Minderjährige Fußballprofis: Abseits­falle Jugend­schutz

Schalke 04 hat mit einem knappen 1:0 gegen Bayern München das Finale des DFB-Pokals erreicht. Anders als im Viertelfinale brauchte der Verein nicht in die Nachspielzeit zu gehen. Trotzdem kann es noch ein Nachspiel geben – diesmal aber ein juristisches. Denn der Einsatz des 17-jährigen Nachwuchsstars Julian Draxler war rechtswidrig. Ein Kommentar von Prof. Dr. Arnd Diringer.

Das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) gilt bei Juristen gemeinhin als ebenso anspruchsvoll wie Interviews von Fußballprofis, ohne dass es allerdings genauso häufig humoristische Aspekte aufweist.

Das Gesetz ist einfach und klar strukturiert und auch ohne vertiefte Rechtskenntnisse verständlich. Die betriebliche Praxis hat sich, wenn auch oft zähneknirschend, an die Vorgaben gewöhnt und beachtet sie im Wesentlichen auch. Entsprechend selten ergeben sich juristische Auseinandersetzungen.

Seit dem Einsatz des 17-jährigen Schalker Nachwuchsstars Julian Draxler im Viertelfinale des DFB-Pokals findet das JArbSchG jedoch ungewohnte Aufmerksamkeit. Draxler hatte hier mit einem Traumtor den FC Schalke 04 in der 119. Minute ins Halbfinale geschossen. Für den Verein völlig überraschend tauchte nach diesem Spiel plötzlich die Frage auf, ob sein Einsatz überhaupt zulässig war. Denn nicht nur das entscheidende Tor fiel spät. Das gesamte Spiel fand in den Abendstunden und damit zu einer Zeit statt, in der Jugendliche nach dem JArbSchG Gesetz grundsätzlich nicht beschäftigt werden dürfen. Vor dem Halbfinale gegen den FC Bayern München stand Trainer Magath damit vor der Frage, ob er seinen jungen Star überhaupt einsetzen darf.

Problem erkannt, Problem gebannt?

Gemäß § 14 Abs. 1 JArbSchG dürfen Jugendliche nur in der Zeit von 6 bis 20 Uhr arbeiten. Ausnahmen gelten nach Abs. 2 für das Gaststätten- und Schaugewerbe, für die Arbeit in "mehrschichtigen Betrieben", für die Landwirtschaft sowie für Bäckereien und Konditoreien. Darüber hinaus gestattet Abs. 7, dass Jugendliche bei "Musikaufführungen, Theatervorstellungen und anderen Aufführungen, bei Aufnahmen im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), auf Ton- und Bildträger sowie bei Film- und Fotoaufnahmen bis 23 Uhr gestaltend mitwirken." Eine Rechtfertigung für den abendlichen Einsatz jugendlicher Profispieler ist daraus zunächst nicht ersichtlich.

Nach Informationen von Spiegel-Online fanden die zuständige Bezirksregierung Münster und die Juristen des FC Schalke 04 jedoch gemeinsam recht schnell eine Lösung. Ein Fußballspiel sei als "andere Aufführung" im Sinne des § 14 Abs. 7 JArbSchG anzusehen, in der die Spieler gestaltend tätig werden. Damit sei ein abendlicher Spieleinsatz des jungen Fußballprofis von dieser Ausnahmeregelung gedeckt.

Unterstützung erhielten die Bezirksregierung und die Vereinsjuristen nach dem Spiegel-Online-Bericht von der Trierer Rechtsprofessorin Monika Schlachter. Nach ihrer Auffassung ist der Profisport zwar in der zur Begründung herangezogenen Norm nicht konkret genannt. Dies stelle aber kein Problem dar, denn die Generalklausel sei dazu da, neu hinzukommende Anwendungsfelder mit aufzunehmen.

Auf der Grundlage dieser Einschätzung wurde Draxler dann auch im Halbfinale gegen die Bayern eingewechselt. Mit einem Tor konnte der Jungprofi dieses Mal zwar nicht glänzen, sein wiederholter Einsatz zur Abendzeit rückt aber die Frage des Jugendarbeitsschutzes von jungen Profifußballern erneut ins Blickfeld.

Eine einfache Lösung - nur leider falsch

Denn die von der Bezirksregierung und den Schalker Juristen präsentierte Lösung klingt zwar einfach und praxisgerecht. Aber sie ist falsch: Das JArbSchG lässt eine solche Auslegung nicht zu.

Schon die Formulierung "Musikaufführungen, Theatervorstellungen und andere Aufführungen" zeigt deutlich, dass die anderen Aufführungen ihrer Art nach Musikaufführungen und Theatervorstellungen vergleichbar sein müssen. Dies kann beim Profifußball trotz manch bühnenreifer Schwalbe wohl kaum ernsthaft begründet werden.

Vor allem aber zeigen andere Regelungen des JArbSchG, dass die Ausdehnung des Begriffs "andere Aufführungen" auf den Profisport nicht gewollt ist. Der Gesetzgeber hat die besonderen zeitlichen Anforderungen des Sports durchaus gesehen aber eben nur insoweit berücksichtigt, als dies mit dem Gedanken des Jugendarbeitsschutzes vereinbar ist.

§§ 16 Abs. 2 Nr. 9 bzw. § 17 Abs. 2 Nr. 6 JArbSchG nennen die Beschäftigung "beim Sport" ausdrücklich als Ausnahme vom Verbot der Samstags- bzw. Sonntagsarbeit. Diese Formulierung umfasst nach allgemeiner Meinung auch die Tätigkeit als Profisportler. Im Umkehrschluss ergibt sich dann aber, dass eine Ausnahme bei der Nachtruhe für jugendliche Profisportler nicht gewollt war, da in § 14 JArbSchG der Sport gerade nicht genannt ist.

Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass die gesetzlichen Regelungen zur Samstags- und Sonntagsarbeit "Musikaufführungen, Theatervorstellungen und andere Aufführungen" ausdrücklich neben dem Sport nennen (§ 16 Abs. 2 Nr. 7 bzw. § 17 Abs. 2 Nr. 5 JArbSchG). Dies zeigt, dass der Gesetzgeber bewusst zwischen "anderen Aufführungen" und Sport unterscheidet.

Das Finale ist dennoch gesichert

Um die Spielteilnahme ihres Nachwuchsstars beim Pokalfinale brauchen sich die Schalker Fans gleichwohl keine Sorgen machen, auch wenn dieses wiederum erst um 20 Uhr beginnt.

Solange die Bezirksregierung bei ihrer fehlerhaften Rechtsaufassung bleibt, kann man weder dem Verein noch dem Trainer einen juristischen Vorwurf machen, wenn sie Julian Draxler wieder einsetzen. Aber auch falls dies noch vor dem Finale anders gesehen werden sollte, wird sich ein Profiverein von den geltenden Rechtsvorschriften wohl kaum abschrecken lassen. Denn im schlimmsten Fall droht ein Bußgeld in Höhe von 15.000 Euro (§ 58 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 JArbSchG). Im Vergleich zu den Einnahmen, die sich aus einem möglichen Titelgewinn ergeben, eine zu vernachlässigende Summe.

Und bis zum Pokalfinale 2012 hat sich das Problem zumindest für Julian Draxler ohnehin erledigt. Bis dahin zählt er nicht nur sportlich, sondern auch juristisch zu den Großen.

Der Autor Prof. Dr. Arnd Diringer lehrt an der Hochschule Ludwigsburg und leitet dort die Forschungsstelle für Personal und Arbeitsrecht .

 

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Zitiervorschlag

Arnd Diringer, Minderjährige Fußballprofis: . In: Legal Tribune Online, 03.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2677 (abgerufen am: 09.12.2024 )

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