Koalition und Bundesrat haben Gesetzentwürfe vorgelegt, um verfassungsfeindliche Parteien von der staatlichen Finanzierung auszuschließen. Experten kritisieren, dass die Pläne den Extremen die "Bühne des Verfassungsgerichts" bieten würden.
Die Gesetzesinitiativen der großen Koalition und des Bundesrates zum Ausschluss verfassungsfeindlicher Parteien von der staatlichen Finanzierung führten bei der Sachverständigen-Anhörung Anfang der Woche zu teils recht unterschiedlichen Auffassungen. Die Juristen sollten die Vorschläge von CDU/CSU und SPD sowie Bundesrat aus fachlicher Perspektive bewerten. Die Papiere ähneln sich in wesentlichen Punkten sehr.
So schlagen beide Initiativen je ein Gesetz zur Änderung des Art. 21 Grundgesetz (GG) vor, dessen erfolgreiche Verabschiedung dann von entsprechenden Begleitgesetzen flankiert würde. In beiden Fällen soll Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG aufgehoben werden. Die Vorschrift normiert derzeit, dass über die Verfassungswidrigkeit einer Partei das BVerfG entscheidet. Nach den Entwürfen soll der aktuelle Abs. 3 zu Abs. 5 werden, dazwischen würde es dann zwei neue Absätze drei und vier geben.
Nach diesen könnten Parteien, welche die freiheitliche demokratische Grundordnung beeinträchtigen oder gar beseitigen wollen, von der staatlichen Parteienfinanzierung und steuerlichen Vergünstigungen ausgeschlossen werden. Wie über die Verfassungswidrigkeit einer solchen Partei würde das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dann auch über den Ausschluss von staatlichen Geldern entscheiden.
Der Koalitionsvorschlag sieht in den Begleitgesetzen vor, dass eine derart ausgeschlossene Partei nach vier Jahren beantragen können soll, diesen Ausschluss aufzuheben. Der Bundesrat will die Stellung eines solchen Antrags schon nach zwei Jahren ohne staatliche Gelder erlauben. In beiden Fällen müsste eine zunächst ausgeschlossene Partei dazu vor dem BVerfG darlegen, inwiefern sich die Gründe für den zuvor ausgesprochenen Ausschluss geändert oder erledigt haben. Dann bekäme sie auch wieder Geld.
Die Ausnahme vom Gleichbehandlungsgebot der Parteien
Bei der Anhörung sagte Verfassungsrechtler Prof. Dr. Michael Brenner von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, es spreche nichts gegen die Aufnahme einer Bestimmung zum Ausschluss aus der Parteienfinanzierung in das Grundgesetz. Zwar müssten Parteien grundsätzlich gleichbehandelt werden und ein Ausschluss stelle einen Eingriff in dieses Gleichbehandlungsgebot dar. Der sei jedoch beim Vorliegen "hinreichend gewichtiger Gründer" verfassungsrechtlich zulässig. Der Staat müsse nicht die Parteien finanzieren, die ihn ablehnen oder gar bekämpfen.
So sah es auch Prof. Dr. Uwe Volkmann von der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Forschungsschwerpunkte unter anderem Parteienrecht und Demokratietheorie. Die Überlegung, dass der Staat nicht denjenigen finanzieren müssen solle, der ihn abschaffen wolle, sei von einer "so schlagenden Plausibilität, dass man gar nichts dagegen sagen kann."
"Keine gravierenden verfassungsrechtlichen Risiken" sieht auch Parteienrechtler Prof. Dr. Martin Morlok von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Allerdings habe er ein "gewisses verfassungspolitisches Grummeln im Bauch": Die Demokratie lebe von ihrer Überzeugungskraft und Akzeptanz in der Bevölkerung - und dazu zähle eben auch, dass "Minderheiten eine Chance sehen, gleichberechtigt am politischen Meinungskampf und Wettbewerb teilzunehmen."
Marcel Schneider, Keine Parteienfinanzierung für Verfassungsfeinde?: . In: Legal Tribune Online, 30.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23059 (abgerufen am: 04.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag