeräten", das im Luchterhand Verlag erscheint. Luchterhand gehört, wie LTO, zu Wolters Kluwer Deutschland.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Luftrechtler zur Realität des neuen Drohnenrechts: "Pakete per Drohne? Allenfalls auf der Alm" . In: Legal Tribune Online, 29.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25737/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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