Oberirdische Stromleitungen sind ein tödliches Risiko für viele Vögel, vor allem Großvögel. Jährlich kommen tausende von ihnen durch Stromschlag oder Leitungsanflug ums Leben. Hoffnung macht eine mit der vorletzten Novelle des Naturschutzrechts im Jahr 2002 eingeführte Regelung, die Risiken für die Tiere minimieren soll und bis Ende 2012 praktisch umgesetzt sein muss.
In Deutschland erfolgt die Stromversorgung der Bevölkerung weitgehend über ein Netz oberirdischer Stromleitungen, das sich in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Regionen sehr stark verdichtet hat. Für viele Vögel stellen diese Leitungen und vor allem die Strommasten ein gefährliches Risiko dar.
Letztere sind bei vielen Vogelarten ein beliebter Sitz- und Rastplatz. Er kann jedoch zu einer tödlichen Falle werden: Bei einer Vielzahl von Masten im Mittelspannungsnetz (zehn bis 60 Kilovolt) gibt es nur geringe Abstände zwischen ihm und den Leitungsdrähten oder anderen Bauteilen, die unter Spannung stehen. Sobald Vögel eine Verbindung zwischen einer Leitung und einem geerdeten Strommast herstellen, kommt es zu einem tödlichen Stromfluss – das kann durch den Tierkörper selbst oder auch durch mitgeführtes Nistmaterial geschehen.
Durch Stromschlag mit Freileitungen betroffen sind in erster Linie Großvögel wie Kraniche, Störche, Greifvögel oder Eulen. Aber auch für kleinere Arten bestehen diese Gefahren. Die Verluste haben eine relevante Auswirkung auf die ohnehin bereits bedrohten Bestände vieler Arten, zumal der Anteil der von dieser Todesursache betroffenen Jungvögel an der Gesamtzahl der Todfunde hoch ist und dadurch der Bruterfolg nachhaltig beeinträchtigt wird.
Dabei gibt es durchaus technische Möglichkeiten, dieses Risiko zu minimieren: Die wichtigste technische Anforderung an die Konstruktion vogelsicherer Freispannungsleitungen ist es, Querträger, Isolatorenunterstützungen und sonstige Bauteile der Leitungen so auszubilden, dass den Vögeln keine Sitzgelegenheit in gefahrbringender Nähe der unter Spannung stehenden Leiter gegeben wird.
Weiterhin keine Nachrüstpflicht für Oberleitungsanlagen von Eisenbahnen
Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) enthält seit seiner Novelle im Jahr 2002 eine Regelung zum Vogelschutz an Energiefreileitungen, die sich seit der Neufassung zum 1. März 2010 in § 41 BNatSchG wieder findet: "Zum Schutz von Vogelarten sind neu zu errichtende Masten und technische Bauteile von Mittelspannungsleitungen konstruktiv so auszuführen, dass Vögel gegen Stromschlag geschützt sind". Für bestehende Masten sieht das Gesetz eine Nachrüstverpflichtung bis spätestens 31. Dezember 2012 vor.
Die Vogelschutzregelung im BNatSchG geht nicht zuletzt auf Forderungen des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) zurück, der eigens die bundesweit tätige Arbeitsgruppe "Stromtod" eingerichtet hat. Dieser Arbeitsgruppe war im September 2002 bei der internationalen 7. Vertragsstaatenkonferenz der Bonner Konvention (Konvention zum Schutz wandernder wildlebender Tierarten) die Verabschiedung einer Resolution gelungen, die sie gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium eingebracht hatte.
Der NABU hat auch eine Broschüre mit technischen Empfehlungen zum Vogelschutz an Energiefreileitungen herausgegeben, die bei der konkreten Umsetzung des § 41 BNatSchG beim Bau von Strommasten herangezogen werden können.
Seit der Neufassung der Vorschrift zum 1. März 2010 müssen erstmals auch neu zu errichtende Oberleitungsanlagen von Eisenbahnen mit Vogelschutzmaßnahmen ausgeführt werden. Eine Nachrüstverpflichtung für Altanlagen gibt es hier allerdings weiterhin nicht.
Wie die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage im Deutschen Bundestag am 14. Dezember 2010 mitgeteilt hat (Bundestags-Drucksache 17/4267), hat die Zahl der durch Stromschlag getöteten Vögel seit Einführung der Vogelschutzregelung im Jahr 2002 "signifikant abgenommenen". Es bleibt zu hoffen, dass nach Einbeziehung der Oberleitungsanlagen für Eisenbahnen seit 1. März 2010 diese Zahl noch weiter zurückgeht.
Der Autor Dr. Alfred Scheidler ist Oberregierungsrat in Neustadt an der Waldnaab und Autor zahlreicher Publikationen zum öffentlichen Recht
Mehr auf LTO.de:
Windkraftanlagen: Erneuerbare Energien vor der eigenen Haustür – nein danke!
Alfred Scheidler, Naturschutzrecht: . In: Legal Tribune Online, 03.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2672 (abgerufen am: 04.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag