Breitensport in Deutschland: Der Mindestlohn bedroht die Amateurvereine

von Dr. Sebastian Scheffzek

12.01.2015

2/2: Einsatz für das Gemeinwohl im Vordergrund?

Besonders schwierig wird es jedoch bei den vielen bezahlten Sportlern, Betreuern und sonstigen Helfern, die beispielsweise auf Grundlage von 450-Euro Verträgen als geringfügig Beschäftigte für die Vereine tätig werden. Wäre das MiLoG auf sie anwendbar, dürften sie monatlich max. 52,9 Stunden, bei Verdiensten von unter 450 Euro sogar noch weniger arbeiten.

Das MiLoG regelt nicht, ob Amateursportler, aber auch sonstige Beschäftigte der Vereine auch dann "ehrenamtlich" und damit nicht mindestlohnpflichtig tätig werden, wenn sie geringfügig beschäftigt sind. Auch Rechtsprechung gibt es dazu noch nicht.

Fachleute, welche diese Auffassung und damit die Ausübung eines Ehrenamts vertreten, begründen das damit, dass trotz der Entlohnung der Einsatz für das Gemeinwohl im Vordergrund stehe. Sie beziehen sich dabei auf die Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales vom 2. Juli 2014:

"Die Koalitionsfraktionen sind mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales darin einig, dass ehrenamtliche Übungsleiter und andere ehrenamtlich tätige Mitarbeiter in Sportvereinen nicht unter dieses Gesetz fallen. Von einer "ehrenamtlichen Tätigkeit" im Sinne des § 22 Abs. 3 MiLoG ist immer dann auszugehen, wenn sie nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern vom Willen geprägt ist, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. […] Auch Amateur- und Vertragssportler fallen nicht unter den Arbeitnehmerbegriff, wenn ihre ehrenamtliche sportliche Betätigung und nicht die finanzielle Gegenleistung für ihre Tätigkeit im Vordergrund stehen."

Gegen ein Ehrenamt spricht, dass 450-Euro-Jobs Teilzeit-Arbeitsverträge sind, welche auch Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub begründen. Mit diesem Argument könnte man durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass es sich um normale Arbeitsverhältnisse handelt, auf die auch das MiLoG anwendbar, Mindestlohn also zu zahlen ist.

Wie geht es weiter?

Die Anwendbarkeit des MiloG würde für Sportvereine seit 1.Januar 2015 auch die Pflicht begründen, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit innerhalb von sieben Tagen aufzuzeichnen und diese Mitschriften mindestens zwei Jahre aufzubewahren.

Trotz der unklaren Rechtslage und der sich hieraus ergebenden Unwägbarkeiten für die Vereine ist nicht damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber kurzfristig zumindest Breitensportvereine aus dem MiLoG ausnehmen wird. Auch wenn jeder Club seine Besonderheiten hat, die im Einzelfall zu anderen Ergebnissen führen können, würden die Vereine erhebliche Risiken eingehen, wenn sie den Mindestlohn nicht ab 1.Januar 2015 an Berechtigte zahlen.

Bei Verstößen gegen das MiLoG drohen ganz erhebliche Bußgelder, die bis zu 500.000 Euro reichen können. Weil Berechtigte auf den Mindestlohn grundsätzlich auch nicht verzichten können, könnten Spieler noch Jahre nach einem Wechsel mit erheblichen Vergütungsnachforderungen auf ihren  ehemaligen Verein zukommen.   Vereine sollten daher ihre Vertrags- und Zahlungspraxis auf Vereinbarkeit mit dem MiloG durchleuchten und – wo dies erforderlich ist – zeitnah anpassen.

Der Autor Dr. Sebastian Scheffzek ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der Kanzlei BRP Renaud & Partner in Stuttgart. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen das Individual- und Kollektivarbeitsrecht sowie das Sportrecht.

Zitiervorschlag

Dr. Sebastian Scheffzek, Breitensport in Deutschland: Der Mindestlohn bedroht die Amateurvereine . In: Legal Tribune Online, 12.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14334/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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