Der öffentliche Trubel um Jörg Kachelmann hat sich nach seinem Freispruch gelegt. Er selbst aber will weiterhin klären, was die Presse über ehemalige Geliebte, das Ermittlungsverfahren und die Strafsache gegen ihn berichten durfte. Nach einer Verhandlung vor dem OLG Köln am Dienstag darf der Wettermoderator sich gute Chancen ausrechnen, berichtet Martin W. Huff.
Nachdem der 15. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln mit Urteilen vom 15. November 2011 (Az. 15 U 60 – 62/11) einen ersten Schwung presserechtlicher Entscheidungen rund um das Kachelmann-Verfahren entschieden und nach längeren Diskussionen über die genaue Formulierung der Presseerklärung mit seinem Medienanwalt Ralf Höcker auch veröffentlicht hat, standen am Dienstag die nächsten Verfahren auf der Terminsrolle der Kölner Richter.
Ihr Initiator ist der Wettermoderator selbst. Sein Vertreter Höcker hat eine Vielzahl einstweiliger Verfügungen für Jörg Kachelmann gegen verschiedene Medien, insbesondere aber gegen den Axel-Springer-Verlag erwirkt, die jetzt im Hauptsacheverfahren "abgearbeitet" werden.
Kern der Auseinandersetzungen, die zum Teil mit deutlichen Worten von beiden Seiten in der mündlichen Verhandlung geführt wurden, waren verschiedene Berichte rund um das Ermittlungsverfahren gegen den am Ende von Vergewaltigungsvorwürfen freigesprochenen Wettermoderator.
Als die Vergangenheit Kachelmann einholte
So wurde zum Beispiel im Rahmen des Ermittlungsverfahrens aufgrund einer Meldung der Deutschen Presseagentur darüber berichtet, dass sich nach der Verhaftung von Jörg Kachelmann eine frühere Geliebte gemeldet hatte, die schrieb, dass Kachelmann sich auch bei ihr durchaus ungewöhnlich verhalten hatte.
Nun lagen diese Vorgänge schon neun Jahre zurück. Durfte darüber mit der Namensnennung von Kachelmann berichtet werden ? Der Senat deutete an, dass er hier keinen Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren aus dem Jahr 2010 sehe, so dass auch nicht über den Inhalt der Mitteilung der Frau hätte berichtet werden dürfen.
Die Zivilrichter brachten zum Ausdruck, dass sie über schwierige Abwägungsfragen zu entscheiden hätten. Sie gingen aber davon auss, dass diese zugunsten des Persönlichkeitsrechts des 53-Jährigen und nicht der Pressefreiheit ausfielen. Dagegen wandte sich Springer-Anwalt Spyros Aroukatos, der eine zulässige Verdachtsberichterstattung annahm, zu der sich sogar der Verteidiger ausdrücklich geäußert habe (15 U 130/11).
"Im Gefängnis darf man sich ungestört fühlen"
Heftig gestritten wurde auch über die Frage, wann die Veröffentlichung eines Bildes, dass Kachelmann im Gefängnishof zeigte, in der Kombination mit einem Wortbericht erlaubt war.
Wohl aufgrund einer Meldung des Kachelmann-Unternehmens Metomedia war angedacht worden, in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Mannheim eine Aktionärsversammlung durchzuführen. Dieses Vorhaben wurde schließlich nicht umgesetzt, obwohl die JVA die Genehmigung dazu erteilt hatte.
Die Springer-Medien berichteten darüber mit einem Bild, das Kachelmann im Hof der JVA zeigte, wie er sich sonnte. Wer das Bild aufnahm, ist nicht bekannt. Der Verlag sieht darin eine erlaubte Berichterstattung, da das Bild zum Bericht passte und einen inhaltlichen Bezug hatte.
Doch auch hier zeigte sich der Senat eher dem Persönlichkeitsrecht zugeneigt. Der Aufenthalt im Gefängnis sei ein "von Amts wegen hoheitlich abgeschotteter Bereich. Dort dürfe man sich ungestört fühlen", meinte der Senatsvorsitzende Andreas Zingsheim. Daraus folge, dass man ein Bild aus der JVA wohl nicht hätte veröffentlichen dürfen, auch wenn der Bericht dazu passe. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichthofes wäre das eine durchaus wichtige Einschränkung, so dass die Urteilsgründe sicherlich dazu Ausführungen erhalten werden (15 U 116/11).
Kachelmanns Erzählungen vom hochgezogenen Strickkleid
Der Kölner Senat hat aber auch darüber zu entscheiden, ob Äußerungen von Kachelmann selbst veröffentlicht werden durften. Dabei waren pikante Details im Spiel. Der Wettermoderator hatte angegeben, dass seine Geliebte mit "hochgezogenem Strickkleid" auf ihn gewartet hätte. Die Berichte darüber betrafen damit zweifelsohne die weitgehend geschützte Intimsphäre eines Prominenten.
Sie stammten aber vom Betroffenen selbst und hätten einen engen Tatbezug, argumentierte Springer-Vertreter Aroukatos wortreich. Zudem sei der Vorgang später ausführlich in der Hauptverhandlung erörtert worden, so dass es kein Rechtsschutzbedürfnis für die Untersagung der Berichterstattung mehr gebe. Doch auch hier scheint der Senat anders entscheiden zu wollen, weil er meint, dass Berichte aus der Intimsphäre tabu seien, auch wenn sie vom Betroffenen selber stammten.
Der Senat deutete auch an, dass er es keineswegs für selbstverständlich halte, dass die Medien alles, was in öffentlicher Hauptverhandlung besprochen wird, auch wiedergegeben dürften. Das sorgte für eine heftige Reaktion des Springer-Anwalts, der die Auffassung vertrat, dass aus einer öffentlichen Hauptverhandlung vollständig berichtet werden dürfe, solange die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen sei (15 U 123/11).
Die öffentliche Hauptverhandlung nicht mehr öffentlich in den Medien?
Sollte das OLG tatsächlich letztlich eine einschränkende Auffassung vertreten, wie die Kölner Richter das andeuteten, wäre das ein Schritt hin zu einer bedeutsamen Einschränkung der Berichterstattung aus dem Gerichtssaal. Bisher wurde nur diskutiert, ob etwa Namen von Zeugen genannt werden dürfen. Das aber, was in Verhandlungen erörtert wird, sollte nach einhelliger Auffassung auch mitgeteilt werden dürfen.
Dabei können die Medien sich auf die Rechtsprechung des höchsten deutschen Gerichts berufen. Für das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist die Berichterstattung durch die Medien ein wesentlicher Bestandteil der Presse- und Meinungsfreiheit, weil ja nicht jeder im Saal anwesend sein kann.
In allen Verfahren will der Senat seine Entscheidungen am 14. Februar verkünden. Spannend bleibt bis dahin, ob das OLG die Revision zum Bundesgerichtshof zulassen wird. Die Kölner Richter scheinen dazu zu neigen, das in allen Verfahren abzulehnen. Dabei wüssten sowohl Strafverteidiger als auch Medien für die Berichterstattung rund um Ermittlungsverfahren gern, wie der VI. Zivilsenat die aufgeworfenen Fragen beurteilt. Das von ihm gemeinsam mit dem BVerfG in den vergangenen Jahren entwickelte Konzept zum Schutz von Prominenten vor zu weitgehender Berichterstattung lässt nämlich nicht nur an dieser Stelle noch viele Fragen offen.
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen und Lehrbeauftragter für Presse- und Medienrecht an der Fachhochschule Köln.
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Martin W. Huff, Nach den Berichten über das Strafverfahren: . In: Legal Tribune Online, 18.01.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5330 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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