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Neue EU-Richtlinie: Mehr Rechte für Eltern und pfle­gende Ange­hö­rige

Gastbeitrag von Peta Hess, LL.M. und Dr. Lena Kern

25.06.2019

Familie und Beruf (Symbol)

(c) blacksalmon - stock.adobe.com

Die EU will die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige verbessern. Was das aus arbeitsrechtlicher Perspektive für Deutschland bedeutet, erläutern Petra Hess und Lena Kern.

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Die neue EU-Richtlinie soll laut ihren Erwägungsgründen einen Anreiz für Väter schaffen, Eltern- oder Vaterschaftsurlaub anzutreten und Betreuungsaufgaben zu übernehmen. So soll gleichzeitig die Beschäftigungsquote von Frauen angehoben werden. 

Die Richtlinie sieht deshalb vor, dass Väter bzw. zweite Elternteile einen Anspruch auf mindestens zehn Arbeitstage bezahlten Vaterschaftsurlaub anlässlich der Geburt eines Kindes haben müssen. Dieser Urlaub soll um den Zeitpunkt der Geburt des Kindes herum zu Betreuungs- und Pflegeleistungen erfolgen. Die Mitgliedstaaten können dabei flexible Regelungen zur Ausgestaltung der zeitlichen Lage und des Umfangs treffen. Die Vergütung muss mindestens in der derzeit für den Mutterschaftsurlaub vorgesehenen Höhe erfolgen.

Mitgliedstaaten können von einer Vergütungsregelung absehen, wenn nach den bestehenden nationalen Regelungen für jeden Elternteil bereits Elternurlaub von mindestens sechs Monaten vorgesehen ist und dem Elternteil eine Vergütung von mindestens 65 Prozent des Nettoeinkommens (möglicherweise vorbehaltlich einer Obergrenze) zusteht. Darüber hinaus soll der jedem Elternteil individuell zustehende Anspruch auf Elternurlaub von jeweils vier Monaten in Höhe von zwei Monaten nicht dem anderen Elternteil übertragen werden können.

Ferner führt die neue EU-Richtlinie einen Anspruch auf Pflegeurlaub von bis zu fünf Arbeitstagen pro Jahr ein. Eine Verpflichtung zur Vergütung während der Pflegezeit sieht die Richtlinie nicht vor; eine solche Regelung wird zwar empfohlen, bleibt den Mitgliedstaaten aber freigestellt.

Schließlich sollen Arbeitnehmer nach der neuen EU-Richtlinie die Möglichkeit haben, für Betreuungs- und Pflegezwecke flexible Arbeitsregelungen zu beantragen. Dies soll nicht nur die zeitlich begrenzte Reduzierung der Arbeitszeit, sondern auch die Telearbeit (Home Office) oder die Tätigkeit unter flexiblen Arbeitsplänen sein. Während der Anspruch auf eine flexible Arbeitsregelung von einer vorherigen Beschäftigungsdauer abhängig gemacht werden kann, ist eine Beschränkung auf eine bestimmte Mindestbetriebsgröße nicht ausdrücklich vorgesehen.

Deutschland entspricht den Vorgaben schon zum großen Teil

Die Richtlinie tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die Mitgliedstaaten haben sodann drei Jahre Zeit, um die Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, die erforderlich sind, um der Richtlinie nachzukommen.

In Deutschland existieren bereits einige gesetzliche Regelungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige. Diese gehen teilweise bereits über die Forderungen der neue EU-Richtlinie hinaus, so dass keine tiefgreifenden Änderungen durch die Richtlinie in Deutschland erforderlich werden. Lediglich im Bereich flexible Arbeitsregelungen, wie Telearbeit oder flexible Arbeitspläne sollten sich Arbeitgeber mit weiteren Flexibilisierungsmöglichkeiten auseinandersetzen.

Für den deutschen Gesetzgeber ergibt sich hinsichtlich der neuen Vorgaben zum Vaterschaftsurlaub offensichtlich kein Handlungsbedarf. Während der Elternzeit erhalten Väter gemäß § 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) Elterngeld für bis zu zwölf Monate in Höhe von in der Regel 67 Prozent des in den letzten zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten Nettoeinkommens bis zu einem Höchstbetrag in Höhe von monatlich 1.800 Euro netto.

Damit ist die Ausnahmeregelung gemäß Art. 20 (7) der Richtlinie erfüllt und die derzeitigen Regelungen zur Elternzeit können schlichtweg weitergeführt werden. Die EU Richtlinie verlangt nicht, dass die Vergütung oder Bezahlung während des Vaterschaftsurlaubs durch einen Arbeitgeber zu erfolgen hat.

Gleiches gilt für die Beschränkungen zur Übertragbarkeit des - bezahlten - Elternurlaubs. Das Elterngeld kann nur dann gemäß § 4 BEEG für 14 Monate bezogen werden, wenn der zweite Elternteil zumindest zwei Monate bezahlte Elternzeit nimmt. Die Vorgaben der Richtlinie sind damit bereits erfüllt. 

Im Hinblick auf den Anspruch auf Pflegeurlaub gilt nichts anderes. Der Anspruch auf Arbeitsfreistellung in einer akut auftretenden Pflegesituation nach § 2 Pflegezeitgesetz besteht bereits in Höhe von zehn Arbeitstagen und geht damit über die Vorgaben der Richtlinie hinaus.

Im Bereich der flexiblen Arbeitsregelungen hinkt Deutschland hinterher

Handlungsbedarf für den deutschen Gesetzgeber dürfte jedoch hinsichtlich des Anspruchs auf flexible Arbeitsregelungen für Betreuungs- und Pflegezwecke bestehen. Nach der Richtlinienbegründung ist dieser Anspruch nicht auf die Reduzierung der Arbeitszeit beschränkt, sondern kann auch eine anderweitige "Anpassung von Arbeitsmustern" wie etwa Telearbeit oder flexible Arbeitspläne beinhalten.

Ablehnungsgründe für den Arbeitgeber sollen dessen Ressourcen und operative Kapazitäten berücksichtigen können. Anders als der Anspruch auf Teilzeit oder Brückenteilzeit nach dem Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) oder der Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit nach dem BEEG soll jedoch der Anspruch auf flexible Arbeitsbedingungen zu Betreuungs- oder Pflegezwecken nicht von einer bestimmten Beschäftigtenzahl abhängen. Vielmehr sind die Mitgliedstaaten nach der Richtlinienbegründung gehalten, Anreize für kleine Arbeitgeber zu schaffen und ihnen Orientierung und Beratung anzubieten.

Unklar ist zudem eine mögliche zeitliche Beschränkung. Die Richtlinie erlaubt zwar entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen. Andererseits ist die Flexibilisierung der Arbeitsleistung offensichtlich zweckgebunden, d.h. entsprechend einer Sachgrundbefristung müssten bei Wegfall des Betreuungs- oder Pflegebedarfs die ursprünglichen Arbeitsbedingungen wieder aufleben. Ferner soll der Arbeitnehmer das Recht zur vorzeitigen Rückkehr zu den ursprünglichen Arbeitsbedingungen haben, wenn eine Änderung der Umstände dies rechtfertigt. Das erfordert vom Arbeitgeber ein gewisses Maß an Flexibilität.

Eine Neuregelung zur Reduzierung der Arbeitszeit zu Betreuungs- oder Pflegezwecken dürfte allerdings letztlich nur für kleine Arbeitgeber von Relevanz sein, da die bestehenden Regelungen zur Arbeitszeitreduzierung im TzBfG und im BEEG im Übrigen über die Vorgaben der Richtlinie hinausgehen.

Jedoch wäre ein - zweckgebundener - Anspruch auf Arbeit im Home Office oder zu veränderten Arbeitszeiten voraussichtlich Folge der in der vorliegenden Richtlinie verankerten Vorgaben. Der Gesetzgeber hat hier zwar offensichtlich Gestaltungsspielraum, Arbeitgeber werden sich aber in noch größerem Maße flexiblen Arbeitsbedingungen offen zeigen müssen.

Die Autorin Petra Hess, LL.M. ist Counsel im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltskanzlei Baker McKenzie.

Die Autorin Dr. Lena Kern ist Senior Associate im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltskanzlei Baker McKenzie.

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Neue EU-Richtlinie: . In: Legal Tribune Online, 25.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36071 (abgerufen am: 08.11.2025 )

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