E-Skateboards: Der Fort­schritt fährt davon

von Nico Kuhlmann

06.10.2018

Der Fortschritt ermöglicht zunehmend alternative Mobilitätskonzepte. Elektronisch, Effizient und Emissionsarm. Leider hält die deutsche Gesetzgebung diesem Wandel nicht Schritt, beanstandet Nico Kuhlmann.

Der Fortschritt bricht sich Bahn, auch auf deutschen Straßen und Gehwegen. In letzter Zeit ist eine Vielzahl von innovativen Elektrokleinstfahrzeugen auf den Markt gekommen. Darunter finden sich beispielsweise Elektroroller, aber auch sogenannte E-Skateboards. Dabei handelt es sich, der Name verrät es bereits, um Skateboards mit Elektroantrieb. Sie sind leise, effizient, emissionsarm und machen Spaß. Nur die deutsche Rechtsordnung ist ihrer noch nicht Herr geworden.

Die Steuerung erfolgt wie bei herkömmlichen Skateboards durch eine Gewichtsverlagerung. Die Beschleunigung und das Abbremsen übernimmt hingegen ein kleiner, kaum sichtbarer Elektromotor, der durch eine Fernbedienung gesteuert wird. Die Höchstgeschwindigkeit von E-Skateboards ist abhängig vom Antrieb und kann bei aktuellen Modellen mit einem leistungsstarken Motor bis zu 40 km/h betragen. Die Beschleunigung kann dabei, wie bei Elektromotoren üblich, nur als sportlich bezeichnet werden. Die Reichweite liegt zwischen 10 und 30 km. Ähnlich funktionieren Elektroroller, die im Unterschied zu einem Skateboard noch über eine Lenkstange und vor allem Bremsen verfügen.

Die Vorteile von E-Skateboards und Elektrorollern liegen auf der Hand: Sie stellen eine umweltschonende und platzsparende Art der Fortbewegung dar, die vor allem für die Stadt geeignet ist und unter anderem - in Verbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr - das sogenannte Problem der letzten Meile lösen kann. Damit eignen sie sich im Grunde ausgezeichnet, um Teil eines zukünftigen urbanen Mobilitätskonzepts zu sein. Allerdings werden immer wieder Bedenken im Hinblick auf die Sicherheit geäußert.

E-Skateboards: Die große Unbekannte im deutschen Straßenverkehrsrecht

Das Fahren mit E-Skateboards und Elektrorollern ist in Deutschland im öffentlichen Straßenverkehr derzeit nicht zugelassen. Dieses Verbot beruht dabei nicht auf einer bewussten Entscheidung eines Parlaments, sondern auf veralteten Gesetzen und Verordnungen, die diese Art der Fortbewegung schlicht nicht vorgesehen haben. E-Skateboards gibt es zwar bereits seit der Jahrtausendwende, aber viele nationale Gesetzgeber haben immer noch nicht darauf reagiert.

In Deutschland dürfen E-Skateboards und Elektroroller gegenwärtig nur auf Privatgelände, aber nicht im öffentlichen Raum verwendet werden, da diese im Sinne des Straßenverkehrsrechts zulassungspflichtig, aber nicht zulassungsfähig sind.  Nach § 1 II StVG sind alle Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein, Kraftfahrzeuge im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und solche Kraftfahrzeuge benötigen eine Straßenzulassung.

Das Problem bei der Straßenzulassung besteht aber darin, dass E-Skateboards eine Fahrzeugart sind, welches das deutsche Zulassungsrecht schlicht nicht kennt. Das bedeutet, dass sie in keine bestehende Kategorie eingeordnet und deshalb von den Behörden auch nicht zugelassen werden können. Die notwendige gesetzliche Anpassung wäre geringfügig, aber eben rechtlich notwendig.

Ohne Zulassung kann auch keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden. Das Fahren ohne eine Haftpflichtversicherung stellt jedoch nach § 6 Pflichtversicherungsgesetz einen Straftatbestand dar und kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden. Zudem kann bei Vorsatz auch das Skateboard beziehungsweise der Roller eingezogen werden. Wer von der Polizei erwischt wird, hat also ein Strafverfahren und den Verlust seines Fortbewegungsmittels zu befürchten.

Geringe Geschwindigkeit deutscher Gesetzgebung

Dieser Umstand ist der deutschen Politik auf Bundesebene durchaus bekannt. Der Bundesrat hat bereits im Jahr 2016 die Bundesregierung im Rahmen einer Entschließung aufgefordert, schnellstmöglich die "verhaltens- und zulassungsrechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb von selbstbalancierenden Fahrzeugen und Fahrzeugen mit Elektroantrieb, die nicht mindestens einen Sitzplatz haben, im öffentlichen Verkehr" zu regeln.

Der Bundesrat war der Ansicht, dass E-Skateboards eine interessante Ergänzung zum Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs darstellen und eine einheitliche verbindliche Regelung zum Betrieb unter dem Gesichtspunkt der Förderung der Elektromobilität erforderlich sei. Passiert ist daraufhin aber nichts.

Auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen aus dem Jahr 2017 hat die Bundesregierung dann geantwortet, dass sie die Verwendung umweltfreundlicher Fortbewegungsmittel durchaus begrüße, da diese zur Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger beitragen würden und durch ihren elektrischen Antrieb emissionsfrei und geräuschlos seien. Die Bundesregierung sicherte zu, das Bedürfnis erkannt zu haben und daran zu arbeiten. Eine entsprechende zulassungsfähige Kategorie wurde aber bis heute nicht geschaffen.

E-Skateboards sind längst auf deutschen Straßen angekommen

Obwohl die E-Skateboards und ähnliche Fahrzeuge somit nach geltender Rechtslage in Deutschland zum Betrieb im Straßenverkehr nicht zugelassen sind, werden sie trotzdem vielerorts – gerade Internet – angeboten und sowohl von Erwachsenen als auch von Jugendlichen und Kindern begeistert benutzt. Dabei werden sie oft als Sportgerät und nicht als Fortbewerbungsmittel beworben. Die Realität ist natürlich eine andere. Auch auf deutschen Straßen sind die E-Skateboards bereits in immer mehr Städten anzutreffen.

Die Polizei sieht das nicht so gern und schreitet ihrem Auftrag entsprechend ein, wenn ein E-Skateboard unrechtmäßig verwendet wird. Vor einiger Zeit hat beispielsweise die Polizei Berlin einen Fahrer angehalten, zur Rede gestellt und das Board vorläufig beschlagnahmt. Als die Polizei Berlin von diesem Vorfall in den sozialen Netzwerken berichtete, entwickelte sich eine angeregte Diskussion über Sinn und Unsinn der Maßnahme und der zugrundeliegenden Rechtslage. In letzter Zeit soll die Berliner Polizei insgesamt bis zu 30 E-Skateboards beschlagnahmt haben.

Kalifornien als Vorreiter

Andere Länder fördern stattdessen auch aus Umweltgesichtspunkten diese kompakte Ausprägung der Elektromobilität durch eine Anpassung der Rechtslage. Australien, Singapur und Schweden haben beispielsweise bestehende Gesetze angepasst und neue Regeln erlassen.

Globaler Vorreiter war das progressive Kalifornien, der Geburtsort der Skatekultur. Der US-Bundesstaat hat bereits in Jahr 2015 das Gesetz Nr. 604 speziell in Bezug auf elektrisch motorisierte Skateboards erlassen. Danach sind E-Skateboards auf öffentlichen Straßen und Wegen erlaubt, wenn eine Höchstgeschwindigkeit von 15 mph (zirka 24 km/h) nicht überschritten wird. Der Fahrer muss zudem mindestens 16 Jahre alt sein und es besteht eine Helmpflicht. Lichter, Reflektoren und ähnliche Sicherheitsausrüstungen sind nur vorgeschrieben, wenn das Skateboard nachts und auf Straßen benutzt wird. Mittlerweile sind E-Skateboards aus dem Straßenbild in San Francisco und Los Angeles nicht mehr wegzudenken und die Fahrer lassen sich die Luft der Freiheit durch die Haare wehen.

Ökologische und ökonomische Auswirkungen

Die bisherige gesetzgeberische Untätigkeit in Deutschland hat nicht nur negative Auswirkungen auf diejenigen, die diese Form der Fortbewegung selbst gern nutzen würden und dies aufgrund der geltenden Rechtslage nicht können, ohne gegen das Gesetz zu verstoßen. Auch die Umwelt leidet darunter, wenn stattdessen Transportmittel mit Verbrennungsmotoren genutzt werden, die Feinstaub emittieren.

Zudem behindert die Rechtslage die deutsche Wirtschaft. Beispielsweise hat das vielversprechende Hamburger Startup Mellow Boards, welches einen modernen und kraftvollen elektrischen Antrieb für Skateboards entwickelt hat und auch in Deutschland hergestellt, dadurch ein klaren Standortnachteil, dass der Heimatmarkt ohne vernünftige Gründe zu großen Teilen blockiert ist.

Wenn Deutschland mit dem technologischen Fortschritt mithalten oder diesen gar aktiv mitgestalten will, dann muss jeder seinen Beitrag leisten. Dies gilt auch für den Gesetzgeber.

Der Autor Nico Kuhlmann (@NicoKuhlmann) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Hogan Lovells International LLP in Hamburg. 

Zitiervorschlag

E-Skateboards: Der Fortschritt fährt davon . In: Legal Tribune Online, 06.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31347/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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