Der Mindestlohn gilt seit 1. Januar 2015, verzichten kann man im Grunde nicht. Betrifft er auch tausende Spieler, Trainer und Helfer, die sich in Deutschlands Sportclubs engagieren? Ihnen allen 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen, würde für viele Vereine das Aus bedeuten. Sebastian Scheffzek erklärt, wem die Clubs den Mindestlohn zahlen müssen und wie sie sich absichern sollten.
Seit dem 1. Januar 2015 müssen die meisten Arbeitgeber in Deutschland ihren Mitarbeitern den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde bezahlen. Die Mitarbeiter können darauf - außer in gerichtlichen Vergleichen - nicht verzichten.
Auch (Breitensport-)Vereine müssen den Mindestlohn bezahlen. Schon die Veröffentlichung des Entwurfs für das Mindestlohngesetz (MiLoG) hat für große Verunsicherung gerade bei den Sportclubs gesorgt. Für den Fußball als wohl bedeutendste Sportart hat der für die Amateurspieler verantwortliche DFB-Vizepräsident Rainer Koch der Welt am Sonntag nach Jahresbeginn bestätigt, dass es weiterhin "eine gewisse Verunsicherung in der Branche" gebe. Es hätten sich bereits "einige Geschäftsführer und Manager" bei ihm gemeldet.
Sogar der Geschäftsführer der Spielergewerkschaft "Vereinigung der Vertragsfußballspieler", Ulf Baranowsky, der das MiLoG grundsätzlich begrüßt, räumte gegenüber der Zeitung ein, dass "klamme Klubs unterhalb der Dritten Liga durchaus in die Bredouille geraten" könnten. Das gilt nicht nur für die vielen sogenannten Vertragsspieler, von denen viele vor allem im Fußball in den unteren Ligen bisher oft nur 250 Euro monatlich erhalten.
Aber auch in anderen Sportarten wie dem Handball oder Basketball müssen sich die Vereine insbesondere außerhalb der Profiligen –fragen, wie sie künftig mit ihren Trainer und Sportlern, aber auch Betreuern und Geschäftsstellenmitarbeitern umgehen sollen. Was wird aus all diesen Personen, die mit einem persönlichen und zeitlichen Engagement für die Clubs tätig sind, welches ihre Vergütung, gemessen am Mindeststundenlohn von 8,50 Euro, weit übersteigt?
Von Trainer bis Geschäftsstelle: Kein Sportclub ohne engagierte Helfer
Entwarnung gibt das MiloG ausdrücklich für ehrenamtlich ausgeführte Tätigkeiten. Für diese ist der Mindestlohn nicht zu zahlen. Für Vereine ist jedoch oft unklar, wo die Grenze zwischen mindestlohnfreiem Ehrenamt und mindestlohnpflichtiger Arbeitsleistung verläuft. Ein nicht mindestlohnpflichtiges Ehrenamt dürfte etwa vorliegen, wenn die steuerfreie Übungsleiterpauschale in Höhe von 2.400 Euro jährlich nicht überschritten wird, welche die meisten Vereine ihren Trainern zahlen.
Unkritisch im Hinblick auf das MiloG ist auch die Vergütung von Jugendlichen, die schon 15, aber noch nicht 18 Jahre alt sind, da sie ebenfalls ausdrücklich nicht in den Anwendungsbereich des MiLoG fallen. Ebenso vom Mindestlohn ausgenommen sind Langzeitarbeitslose für die ersten sechs Monate ihrer Tätigkeit sowie nach der Gesetzesbegründung auch Absolventen eines sozialen Jahres.
Praktikanten muss kein Mindestlohn gezahlt werden, wenn sie ein Pflichtpraktikum absolvieren. Gleiches gilt für Orientierungspraktika vor einer Ausbildung oder einem Studiengang, wenn diese nicht länger als drei Monate dauern. Maximal so lange können auch studien- und ausbildungsbegleitende Praktika ohne Mindestlohn dauern, sofern der jeweilige Praktikant bei dem Verein noch kein solches Praktikum absolviert hat.
Auch Einstiegsqualifizierung und Berufsausbildungsvorbereitung unterliegen nicht dem Mindestlohn. Genau wie Praktika haben sie jedoch den Nachteil, dass der Verein die Zusammenarbeit mit der Person nicht dauerhaft außerhalb des MiLoG abwickeln kann. Gleichwohl sollten Sportvereine diese Ausnahmen kennen und nutzen, auch wenn es hierzu noch einige ungeklärte Details gibt.
2/2: Einsatz für das Gemeinwohl im Vordergrund?
Besonders schwierig wird es jedoch bei den vielen bezahlten Sportlern, Betreuern und sonstigen Helfern, die beispielsweise auf Grundlage von 450-Euro Verträgen als geringfügig Beschäftigte für die Vereine tätig werden. Wäre das MiLoG auf sie anwendbar, dürften sie monatlich max. 52,9 Stunden, bei Verdiensten von unter 450 Euro sogar noch weniger arbeiten.
Das MiLoG regelt nicht, ob Amateursportler, aber auch sonstige Beschäftigte der Vereine auch dann "ehrenamtlich" und damit nicht mindestlohnpflichtig tätig werden, wenn sie geringfügig beschäftigt sind. Auch Rechtsprechung gibt es dazu noch nicht.
Fachleute, welche diese Auffassung und damit die Ausübung eines Ehrenamts vertreten, begründen das damit, dass trotz der Entlohnung der Einsatz für das Gemeinwohl im Vordergrund stehe. Sie beziehen sich dabei auf die Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales vom 2. Juli 2014:
"Die Koalitionsfraktionen sind mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales darin einig, dass ehrenamtliche Übungsleiter und andere ehrenamtlich tätige Mitarbeiter in Sportvereinen nicht unter dieses Gesetz fallen. Von einer "ehrenamtlichen Tätigkeit" im Sinne des § 22 Abs. 3 MiLoG ist immer dann auszugehen, wenn sie nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern vom Willen geprägt ist, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. […] Auch Amateur- und Vertragssportler fallen nicht unter den Arbeitnehmerbegriff, wenn ihre ehrenamtliche sportliche Betätigung und nicht die finanzielle Gegenleistung für ihre Tätigkeit im Vordergrund stehen."
Gegen ein Ehrenamt spricht, dass 450-Euro-Jobs Teilzeit-Arbeitsverträge sind, welche auch Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub begründen. Mit diesem Argument könnte man durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass es sich um normale Arbeitsverhältnisse handelt, auf die auch das MiLoG anwendbar, Mindestlohn also zu zahlen ist.
Wie geht es weiter?
Die Anwendbarkeit des MiloG würde für Sportvereine seit 1.Januar 2015 auch die Pflicht begründen, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit innerhalb von sieben Tagen aufzuzeichnen und diese Mitschriften mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
Trotz der unklaren Rechtslage und der sich hieraus ergebenden Unwägbarkeiten für die Vereine ist nicht damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber kurzfristig zumindest Breitensportvereine aus dem MiLoG ausnehmen wird. Auch wenn jeder Club seine Besonderheiten hat, die im Einzelfall zu anderen Ergebnissen führen können, würden die Vereine erhebliche Risiken eingehen, wenn sie den Mindestlohn nicht ab 1.Januar 2015 an Berechtigte zahlen.
Bei Verstößen gegen das MiLoG drohen ganz erhebliche Bußgelder, die bis zu 500.000 Euro reichen können. Weil Berechtigte auf den Mindestlohn grundsätzlich auch nicht verzichten können, könnten Spieler noch Jahre nach einem Wechsel mit erheblichen Vergütungsnachforderungen auf ihren ehemaligen Verein zukommen. Vereine sollten daher ihre Vertrags- und Zahlungspraxis auf Vereinbarkeit mit dem MiloG durchleuchten und – wo dies erforderlich ist – zeitnah anpassen.
Der Autor Dr. Sebastian Scheffzek ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei BRP Renaud & Partner in Stuttgart. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen das Individual- und Kollektivarbeitsrecht sowie das Sportrecht.
Dr. Sebastian Scheffzek, Breitensport in Deutschland: Der Mindestlohn bedroht die Amateurvereine . In: Legal Tribune Online, 12.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14334/ (abgerufen am: 20.04.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag