Hakenkreuzschmuck in der Abendschule: Ein hinduistischer Yogalehrer vor dem Kölner Staatsanwalt

von Dr. Johannes Kaspar

10.04.2012

Die Leiterin eines Abendgymnasiums hat Anzeige gegen einen ihrer Schüler erstattet. Der junge Mann war mit Ohrringen und Ketten zum Unterricht erschienen, die ein Hakenkreuz erkennen ließen. Der tätowierte Yogalehrer beruft sich darauf, dass das Zeichen im Hinduismus für Glück und Frieden steht. Nun aber ermitteln die Staatsanwälte. Hoffentlich nicht mehr lange, meint Dr. Johannes Kaspar.

Der Kölner Abendschüler ist gläubiger Hindu. Er erinnert mit den zahlreichen Tätowierungen eher an einen Techno-DJ als an einen Neonazi. Und er beruft sich auf seinen Glauben, aufgrund dessen er den Schmuck mit dem Hakenkreuz tragen will. Unter normalen Umständen ist das nicht nur eine unerträgliche Provokation, sondern auch strafbar. Die Schulleiterin hat ihm einen Schulverweis angedroht und Anzeige erstattet.

Wer ein solches Symbol verwendet, wird nach § 86a des Strafgesetzbuchs (StGB) mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert. Grundgedanke der Norm ist, dass jedes Bekenntnis zum Nationalsozialismus zumindest generell und längerfristig geeignet sein könnte, diesen als politische Richtung zu stärken und die Demokratie zu gefährden.

Bei diesem abstraktem Gefährdungsdelikt kommt es also nicht darauf an, ob der Staat tatsächlich durch einen einzelnen Aufnäher auf einer Bomberjacke ins Wanken gerät. Auch eine entsprechende politische Gesinnung muss nicht in jedem Einzelfall nachgewiesen werden. Grundsätzlich zielt das Verbot vielmehr darauf ab, das Hakenkreuz generell aus dem öffentlichen Leben zu verbannen.

Nicht jede Verwendung des Hakenkreuzes ist strafbar

Trotzdem kennt das Gesetz mit gutem Grund Ausnahmen von der Strafbarkeit. Sonst würde sich etwa der Verleger strafbar machen, der in einem Schulbuch für den Geschichtsunterricht oder in einem Zeitungsbericht Originalfotos aus der damaligen Zeit abdruckt.

Diese Ausnahmen decken aber nur einen Teil der Fälle ab, bei denen eine Strafbarkeit übers Ziel hinausschießt. So war ein Händler vom Landgericht Stuttgart vor einigen Jahren wegen des "Verwendens von Kennzeichen verfassungswidrigen Organisationen" verurteilt worden. Kurioserweise, muss man sagen, denn er hatte zwar unter anderem Aufkleber und Anstecker vertrieben, auf denen ein Hakenkreuz zu sehen war – allerdings war dieses im Sinne eines Verbotsschildes durchgestrichen.

Klar antifaschistische Motive als strafbare Werbung für den Nationalsozialismus? Ja, sagten die Richter des Landgerichts. Das Hakenkreuz sei ein generelles Tabu, seine Verwendung unabhängig vom Kontext strafbar.

Überzeugend war das nicht. Eine Verwendung, die eine offensichtliche Missbilligung enthält, kann von vornherein die Demokratie nicht gefährden. Sie ist eine von Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Meinungsäußerung, die im Gegenteil gerade verhindern will, dass der Nationalsozialismus wieder auflebt. Das kann nicht unter den Straftatbestand des § 86a StGB fallen. Und genauso hat das letztlich auch der Bundesgerichtshof gesehen (BGH, Urt. v. 15.3.2007, Az. 3 StR 486/06). .

Der Abendschüler kann sich auf die Religionsfreiheit berufen

Nun also der Kölner Abendschüler. Bei ihm liegen die Dinge etwas komplizierter. Für den unbefangenen Beobachter wird nämlich keineswegs unmittelbar klar, dass der junge Mann kein Anhänger des Nationalsozialismus ist.

Es handelt sich einerseits um einen Mann, der auf Nachfrage sicher freundlich darüber Auskunft geben wird, dass er Hindu ist und nicht etwa für den Nationalsozialismus werben will. Der aber eben doch ein Zeichen verwendet, das nach dem Buchstaben des Gesetzes nicht verwendet werden soll. Und dessen hinduistische Bedeutung dem Normalbürger nicht geläufig sein wird.

Dennoch werden die Staatsanwälte ihn verschonen müssen. Strafrechtliche Verbote sind gravierende Eingriffe in die Freiheitsrechte des Bürgers. Der Staat muss gute Gründe vorbringen, um sie zu rechtfertigen. Kann er das nicht oder verbleiben Zweifel, muss er auf das scharfe Schwert des Strafrechts verzichten. Der Yogalehrer seinerseits kann den Schutz der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG in Anspruch nehmen. Er ist gläubiger Hindu und beruft sich in nicht nur vorgeschobener Weise auf ein Symbol, das für ihn religiöse Bedeutung hat.

Ein Yogalehrer als Werbeträger für nationalsozialistische Tendenzen?

Gleichzeitig sind die Gründe, die für eine Strafbarkeit des 23-Jährigen sprechen könnten, im Kölner Fall kaum tragfähig. Wer sein Leben als Hindu und Yogalehrer führt, dürfte kaum als Werbeträger für nationalsozialistische Tendenzen taugen. In seinem unmittelbaren Umfeld wird dieser persönliche Hintergrund bekannt sein.

Was bleibt, sind Personen, die den Schmuckträger nicht näher kennen, zufällig dessen Ohrring genauer studieren und dann irritiert sind – eine vergleichsweise geringfügige Beeinträchtigung, die in der Abwägung zur ansonsten drohenden Geld- oder Freiheitsstrafe kaum ins Gewicht fällt. Also: für Uneingeweihte anstößig, aber richtigerweise nicht strafbar.

Das sagt noch nichts aus über den zugleich angedrohten Schulverweis. Nicht alles, was nicht strafbar ist, ist deswegen auch in anderen Bereichen zulässig. Zu einer verwaltungsgerichtlichen Klärung wird es aber wohl nicht kommen: Im Zuge eines Kompromisses hat die Schulleiterin von einem Verweis abgesehen, ihr Schützling verzichtet im Gegenzug darauf, das Hakenkreuz während des Unterrichts zu tragen. Glück und Frieden können so vielleicht auch ganz ohne symbolische Untermalung wieder im Schulhaus einziehen. Bleibt zu hoffen, dass auch das Strafverfahren auf vernünftige Weise, das heißt mit einer Einstellung, beendet wird.

Der Autor Dr. Johannes Kaspar ist derzeit Vertreter eines Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie an der Universität Augsburg. Er lehrt und forscht seit Jahren auf dem Gebiet des Strafrechts und hat sich unter anderem mit der Strafwürdigkeit von Delikten zum Schutz des "politischen Klimas" beschäftigt, zu denen auch der hier einschlägige § 86a StGB zählt.

Zitiervorschlag

Hakenkreuzschmuck in der Abendschule: . In: Legal Tribune Online, 10.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5971 (abgerufen am: 09.12.2024 )

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